23.11.2024
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Verwaltungsgericht Wiesbaden Beschluss27.02.2009

VG Wiesbaden: Vorlage an EuGH zur Vorab­ent­scheidung über Gültigkeit der Verordnung zur Veröf­fent­lichung von Daten der Empfänger von AgrarbeihilfenZur Veröf­fent­lichung von Daten als Empfänger von Agrarbeihilfen

Das Verwal­tungs­gericht Wiesbaden legt dem EuGH zwei EG-Verordnungen, die die Veröf­fent­lichung von Subven­ti­o­ns­emp­fängern im Internet vorschreiben, zur Überprüfung vor.

Die Klägerin, ein landwirt­schaft­licher Voller­wer­bs­betrieb in der Form einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts, klagt vor dem Verwal­tungs­gericht Wiesbaden gegen die Veröf­fent­lichung ihrer Daten als Empfängerin von Agrarbeihilfen der EU im Internet.

Mit Bescheid vom 31.12.2008 gewährte der Landrat des Main-Kinzig-Kreises der Klägerin eine Betriebsprämie aus EU-Mitteln. Eine Verordnung der EG und eine dazugehörige Durch­füh­rungs­ver­ordnung bestimmen, dass auf einer speziell hierfür eingerichteten Seite - in Deutschland bei der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung - die Namen der Empfänger von EU-Mitteln, Ort mit Postleitzahl und die Höhe der gewährten Jahresbeträge bereit gestellt werden. Auch ist die Seite mit einer Suchfunktion ausgestattet. Die Klägerin meint, die Veröf­fent­lichung ihrer Daten verstieße gegen den Datenschutz, da es sich hierbei um perso­nen­be­zogene Daten handele, die auch Rückschlüsse über den Betrieb zuließen. Die 6. Kammer des Verwal­tungs­ge­richts Wiesbaden hat mit Beschluss vom heutigen Tage das Klageverfahren ausgesetzt und dem Europäischen Gerichtshof die Fragen zur Vorab­ent­scheidung vorgelegt, ob die EG-Verordnung Nr. 1290/2005 des Rates vom 21.06.2005 und die EG-Verordnung Nr. 259/2008 der Kommission vom 18.03.2008, die Durch­füh­rungs­be­stim­mungen enthält, gültig sind.

Das Gericht hält die entsprechenden Vorschriften der genannten Verordnungen für unvereinbar mit dem Gemein­schaftsrecht.

Soweit hiernach die Veröf­fent­lichung eines jeden Empfängers von EU- Mitteln und der erhaltenen Beträge zwingend im Internet erfolgen müsse, liege ein gravierender Eingriff in das Grundrecht auf Datenschutz vor, der nicht gerechtfertigt sei. Denn dies sei nur dann der Fall, wenn der Eingriff zur Erreichung des dort genannten Zwecks in einer demokratischen Gesellschaft notwendig sei, in einem angemessenen Verhältnis mit dem verfolgten berechtigten Zweck stehe und ein zwingendes gesell­schaft­liches Bedürfnis be-stehe. Soweit mit der Verordnung das Ziel verfolgt werde, die Transparenz in Bezug auf die Verwendung der Gemein­schafts­mittel zu erhöhen und durch eine öffentliche Kontrolle die Wirtschaft­lichkeit der Haushalts­führung der betroffenen Fonds zu verbessern, sei festzustellen, dass Transparenz keinen eigenständigen Zweck darstelle, sondern nur das Ergebnis einer bestimmten Maßnahme beschreibe. Es sei bereits zweifelhaft, ob die Veröf­fent­lichung überhaupt geeignet für diesen Zweck sei, denn das Bundes­mi­nis­terium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbrau­cher­schutz verneine eine Verbesserung der Kontrolle der verwendeten Mittel und die Verhütung von Unregel­mä­ßig­keiten durch diese Maßnahme. Es bestünden andere Kontroll­me­cha­nismen.

Jedenfalls, so das Gericht, stehe die Veröf­fent­lichung nicht in einem angemessenen Verhältnis zu dem verfolgten Zweck, denn eine Veröf­fent­lichung sei nicht wirklich erforderlich. Der EuGH habe in einem ähnlichen Rechtsstreit bereits entschieden, dass der Zweck der Transparenz auch erreicht werden könne, indem die Informationen nur den Kontrollorganen mitgeteilt oder die Gesamtbeträge veröffentlicht würden.

Auch sei für das Gericht nicht erkennbar, warum die Veröf­fent­lichung im Internet erfolgen müsse, denn dieses Vorgehen gehe weit über das hinaus, was in einer demokratischen Gesellschaft notwendig sei. Die Daten seien weltweit einsehbar, nicht nur in der Europäischen Union, und könnten auch nicht, wie die Verordnung selbst es vorsehe, vollständig nach 2 Jahren aus dem Internnet entfernt werden, da dies technisch nicht umsetzbar sei. Zwar würden die Daten auf der Homepage nach zwei Jahren gelöscht, die Speicherung der Informationen durch andere Webdienste könne aber weder verhindert noch rückgängig gemacht werden.

Schließlich sei die Veröf­fent­lichung im Internet zur Information des Bürgers nicht geeignet, da diese höchstens einen minimalen Infor­ma­ti­o­nswert für den interessierten Durch-schnittsbürger besitze. Auch würden diejenigen Bürger, die sich im Internet informieren wollten, gezwungen, sich einer Vorrats­da­ten­spei­cherung auszusetzen, welche ebenfalls unver­hält­nismäßig im Sinne der Europäischen Menschen­rechts­kon­vention sei.

Quelle: ra-online, Verwaltungsgericht Wiesbaden

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