22.11.2024
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Dokument-Nr. 6968

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Verwaltungsgericht Stuttgart Urteil13.10.2008

Beamten­kran­kenkasse muss Kosten einer Vollnarkose aufgrund Zahnarztphobie erstatten

Die Aufwendungen für eine medizinisch indizierte Intuba­ti­o­ns­narkose wegen sog. Oralphobie, d.h. einer durch die bevorstehende Zahnbehandlung ausgelösten pathologischen Angst, sind von der Postbe­am­ten­kran­kenkasse zu erstatten. Das hat das Verwal­tungs­gericht Stuttgart entschieden und die Beamten­kran­kenkasse dazu verpflichtet, der klagenden Beamtin Kassen­leis­tungen für die bei deren Tochter durchgeführten Vollnarkosen in Höhe von 179,95 € zu gewähren.

Die Klägerin ist Mitglied der beklagten Postbe­am­ten­kran­kenkasse. Im Juli 2006 legte sie der Beklagten Arztrechnungen der Anästhesistin über zwei im Mai und Juni 2006 im Rahmen zahnärztlicher Behandlungen ihrer mitversicherten Tochter (*1993) durchgeführten ambulanten Intuba­ti­o­ns­na­rkosen zur Erstattung vor. Das lehnte die Beklagte im September 2006 ab, mit dem Hinweis, eine Indikation für eine Vollnarkose liege bei einer zahnärztlichen Behandlung grundsätzlich nicht vor. Nach dem Gutachten ihres Vertrau­ens­zahn­arztes könne es im Falle eines Oralphobikers auch fehlerhaft sein, dem Narkosewunsch nachzugeben, da diese Behandlung die Phobie verstärken und chronifizieren könne. Es könne nicht sein, dass bei der jungen Versicherten in Zukunft alle Behand­lungs­maß­nahmen in Vollnarkose durchgeführt würden. Die nicht sehr umfangreichen Behand­lungs­maß­nahmen hätten ohne Nachteil für die Versicherte in Lokalanästhesie oder in Analgosedierung durchgeführt werden können. Dem widersprach die Klägerin und verwies dabei auf Bescheinigungen des ihre Tochter behandelnden Zahnarztes hin, wonach dieser am 08.05.2006 eine zahnärztliche Füllungs­therapie mit der Tochter der Klägerin habe durchführen wollen. Diese habe aber einen niedrigen Blutdruck gehabt, kalte Hände und Kaltschweiß; sie habe hyperventiliert und habe nach langem Nachfragen angegeben, dass sie unendlich viel Angst vor der Behandlung habe. Unter diesen Umständen sei eine Lokalanästhesie lebens­ge­fährlich gewesen. Man habe sich daher entschlossen, die Behandlung unter Vollnarkose durchzuführen. In einer weiteren ärztlichen Bescheinigung wird bestätigt, dass bei der Tochter der Klägerin eine Vollnarkose bei der zahnärztlichen Behandlung indiziert gewesen sei, um eine erheblich seelisch-psychische Traumatisierung zu vermeiden.

Die 12. Kammer des Verwal­tungs­ge­richts gab der Klägerin Recht, denn unter Berück­sich­tigung sämtlicher vorliegender ärztlicher Stellungnahmen einschließlich der Stellungnahmen des Vertrau­ens­zahn­arztes hat die Beklagte die medizinische Indikation der durchgeführten ambulanten Intuba­ti­o­ns­na­rkosen und damit deren Notwendigkeit zu Unrecht verneint. Die eher allgemein gehaltenen Ausführungen des Vertrau­ens­zahn­arztes stünden dem nicht entgegen. Wenn die Indikation für die Durchführung einer Intuba­ti­o­ns­narkose insbesondere bei einem Kind gegeben sei, könne diese Maßnahme nicht deswegen als „kunstfehlerhaft“ eingestuft werden, weil die Behandlung unter Umständen die Phobie verstärke und chronifizieren könne. Dass nur bei ca. 5 bis 8 % der Patienten die Behandlung in Narkose aus zahnärztlicher Sicht tatsächlich indiziert sei, könne die hier gegebene Indikation für die Durchführung einer Intuba­ti­o­ns­narkose nicht beseitigen. Im Übrigen habe der behandelnde Zahnarztes nachvollziehbar dargelegt, dass eine adäquate Versorgung unter Lokalanästhesie auf Grund der gezeigten Angstzustände bei der Tochter der Klägerin nicht möglich erschienen sei.

Quelle: ra-online, Pressemitteilung des VG Stuttgart vom 05.11.2008

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