15.11.2024
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Dokument-Nr. 2032

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Verwaltungsgericht Stuttgart Urteil16.02.2006

Behinderter Sozia­l­hil­fe­emp­fänger hat Anspruch auf Kostenübernahme für einen Inter­ne­t­an­schluss

Das Internet ist heute ohne Zweifel ein geeignetes Mittel im Sinne der Einglie­de­rungshilfe für dauerhaft Schwer­be­hinderte, um Beziehungen zur Umwelt herzustellen und zu verbessern sowie am „Leben in der Gemeinschaft“ teilzunehmen. Von dieser gesell­schaft­lichen Entwicklung dürfen schwer behinderte Sozia­l­hil­fe­emp­fänger nicht dauerhaft abgekoppelt werden und haben deshalb einen Anspruch auf Übernahme der - günstigsten - Kosten eines Inter­ne­t­an­schlusses nebst monatlicher Nutzungsgebühr für 30 Internetstunden. Dies hat das Verwal­tungs­gericht Stuttgart entschieden und damit der Klage eines schwer Körper­be­hin­derten gegen den beklagten Landkreis - dem Grunde nach - stattgegeben.

Der Kläger, ein gelernter (arbeitsloser) Einzel­han­dels­kaufmann, hatte im Jahr 2000 einen Autounfall und leidet seither an Lähmungen mit Sturzgefahr, sodass seine Bewegungs­fä­higkeit deutlich eingeschränkt ist. Er ist derzeit mit einem Grad der Behinderung von 80 % schwer körperlich behindert. In seiner Wohnung kann er sich frei bewegen. Außer Haus benutzt er einen Gehwagen und fährt mit den öffentlichen Verkehrsmitteln bzw. dem Taxi, wenn es ihm nicht so gut geht. Seit 2003 bezieht der Kläger laufende Hilfe zum Lebensunterhalt. Am 29.12.2003 beantragte der Kläger beim Landkreis als Hilfe zur Teilnahme am Leben in der Gemeinschaft die Erstattung bereits angefallener Internetkosten. Derzeit, so der Kläger, nutze er das Internet insbesondere zu Infor­ma­ti­o­ns­zwecken sowie zum E-Mailverkehr mit seinen Familien­an­ge­hörigen, die allesamt über Inter­ne­t­an­schlüsse verfügten und teilweise in Übersee lebten; mit ihnen könne er nur auf diesem Weg guten Kontakt halten. Oft komme es auch vor, dass er die Wohnung am Tag überhaupt nicht verlasse. Der Landkreis lehnte mit Bescheid vom 18.06.2004 die Übernahme der Internetkosten ab, da als Einglie­de­rungshilfe immer nur der behin­de­rungs­be­dingte Mehraufwand bewilligbar sei.

Der am 30.12.2004 erhobenen Klage hat die 12. Kammer des Verwal­tungs­ge­richts stattgegeben:

Dem Kläger stehe ein Anspruch auf Übernahme der günstigsten Kosten eines Inter­ne­t­an­schlusses nebst monatlicher Nutzungsgebühr für 30 Internetstunden zu. Nach den Regelungen des Bundes­so­zi­a­l­hil­fe­ge­setzes sei Personen, die wie der Kläger nicht nur vorübergehend körperlich, geistig oder seelisch wesentlich behindert sind, Einglie­de­rungshilfe zu gewähren. Aufgabe der Einglie­de­rungshilfe sei, eine vorhandene Behinderung oder deren Folgen zu beseitigen oder zu mildern und den Behinderten in die Gesellschaft einzugliedern. Hierzu gehöre vor allem, dem Behinderten die Teilnahme am Leben in der Gemeinschaft zu ermöglichen oder zu erleichtern. In Anbetracht der Tatsache, dass heute nicht nur Behörden und Firmen zunehmend das Internet nutzten, um mit Bürgern bzw. Kunden in Kontakt zu treten, sondern auch immer mehr Privatpersonen über einen Internetzugang verfügten, sei das Internet heute ohne Zweifel ein geeignetes Mittel, um Beziehungen zur Umwelt herzustellen und zu verbessern sowie am „Leben in der Gemeinschaft“ teilzunehmen. Insbesondere der auch kostengünstige E-Mailverkehr ergänze in weiten Kreisen der Bevölkerung die Nutzung von Telefon und Briefpost. Von dieser gesell­schaft­lichen Entwicklung dürften schwer behinderte Sozia­l­hil­fe­emp­fänger nicht dauerhaft abgekoppelt werden. Zudem ermögliche es diesem Personenkreis gerade die Benutzung des Internets, mit Nicht­be­hin­derten in Kontakt zu treten, ohne dass diese von der Behinderung Kenntnis erlangen müssten, was so etwa im persönlichen Kontakt kaum möglich sei. Der Umgang mit dem Internet sei demnach eine wichtige Ergänzung der sonstigen sozialen Kontakte, um die Folgen der Behinderung zu beseitigen oder zu mildern und den Behinderten zumindest „virtuell“ in die Gesellschaft einzugliedern.

Quelle: Pressemitteilung des VG Stuttgart vom 01.03.2006

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