Dokument-Nr. 1199
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Verwaltungsgericht Stuttgart Urteil29.09.2005
Abfallgebühren für einen 40 Liter - Abfallbehälter bei wöchentlicher Entleerung in einem Einpersonenhaushalt sind rechtswidrig
Ein Behältervolumen von 40 l pro Woche liegt weit über dem, was bei der getrennten Entsorgung von zu verwertenden (Papier, Glas, Kunststoffe etc.) und schadstoffbelasteten Abfällen sowie von Haushaltskühlgeräten unumgänglich an Restmüll in einem Einpersonenhaushalt in den Abfallbehälter gelangt.
Soweit auch Gebührenschuldner, die in einem Einpersonenhaushalt leben, für ein solches Volumen Abfallgebühren bezahlen müssen, fehlt damit - von seltenen Ausnahmefällen abgesehen - jeder nach dem Landesabfallgesetz geforderten Anreiz, die Abfallgebühr durch Mülltrennung, -verwertung oder -vermeidung zu verringern. Eine solche Gebührenregelung ist daher mit dem Landesabfallgesetzes unvereinbar.
Dies hat die 12. Kammer des Verwaltungsgerichts Stuttgart mit Urteil vom 29.09.2005 entschieden und der Klage eines Gebührenpflichtigen gegen den Landkreis Hohenlohekreis auf Aufhebung eine Abfallgebührenbescheides für das Jahr 2005 in Höhe von 109 € stattgegeben.
Nach der Abfallwirtschaftssatzung des Landkreises Hohenlohekreis sind Abfallbehälter für den Haus- und Gewerbemüll Mülleimer mit 80 l, 120 l, 240 l oder 1.100 l Füllraum zugelassen. Der Inhalt der Abfallbehälter wird einmal wöchentlich oder 14-täglich eingesammelt. Die Benutzergebühren hierfür werden nach Zahl, dem Füllraum und der Abfuhrhäufigkeit der für einen Haushalt erforderlichen Abfallbehälter bemessen. Bei der Wahl des kleinsten Abfallbehälters mit 80 l Füllraum und einem nur 14-täglichen Entleerungsintervalls (also rechnerisch 40 l pro Woche) beträgt die Abfallgebühr 109 € jährlich.
Mit seiner am 29.03.2005 erhobenen Klage machte der Kläger geltend, die Abfallsatzung des Landratsamtes Hohenlohekreis biete keine Anreize zur Vermeidung und Verwertung sowie zur Abfalltrennung und widerspreche daher dem Landesabfallgesetz. Als Folge davon habe der Landkreis das größte Müllaufkommen im Land. Der Landkreis argumentierte dagegen, weil im Hausmüll derzeit auch Speisereste und andere organische Abfälle aus der Küche enthalten seien, sei aus hygienischen Gründen eine mindestens 14-tägliche Abfuhr des Hausmülls erforderlich. Des Weiteren müsse, um wilde Müllablagerungen zu vermeiden, der Anreiz zum Müllsparen in Grenzen gehalten werden. Zudem bestünden in der Abfallwirtschaft sehr hohe Fixkosten, d. h. Kosten, die von der konkreten Abfallmenge unabhängig seien. Dass der Landkreis bisher keine kleineren als 80 l Behälter zugelassen habe, habe hauptsächlich arbeitsschutzrechtliche Gründe. Die 80 l Behälter seien derzeit die kleinsten Behälter mit Rädern, die überzeugen könnten.
Die 12. Kammer führte aus:
Die in der Satzung des Landkreises Hohenlohekreis getroffene Gebührenregelung verstoße gegen den rechtlich verbindlichen § 2 Abs. 1 Satz 2 des Landesabfallgesetzes, da sie nicht in dem erforderlichen Umfang Anreize zur Vermeidung und Verwertung sowie zur Abfalltrennung gebe, und sei daher nichtig. Für die Heranziehung des Klägers zu einer Abfallgebühr fehle es damit an der erforderlichen satzungsrechtlichen Grundlage.
Nach der Satzung müsse, unabhängig von der Frage, wie viele Personen zu dem Haushalt gehörten, Gebühren für ein Behältervolumen von mindestens 40 l pro Woche bezahlt werden. Dabei sei zu berücksichtigen, dass Abfälle zur Verwertung, Haushaltskühlgeräte sowie schadstoffbelastete Abfälle aus Haushaltungen von der öffentlichen Abfallabfuhr ausgeschlossen seien. Als Abfälle zur Verwertung gälten Papier, Kartonagen, Glas, Metall, Kunststoff, Styropor, Leuchtstoffröhren, Elektronikgeräteschrott, Korken, Altfett, Kleidungsstücke, Schuhe und Grüngut. Der verbleibende Restmüll, der zur öffentlichen Abfallabfuhr bereit zu stellen sei, werde hierdurch von vornherein erheblich reduziert. Das vom Landkreis Hohenlohekreis vorgegebene Mindestbehältervolumen von 40 l pro Woche liege davon ausgehend weit über dem, was bei dem derzeitigen Abfallbeseitigungssystem des Landkreises unumgänglich in einem Einpersonenhaushalt an Restmüll in den Abfallbehälter gelange. Es sei davon auszugehen, dass umweltbewusste Bürger heute so leben könnten, dass weniger als 10 l Restabfall pro Person und Woche anfielen. Dem entspreche es, dass die Satzungen zahlreicher Landkreise - z. B. Esslingen - die Wahl eines deutlich unter 20 l pro Woche und Person liegenden Behältervolumens ermöglichten.Jedenfalls für Einpersonenhaushalte fehle damit - von seltenen Ausnahmefällen abgesehen - jeder Anreiz, die Abfallgebühr durch Mülltrennung, -verwertung oder -vermeidung zu verringern. Die Verpflichtung der in einem Einpersonenhaushalten lebenden Gebührenschuldner, für ein Abfallvolumen zu bezahlen, das weit über dem Minimum des in einem solchen Haushalt anfallenden Abfalls liege, könne auch nicht damit gerechtfertigt werden, dass die Möglichkeit der Bildung einer so genannten Behältergemeinschaft bestehe. Diese scheitere vielfach bereits an den äußeren Gegebenheiten, wie z. B. daran, dass bebaute Nachbargrundstücke fehlten, die Nachbarn nicht zu einer gemeinsamen Nutzung eines Abfallbehälters bereit seien, die Nachbarn das gesamte Volumen der von ihnen benützten Abfallbehälter selbst benötigten oder unter den Nachbarn keine Einigung über die gemeinsame Nutzung erzielt werden könne. Zudem bestehe keine Pflicht zu Bildung einer Behältergemeinschaft.
Der Landkreis mache ferner erfolglos geltend, dass der Anreiz zur Einsparung von Gebühren in Grenzen gehalten werden müsse, um wilde Müllablagerungen zu vermeiden. Es sei nicht erlaubt, auf Anreize zur Einsparung von Gebühren durch Verringerung der Abfallmenge für bestimmte Gruppen von Gebührenschuldnern gänzlich zu verzichten, wie dies in der Satzung des Landkreises geschehen sei. Auch das Vorbringen, Behälter mit einem Füllraum von weniger als 80 l seien aus arbeitsschutzrechtlichen Gründen ungeeignet, müsse außer Betracht bleiben. Denn es gebe die Möglichkeit, Abfallbehälter mit Einsätzen zu versehen und dadurch deren effektiven Füllraum zu verringern, wenn kleinere Behälter aus organisatorischen oder arbeitschutzrechtlichen Gründen nicht verwendet werden sollten. Ein solches Vorgehen sei in anderen Landkreisen gang und gäbe.
Gegen das Urteil steht den Beteiligten die Berufung, wenn sie vom Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg in Mannheim zugelassen wird. Anträge auf Zulassung können innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils gestellt werden.
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 14.11.2005
Quelle: Pressemitteilung des VG Stuttgart vom 24.10.2005
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