21.11.2024
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Dokument-Nr. 3223

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Verwaltungsgericht Stuttgart Beschluss19.10.2006

Versamm­lungs­rechtliche Auflagen "Aufstellen von Verkehrs­schildern" und "Abdecken von Verkehrszeichen" sind rechtswidrigGericht setzt Auflagen nach summarischer Prüfung im Eilverfahren außer Kraft

Der Deutsche Gewerk­schaftsbund (DGB) hat sich im Eilverfahren erfolgreich gegen verkehrs­be­hördliche Anordnungen zur Großver­an­staltung, die am 21.10.2006 in Stuttgart stattfand, gewehrt.

Der Deutsche Gewerk­schaftsbund (Antragsteller) hat am Samstag, den 21.10.2006, in Stuttgart eine Kundgebung mit zwei Aufzügen veranstaltet. Die Landes­hauptstadt Stuttgart (Antragsgegnerin) hatte dem Antragsteller mit Verfügung vom 13.10.2006, ergänzt durch Verfügung vom 18.10.2006, unter Anordnung des Sofortvollzugs die Aufstellung von Verkehrs­schildern und -einrichtungen auf den Verkehrsflächen auferlegt. So sollte der Antragsteller sämtliche für die Abgrenzung und Absicherung der bei der Großkundgebung und den vorangehenden zwei Aufzügen in Anspruch genommenen Verkehrsflächen erforderliche Beschilderung und Verkehr­s­ein­rich­tungen aufstellen, entge­gen­stehende Verkehrszeichen abdecken sowie die in den in Anspruch genommenen Parkflächen abgestellten Autos ihren Kennzeichen nach erfassen. Hiergegen begehrte der Antragsteller beim Verwal­tungs­gericht Stuttgart vorläufigen Rechtsschutz. Mit Beschluss vom 19.10.2006 - 10 K 3756/06 - hat die 10. Kammer des Verwal­tungs­ge­richts dem Antrag des DGB vollumfänglich stattgegeben und die aufschiebende Wirkung seines Widerspruchs gegen die verkehrs­rechtliche Anordnung wieder­her­ge­stellt.

Zur Begründung führte das Gericht im Wesentlichen aus, dass nach der im gerichtlichen Eilverfahren gebotenen, aber auch ausreichenden summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage die verkehrs­be­hördliche Anordnung einer Überprüfung im Haupt­sa­che­ver­fahren voraussichtlich nicht standhalten werde; sie erweise sich als mit hoher Wahrschein­lichkeit rechtswidrig. Indem die Antragsgegnerin die Durchführung der Kundgebung und der Aufzüge von der Erfüllung dieser Auflage abhängig gemacht habe, dürfte sie die Wahrnehmung des Grundrechts der Versamm­lungs­freiheit in nicht mehr durch § 15 Abs. 1 VersG gerecht­fer­tigter Weise einschränkt haben. Die Antragsgegnerin begründe die Notwendigkeit der verkehrs­recht­lichen Anordnung damit, diese sei erforderlich, um die Ausübung des Versamm­lungs­rechts in der vom Antragsteller beabsichtigten Planung überhaupt erst zu ermöglichen, während bei einer alternativen Gestaltung insbesondere der Modalitäten der Anreise der Veran­stal­tungs­teil­nehmer eine weniger aufwändigere und damit kosten­güns­tigere verkehrs­rechtliche Anordnung möglich gewesen wäre. Diese Argumentation könne die das Versamm­lungsrecht beschränkende Verfügung aller Voraussicht nach schon deshalb nicht rechtfertigen, weil die Antragsgegnerin den angemeldeten Streckenverlauf und die Anreise der Teilnehmer zu den Aufstellplätzen der Aufzüge in der vom Antragsteller geplanten Weise dem Versamm­lungs­be­scheid zugrunde gelegt und diese nicht durch Auflagen abgeändert habe. Damit treffe sie aufgrund des grund­recht­lichen Schutzes der Versamm­lungs­freiheit die Verpflichtung gegenüber dem Antragsteller, dafür Sorge zu tragen, dass die benötigten Verkehrsflächen in Anspruch genommen werden können, und habe dies gegebenenfalls durch Verkehr­s­um­lei­tungen und Absperrungen sicherzustellen.

Soweit ein völliger Zusammenbruch des fließenden Verkehrs zur besonders verkehr­s­in­tensiven Zeit in der Stuttgarter Innenstadt am Samstag zur Mittagszeit zu befürchten wäre, hätte die Antragsgegnerin dem über eine versamm­lungs­rechtliche Beschränkung in Gestalt einer geänderten Streckenführung oder zeitlicher Verschiebung der Veranstaltung begegnen können. Dass ein Inter­es­se­n­aus­gleich mit den übrigen Verkehrs­teil­nehmern möglich sei, habe die Antragsgegnerin durch die unveränderte Zugrundlegung der vom Antragsteller vorgelegten Ablaufplanung und die darauf beruhende Verkehrsplanung erkennen lassen. Es sei aber nicht ersichtlich, woraus es geboten sein sollte, den Vollzug dieser Verkehrsplanung dem Antragsteller aufzuerlegen.

Die geplante Versammlung unterfalle auch nicht dem Erfordernis der straßen­ver­kehrs­recht­lichen Erlaubnis nach § 29 Abs. 2 Satz 1 StVO. Da öffentliche Aufzüge und Versammlungen unter freiem Himmel wegen der für sie unverzichtbaren Publi­zi­täts­wirkung in der Regel auf öffentlichen Verkehrsflächen stattfinden müssten und selten im Rahmen verkehrs­üb­licher Inanspruchnahme zu halten seien, gehöre auch die nicht verkehrsübliche Inanspruchnahme zum Wesen und damit zum Schutzbereich der Versamm­lungs­freiheit. Diese Versammlungen seien nach §§ 14 , 15 VersG zwar anmelde-, nicht aber erlaub­nis­pflichtig und könnten nur unter bestimmten engen Voraussetzungen verboten werden.

Schließlich sei nicht erkennbar, auf welcher Grundlage die Antragsgegnerin den Antragsteller zur Aufstellung von Verkehrszeichen verpflichten könne. Nach § 45 Abs. 1 Ziff. 5 StVO könnten zwar die Straßen­ver­kehrs­be­hörden die Benutzung bestimmter Straßen oder Straßenstrecken zur Erhaltung der öffentlichen Sicherheit beschränken oder verbieten und den Verkehr umleiten. Diese Regelung ermächtige die Antragsgegnerin indes nicht dazu, die Aufstellung der erforderlichen Verkehrs­be­schil­de­rungen und -einrichtungen einem Dritten aufzuerlegen. Auch habe der Antragsteller aufgrund der Ausübung seines Grundrechts der Versamm­lungs­freiheit gerade nicht, wie etwa ein kommerzieller Veranstalter, eine Erlaubnis für die Durchführung seiner Veranstaltung einzuholen, mit der derartige Verpflichtungen in solchen Fällen gegebenenfalls auferlegt werden könnten.

Quelle: ra-online, Pressemitteilung des VG Stuttgart vom 21.10.2006

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