15.11.2024
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Verwaltungsgericht Münster Beschluss26.06.2006

Kein ausländischer Führerschein nach Entzug der deutschen FahrerlaubnisKeine Anwendbarkeit des Europarechtes bei Rechts­miss­brauch

Das Verwal­tungs­gericht Münster hat dem sogenannten Führer­schein­tou­rismus in andere Mitgliedstaaten der Europäischen Union Grenzen gesetzt: Wer rechts­miss­bräuchlich handelt, kann sich nicht auf das Europarecht berufen. Das Gericht bestätigte vorläufig die Entscheidung des Kreises Steinfurt, einer Autofahrerin die Nutzung einer polnischen Fahrerlaubnis in Deutschland zu untersagen.

Der Antragstellerin, einer in Westerkappeln lebenden Deutschen, war mehrfach wegen Trunkenheit im Verkehr der Führerschein entzogen worden. Obwohl das Kraft­fahrt­bun­desamt die polnischen Behörden auf die Verkehr­s­auf­fäl­lig­keiten sowie darauf hingewiesen hatten, dass sie in Deutschland eine neue Fahrerlaubnis nur auf Grund eines medizinisch-psychologischen Gutachtens erhalten könne, erteilte die Stadt Stettin der Frau nach Ablauf der zuletzt verhängten Sperrfrist eine polnische Fahrerlaubnis. Daraufhin ordnete der Kreis Steinfurt die Vorlage eines medizinisch-psychologischen Gutachtens an. Als dieses nicht einging, erkannte er der Antragstellerin durch Ordnungs­ver­fügung das Recht ab, von der ausländischen Fahrerlaubnis im Bereich der Bundesrepublik Deutschland Gebrauch zu machen.

Der Versuch der Autofahrerin, per Eilantrag vorläufig die Nutzung des polnischen Führerscheins in Deutschland zu sichern, blieb erfolglos. Die Antragstellerin berief sich auf das Europarecht und dabei insbesondere auf Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofes. Dieser hatte zuletzt im April 2006 die EG-Richtlinie 91/439/EWG so ausgelegt, dass Deutschland nicht deshalb dem Führerschein eines anderen europäischen Mitgliedstaates die Anerkennung versagen dürfe, weil sich sein Inhaber, dem in Deutschland die Fahrerlaubnis entzogen worden war, nicht einer nach dem Entzug erforderlichen Fahreig­nungs­prüfung unterzogen hat, nachdem die mit diesem Entzug verbundene Sperrfrist abgelaufen war.

Das Verwal­tungs­gericht entschied hingegen, die Antragstellerin könne sich hierauf nicht berufen. Es bestünden objektive Anhaltspunkte für einen Rechts­miss­brauch. Die missbräuchliche Berufung auf das Europarecht gestatte auch der EuGH nicht. Die Ziele der EG-Richtlinie zur gegenseitigen Anerkennung von Führerscheinen umfassten auch die Sicherheit im Straßenverkehr, die mit der unbedingten Anerkennung der polnischen Fahrerlaubnis durch den Antragsgegner nicht erreicht würden. Der Antragstellerin sei in Deutschland bislang fünfmal wegen Trunkenheit im Straßenverkehr die Fahrerlaubnis entzogen worden. Im Laufe der verschiedenen Neube­an­tra­gungen hätten Gutachter im Rahmen von medizinisch-psychologischen Untersuchungen der Antragstellerin immer wieder eine erhöhte Wahrschein­lichkeit für alkoholbedingte Verkehr­s­auf­fäl­lig­keiten attestiert. Es sei kaum wahrscheinlich, dass die Antragstellerin ohne nachgewiesene Alkohol­ab­stinenz sowie ohne einen nachgewiesenen dauerhaften und regelmäßigen Besuch einer Selbst­hil­fe­gruppe in Deutschland eine positive Eignungs­be­ur­teilung erhalten hätte. Dass die polnischen Behörden trotz der Mitteilung des Kraft­fahrt­bun­desamtes eine neue Fahrerlaubnis erteilt hätten, deute eklatant auf eine missbräuchliche Umgehung der europa­recht­lichen Vorschriften hin. Ferner bestehe der Verdacht, dass sich die Frau aus Westerkappeln nicht in Polen niedergelassen habe, um dort die polnische Fahrerlaubnis zu nutzen. Die Antragstellerin, die seit Jahren ununterbrochen in Westerkappeln gemeldet sei, habe nicht dargelegt, sich in Polen mindestens an 185 Kalendertagen aufgehalten zu haben. Die abschließende Aufklärung der Tatsachen sei im Eilverfahren aber nicht geboten. Im Rahmen einer Inter­es­se­n­ab­wägung überwiege das öffentliche Interesse an der Entziehung der Fahrerlaubnis deutlich das Interesse der Antragstellerin, vorläufig weiterhin ihre polnische Fahrerlaubnis hier nutzen zu dürfen. Die Antragstellerin habe den polnischen Führerschein an den Kreis herauszugeben, damit dieser einen Sperrvermerk darauf anbringe, dass er in Deutschland nicht benutzt werden dürfe.

Quelle: ra-online, Pressemitteilung des VG Münster vom 30.06.2006

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