Dokument-Nr. 1775
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Verwaltungsgericht Mainz Beschluss03.11.2005
Leichnam und gekreuzigte Frau: Polizei durfte bebilderten PKW sichergestellen
Die polizeiliche Sicherstellung eines Pkw, der mit bildlichen Darstellungen eines Leichnams und einer gekreuzigten Frau versehen ist, ist rechtens. Deshalb hat das Verwaltungsgericht Mainz den Antrag des Eigentümers und der Halterin des Fahrzeugs, die aufschiebende Wirkung ihres Widerspruchs gegen die Sicherstellung anzuordnen, abgelehnt.
Im Dezember 2005 stellte die Polizei einen geparkten Pkw sicher, auf den sie eine Anwohnerin aufmerksam gemacht hatte und dessen Halterin sie nicht erreichen konnte. Die Gründe für die Sicherstellung: Die Heckscheibe ist im unteren Bereich in ihrer gesamten Breite mit einem Foto beklebt, das einen liegenden Mann mit durchtrennter Kehle und geöffnetem Leib zeigt. Auf dem Dach des Kleinwagens ist eine mit Nägeln gekreuzigte junge Frau abgebildet, die aus einer Wunde unterhalb der linken Brust und aus ihren Genitalien blutet. Mit der Sicherstellung wurde verfügt, dass das Auto unter der Bedingung freigegeben wird, dass der Heckscheibenaufkleber vor Fahrtantritt entfernt wird.
Der Eigentümer und die Halterin des Pkw legten gegen die Sicherstellung und die Freigabebedingungen Widerspruch ein und wandten sich mit dem Ziel der vorläufigen Freigabe des Wagens an das Verwaltungsgericht. Der Heckscheibenaufkleber stamme von einem Hersteller skurriler Scherzartikel und Halloween - Dekorationsmaterialien. Er sei sicher nicht Jedermanns Geschmack, stelle aber keine Gefahr dar, wenn man zum Beispiel die auch tagsüber im Fernsehen gezeigten Werbeeinspielungen für Horrorfilme bedenke.
Die Sicherstellung ist rechtens, haben die Richter der 1. Kammer befunden und den Antrag abgelehnt. Es liege eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit vor, zumal beide bildlichen Darstellungen auch strafrechtlich verbotene Gewaltdarstellungen gemäß § 131 Abs. 1 Nr. 2 StGB beinhalten dürften. Bei dem Dachaufkleber komme der Straftatbestand der Beschimpfung des christlichen Glaubensbekenntnisses hinzu. Er stelle eine blasphemische Pervertierung des Kreuzsymboles und besonders geschmacklose und bösartige Profanierung der Darstellung des gekreuzigten Christus dar. Teile der Abbildung entsprächen denen des Kruzifixes, nämlich der mit einem Lendentuch versehene Körper, das Wundmal an der linken Brust und der Dornenkranz. Andere Charakteristika des Kruzifixes seien jedoch genau in ihr Gegenteil verkehrt: Der Körper sei weiblich, die Beine in eindeutiger Pose gespreizt; die Arme seien nach oben gestreckt und die Hände über dem Kopf übereinander liegend angenagelt wie die Füße des gekreuzigten Christus. Anstelle der Schuldtafel mit der Inschrift INRI über dem Haupt des gekreuzigten Christus finde sich auf dem Querbrett zwischen den gespreizten Beinen der Frau die Aufschrift „Desire”.
Auch die öffentliche Ordnung sei gefährdet, da jedenfalls die bildliche Darstellung des stark entstellten Leichnams gegen die für die Allgemeinheit verbindlichen Wertvorstellungen im Zusammenhang mit dem Umgang von Toten, wie sie im Bestattungsgesetz zum Ausdruck kämen, verstoße. Hinzu komme, dass im Starßenverkehr Dritte sich dem Anblick der Abbildungen anders als dem bestimmter Fernsehsendungen nicht entziehen könnten.
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 27.01.2006
Quelle: ra-online, VG Mainz
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