15.11.2024
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Sie sehen die Außenfassade einer Niederlassung des Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) mit dem Bundesadler und passendem Schriftzug der Behörde.

Dokument-Nr. 2243

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Beschluss13.04.2006Verwaltungsgericht Kassel
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Verwaltungsgericht Kassel Beschluss13.04.2006

Abschiebung trotz Kirchenasyls zulässig

Das Verwal­tungs­gericht Kassel hat die Eilanträge zweier erwachsener Kinder türkischer Asylbewerber kurdischer Volks­zu­ge­hö­rigkeit gegen ihre Abschiebung abgelehnt.

Die Geschwister befinden sich derzeit im sogenannten Kirchenasyl, das ihnen von der Ev. Kirchengemeinde Simmerhausen gewährt wird. Den Eltern und fünf minderjährigen Geschwistern der Antragsteller wurden vom Regie­rungs­prä­sidium in Kassel eine zunächst auf drei Monate befristete Duldung erteilt, nachdem das Verwal­tungs­gericht den Eilanträgen der Eltern gegen deren Abschiebung stattgegeben hatte. Diese machten glaubhaft, dass sie an schweren posttrau­ma­tischen Belas­tungs­stö­rungen litten, so dass im Falle einer Abschiebung in die Türkei auch aufgrund bestehender Suizidalität eine erheblich konkrete Gefahr für Leib oder Leben zu befürchten sei. Ein weiterer erwachsener Bruder der Antragsteller hat aufgrund einer Eheschließung ein asylu­n­ab­hängiges Aufent­haltsrecht erhalten. Die Eltern und die erwachsenen Kinder sind vor 12 Jahren als Asylbewerber in die Bundesrepublik eingereist.

Das Verwal­tungs­gericht führte in den Beschlüssen aus, dass das gewährte Kirchenasyl nicht geeignet sei, den Zugriff staatlicher Vollstre­ckungs­organe zu verhindern, so dass die Auslän­der­behörde nach Maßgabe der dafür geltenden gesetzlichen Regelungen die Möglichkeit habe, der Antragsteller habhaft zu werden und eine Abschiebung durchzuführen. Weder nach Kirchenrecht noch Staats­kir­chenrecht bestehe nach heutigem Verständnis im demokratischen Rechtsstaat ein auslän­der­rechts­freier Raum für Personen, die ein sogenanntes Kirchenasyl in Anspruch nähmen. Allenfalls hätten die Ordnungs­be­hörden in derartigen Fällen auf der Ebene des ihnen zustehenden Ermessens beim Einschreiten unter Beachtung des Verhält­nis­mä­ßig­keits­grund­satzes die in Art. 4 GG zum Ausdruck kommende Wertent­scheidung in die von ihnen vorzunehmende Abwägung einzubeziehen, ohne dass sich ein Einschreiten von vorneherein verbieten würde.

Die Abschiebung der Antragsteller sei auch nicht aus anderen Gründen rechtlich unmöglich i.S.v. § 60 a Abs. 2 AufenthG. Denn sowohl Familienasyl als auch Familie­n­ab­schie­bungs­schutz könne gemäß § 26 AsylVfG nur gewährt werden, wenn die Asylanerkennung des sogenannten Stamm­be­rech­tigten - hier der Eltern der Antragstellerin - oder die Feststellung des Vorliegens der Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG zu Gunsten des Stamm­be­rech­tigten unanfechtbar ist. Dies sei hier nicht der Fall. Ihrer Abschiebung stehe auch nicht die ihren Eltern gewährte Duldung entgegen. Denn es sei nicht zu erwarten, dass die Antragsteller anstelle ihres Vaters wegen des gegen diesen anhängigen Strafverfahrens wegen Verstoßes gegen Art. 159 TStGB verfolgt werden würden. Sippenhaft gebe es in der Türkei nicht. Auch könnten sich die Antragsteller nicht auf den Schutz von Ehe und Familie gemäß Art. 6 GG berufen. Zwar umfasse der Schutzbereich des Art. 6 Abs. 1 GG grundsätzlich auch das Verhältnis zwischen Eltern und ihren volljährigen Kindern. Auslän­der­rechtliche Schutzwirkungen entfaltet Art. 6 GG freilich nicht schon aufgrund formal-rechtlicher familiärer Bindungen. Hiefür sei eine besondere Beziehungslage erforderlich. Der Vortrag, sie seien zusammen mit ihren Eltern und Geschwistern vor 12 Jahren in die Bundesrepublik eingereist und ihnen sei eine Trennung deswegen nicht zuzumuten, genüge hierfür jedenfalls nicht.

Quelle: ra-online, Pressemitteilung des VG Kassel vom 18.04.2006

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