Dokument-Nr. 9903
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Verwaltungsgericht Kassel Urteil23.06.2010
Volumen kleiner Abfallmengen auf Kompostierungsanlagen darf geschätzt werdenKosten für Einrichtung geeichter Messanlagen für Kleinanlieferungen stehen in keinem angemessenen Verhältnis zu den zu erwartenden Einnahmen
Mitarbeiter einer Kompostierungsanlage sind dazu berechtigt und verpflichtet, die Abfallmengen für die Erhebung einer Abgabe zu schätzen, wenn die genaue Ermittlung der relevanten Daten tatsächlich unmöglich ist oder nur unter unzumutbarem Ermittlungsaufwand erreicht werden kann. In der Regel ist die Einrichtung geeichter Messanlagen auch für Kleinanlieferungen mit erheblichen Kosten verbunden und steht in einem unangemessenen Verhältnis zur den geringen zu erwartenden Abgabegebühren. Dies entschied das Verwaltungsgericht Kassel.
Im zugrunde liegenden Streitfall lieferte der Kläger am 17. März 2008 in seinem Pkw VW Passat Kombi Grünschnitt auf der Kompostierungsanlage Homberg (Efze) an, die vom beklagten Abfallzweckverband betrieben wird. Ein Mitarbeiter der Kompostierungsanlage schätzte die Menge des angelieferten Grünschnitts auf den Umfang eines doppelten Kofferraums (mehr als ,2 m³ bis ,5 m³) und setzte mit dem angegriffenen Bescheid die dafür in der Abfallgebührensatzung vorgesehene Gebühr in Höhe von 2,- Euro fest.
Kläger verlangt geeignete Messeinrichtung statt pauschalierender Schätzungsbefugnis des Mitarbeiters
Der Kläger wandte sich gegen die Gebührenforderung, soweit mehr als 1,- Euro festgesetzt worden war. Zur Begründung trug er vor, dass er den von ihm angelieferten Grünschnitt zuvor in den Kofferraum des Stufenheck-Pkw seines Nachbarn verladen habe, um sicher zu gehen, dass er die Menge von ,2 m³ nicht überschreite. Statt einer pauschalierenden Schätzungsbefugnis durch den Mitarbeiter vor Ort solle eine geeignete Messeinrichtung vorgesehen werden.
Genaues Wiegen oder Vermessen würde laufenden Geschäftsbetrieb behindern und reibungslosen und zügigen Betrieb der Anlage unmöglich machen
Das Verwaltungsgericht Kassel hielt dagegen die in der Satzung vorgesehene Befugnis der Mitarbeiter des Anlagenbetreibers, bei Kleinanlieferungen das Volumen der angelieferten Abfälle zu schätzen, für rechtmäßig. Nach den Regelungen des Kommunalabgabengesetzes und der Abgabenordung seien Behörden berechtigt und verpflichtet, die Grundlagen für die Erhebung einer Abgabe zu schätzen, wenn die genaue Ermittlung der relevanten Daten tatsächlich unmöglich sei oder nur unter unzumutbarem Ermittlungsaufwand erreicht werden könne. Hier habe der beklagte Abfallzweckverband nachvollziehbar vorgetragen, dass die Einrichtung geeichter Messanlagen auch für Kleinanlieferungen mit erheblichen Kosten verbunden wäre. Das stünde nach Auffassung des Gerichts in einem unangemessenen Verhältnis zur nur geringen Höhe der zu erwartenden Gebühren oder würde dazu führen, dass die erhöhten Kosten auf den jeweiligen Messvorgang umgelegt würden und daher die Gebühren stark erhöht werden müssten. Zudem würde damit auch in organisatorischer Hinsicht ein unverhältnismäßiger Aufwand erforderlich, da jede einzelne Kleinanlieferung genau verwogen oder vermessen werden müsste. Das würde angesichts der Zahl von durchschnittlich 163 täglichen Kleinanlieferungen den laufenden Geschäftsbetrieb so stark behindern, dass ein reibungsloser und zügiger Betrieb der Anlage nicht mehr gewährleistet wäre.
Schätzungsbefugnis ordnungsgemäß ausgeübt
Der zuständige Mitarbeiter habe im konkreten Fall die Schätzungsbefugnis auch ordnungsgemäß ausgeübt. Schätzungen müssten in sich schlüssig sein, wobei alle bedeutsamen Umstände zu berücksichtigen sind. Dabei dürfe insbesondere nicht gegen Denkgesetze und allgemeine Erfahrungssätze und anerkannte Schätzungsgrundsätze verstoßen werden. Der Verwaltung sei mit der Schätzungsbefugnis ein nur eingeschränkt gerichtlich überprüfbarer Einschätzungsspielraum übertragen. Sofern sich nicht aus den konkreten Umständen des Einzelfalls ergebe, dass die Abgabengrundlage – hier die angelieferte Abfallmenge – offensichtlich willkürlich festgesetzt wurde oder diese Festsetzung offensichtlich außer Verhältnis zu einer nach dem Vortrag der Beteiligten vernünftigerweise möglichen Abfallmenge steht, habe das Gericht die Einschätzung des betreffenden Mitarbeiters hinzunehmen.
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 06.07.2010
Quelle: ra-online, Verwaltungsgericht Kassel
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