Dokument-Nr. 6960
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Verwaltungsgericht Kassel Beschluss05.11.2008
Auflagen für die Demonstration der NPD am 08.11.2008 in Fulda größtenteils rechtmäßig
Das Verwaltungsgericht Kassel erklärt die vom Oberbürgermeister der Stadt Fulda der NPD gemachten Auflagen für die Demonstration am 08.11.2008 nur zum Teil für rechtwidrig.
Das Verwaltungsgericht Kassel hat einem Eilantrag des Landesorganisationsleiters der NPD-Hessen auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seines Widerspruchs gegen für sofort vollziehbar erklärte Auflagen des Oberbürgermeisters der Stadt Fulda hinsichtlich der Durchführung der am 08.11.2008 geplanten Demonstration nur zum Teil stattgegeben. Nachdem die Stadt Fulda mit ihrer Beschwerde gegen den Beschluss der 2. Kammer des Verwaltungsgerichts zur Rechtswidrigkeit eines vollständigen Demonstrationsverbotes vor dem Hess. Verwaltungsgerichtshof gescheitert war, wurden die von ihr nunmehr mit Verfügung vom 03.11.2008 erteilten Auflagen für die 08.11.2008 in Fulda vorgesehene Demonstration zum Thema "Endlich auferstehen aus den Ruinen - Deutschlands Zukunft liegt in unserer Hand" im Wesentlichen vom Verwaltungsgericht bestätigt.
Für rechtswidrig erachtete das Gericht die Anordnungen, dass das Versammlungsende auf 16.00 Uhr festgesetzt, das Tragen von Sonnenbrillen, Baseballkappen und Kapuzen und das Mitführen von schwarz-weiß-roten Fahnen sowie das Marschieren im Gleichschritt untersagt wird. Rechtswidrig sei auch die Auflage, dass der Landesorganisationsleiter der NPD-Hessen Herr Mario Matthes als vorgesehener Redner lediglich für das Verlesen der Auflagen zugelassen werde.
Die Rechtmäßig- bzw. Rechtswidrigkeit dieser Auflagen habe sich an der elementaren Bedeutung der Versammlungs- und Meinungsfreiheit und am Grundsatz der Verhältnismäßigkeit messen zu lassen. In diesem Sinne verhältnismäßig sei es, wenn mit Auflagen verhindert werden solle, dass Rechtsextreme an einem speziell der Erinnerung an das Unrecht des Nationalsozialismus und den Holocaust dienenden Feiertag einen Aufzug mit Provokationswirkung veranstalteten oder ein Aufzug sich durch sein Gesamtgepräge mit den Riten und Symbolen der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft identifiziere und durch Wachrufen der Schrecken des vergangenen totalitären und unmenschlichen Regime andere Bürger einschüchterten. Auflagen in diesem Sinne seien zulässig, wenn sie dazu dienten, dem geplanten Aufmarsch im Wesentlichen die Ähnlichkeit zu Aufmärschen der Nazischergen im sog. Dritten Reich zu nehmen. An diesen Vorgaben gemessen erwiesen sich die Auflagen, mit denen das Versammlungsende auf 16.00 Uhr festgesetzt worden sei, das Tragen von Sonnenbrillen, Baseballkappen oder Kapuzen und das Mitführen von schwarz-weiß-roten Fahnen und das Marschieren im Gleichschritt untersagt worden sei, als ebenso rechtswidrig, wie ein vorgesehener Redebeitrag auf das Verlesen von Auflagen reduziert worden sei.
Soweit die Stadt Fulda hingegen z.B. das Tragen bestimmter Kleidungsstücke, bestimmter Symbole oder das Mitführen von Fackeln oder Trommeln untersagt habe, sei dies ebenfalls rechtmäßig. Gleiches gelte für das Verbot einer Glorifizierung des Naziregimes und das Verbot einer Verhöhnung der durch die Verbrechen des Naziregimes geschädigten Opfer. Zulässig sei auch, die Anzahl der erlaubten Fahnen auf 10 bis 15 zu beschränken, was den Eindruck der militanten Geschlossenheit ebenfalls entschärfe. Abgeschwächt werde eine mögliche Provokationswirkung auch durch die räumliche Trennung der verschiedenen Veranstaltungen. Das Marschieren im Gleichschritt könne allerdings nicht verboten werden. Ein derartiges Verhalten gefährde weder die öffentliche Sicherheit noch die öffentliche Ordnung unmittelbar und sei daher nicht geeignet, eine Auflage im Sinne des § 15 Abs. 1 Versammlungsgesetz zu rechtfertigen. Das geschlossene Marschieren in Blöcken, Zügen und das Marschieren im Gleichschritt gehörten zu den Eigenarten großer Demonstrationen und Umzüge. Es sei strafrechtlich nicht verwehrt und werde durch die Bekleidungsauflage und das Verbot der Benutzung von Trommeln weitestgehend entschärft.
Auch insoweit das Mitführen von schwarz-weiß-roten Fahnen untersagt werde, halte diese Anordnung einer rechtlichen Überprüfung nicht stand. Selbstverständlich sei das Mitführen einer Reichskriegsflagge in der nach 1935 verwendeten Fassung strafbar und versammlungsrechtlich verboten. Doch gelte dies nicht generell für schwarz-weiß-rote Fahnen, da mit diesen ein ausschließlicher Bezug zum verbrecherischen Naziregime des sog. Dritten Reiches nicht zwingend einhergehe. Generelle Redeverbote dürften auch nicht ausgesprochen werden, denn dies stelle nicht nur einen Eingriff in die Versammlungs-, sondern noch vielmehr einen Eingriff in die Meinungsfreiheit dar. Es seien keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass es bei der vorgesehen Ansprache zu Straftaten kommen könnte.
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 07.11.2008
Quelle: ra-online, Pressemitteilung Nr. 11/08 des VG Kassel vom 05.11.2008
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