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Verwaltungsgericht Kassel Urteil10.10.2006
Bei Verstoß gegen den Rundfunkgebührenstaatsvertrag kann sich ein Rundfunkteilnehmer nicht auf Verjährung nicht gezahlter Gebühren berufenBei Nichtmitteilung der neuen Anschrift verstößt die Verjährungseinrede gegen Treu und Glauben
Rundfunkteilnehmer, die gegen ihre Pflichten aus dem Rundfunkgebührenstaatsvertrag verstoßen haben, können sich nicht auf Verjährung der Gebührenforderung berufen. Das hat das Verwaltungsgericht Kassel entschieden und die Klage eines Rundfunkteilnehmers wegen der Zahlung von Rundfunkgebühren gegen den Hessischen Rundfunk abgewiesen, der sich im Wesentlichen auf die Verjährung der Rundfunkgebührenforderung berufen hatte.
Der Kläger ist seit Januar 1995 im Besitz eines Rundfunkgerätes, wofür aufgrund einer von ihm erteilten Einzugsermächtigung für den Zeitraum 2. Januar bis 2. Oktober 1995 Rundfunkgebühren eingezogen wurden. Danach zog er um, richtete ein neues Konto ein und behielt auch das Konto, für das er die Einzugsermächtigung erteilt hatte. Aus unerfindlichen Gründen unterließ aber die GEZ den weiteren Einzug der Rundfunkgebühren.
Nach einer Kontrolle im Jahre 2004 stellte der Beklagte den Sachverhalt fest und forderte vom Kläger rückständige Gebühren in Höhe von 1.458,55 €. Mit seiner dagegen erhobenen Klage machte der Kläger im Wesentlichen geltend, dass die Einzugsermächtigung fortbestanden und er keine Veranlassung gesehen habe, sich weiter um den Sachverhalt zu kümmern. Er habe auch tatsächlich keine Kenntnis davon gehabt, dass Abbuchungen von seinem Konto nicht mehr erfolgten. Jedenfalls seien die Rundfunkgebühren für die Jahre 1996 bis 1999 verjährt.
Dem folgte das Verwaltungsgericht nicht. Zwar sei insoweit die vierjährige Verjährungsfrist für rückwirkende Gebührenfestsetzung nach § 4 Abs. 4 Rundfunkgebührenstaatsvertrag abgelaufen. Der Kläger könne sich indessen nicht auf den Eintritt der Verjährung berufen, weil er in verschiedener Hinsicht gegen die sich aus dem Rundfunkgebührenstaatsvertrag ergebenden Verpflichtungen als Rundfunkteilnehmer verstoßen habe. Zwar rechtfertige nicht jede Nachlässigkeit den Verjährungsausschluss. Zu der bloßen Nichtentrichtung der Rundfunkgebühren müsse eine (weitere) Pflichtverletzung des Rundfunkteilnehmers hinzutreten, die die Berufung auf die Verjährungseinrede als Verstoß gegen Treu und Glauben erscheinen lasse. Dies sei jedenfalls dann der Fall, wenn es ein Rundfunkteilnehmer unterlassen habe, die - erstmalige - Bereithaltung eines Gerätes zum Empfang entgegen § 3 Abs. 1 Rundfunkgebührenstaatsvertrag unverzüglich der Landesrundfunkanstalt anzuzeigen. Das sei beim Kläger zwar nicht der Fall gewesen, er habe es aber wiederholt versäumt, den Beklagten über die Veränderungen seines Wohnsitzes zu unterrichten. Hierdurch sei es dem Beklagten nicht möglich gewesen, nachzuprüfen, ob er, der Kläger, (weiterhin) Rundfunk- und/oder Fernsehgeräte zum Empfang bereithalte und folglich die Voraussetzungen der Gebührenpflicht gemäß § 4 Rundfunkgebührenstaatsvertrag nach wie vor gegeben seien. Gerade zur Ermöglichung dieser Überprüfung würden dem Rundfunkteilnehmer nicht nur für den Fall der Erstanmeldung, sondern auch für den Fall des Wohnungswechsels umfassende Mitteilung- und Anzeigepflichten nach dem Rundfunkgebührenstaatsvertrag auferlegt. Das sei deshalb gerechtfertigt, weil es sich bei dem Einzug von Rundfunkgebühren um ein Massenverfahren handele, bei dem die zuständige Landesrundfunkanstalt weder verpflichtet noch dazu in der Lage sei, jegliche für die Gebührenpflicht maßgebliche Veränderungen in den persönlichen Verhältnissen des betreffenden Rundfunkteilnehmers selbst zu ermitteln. Vielmehr sei sie hierfür in besonderer Weise auf die Mitwirkung der Rundfunkteilnehmer angewiesen.
Unter diesen Umständen könne es den Kläger auch nicht entlasten, dass die ehemals erteilte Einzugsermächtigung für das Konto an seinem damaligen Wohnort fortbestanden habe. Von dem Beklagten könne nicht verlangt werden, dass er zur Wahrung seiner Gebührenansprüche ohne zuverlässige Kenntnis, ob die Voraussetzungen für die Gebührenpflicht nach § 4 Rundfunkgebührenstaatsvertrag fortbestehen, gleichsam auf Gutglück Rundfunkgebühren einziehe.
Abgesehen davon habe der Kläger seine Verpflichtungen als Rundfunkteilnehmer auch dadurch vernachlässigt, dass er über einen Zeitraum von mehr als zwei Jahren keine Überprüfung vorgenommen habe, ob die Rundfunkgebühren, zu deren Entrichtung er auch aus eigener Sicht verpflichtet gewesen sei, tatsächlich überwiesen bzw. abgebucht worden seien. Zu einer solchen eigenen Nachprüfung sei der Rundfunkteilnehmer verpflichtet, denn nach dem Rundfunkgebührenstaatsvertrag seien Rundfunkgebühren an die zuständige Landesrundfunkanstalt oder der von ihr beauftragten Stelle als sogenannte Schickschuld zu entrichten.
Das Gericht hat die Berufung gegen das Urteil zugelassen, weil zu der Frage, ob ein Rundfunkteilnehmer unter den hier vorliegenden Voraussetzungen die Einrede der Verjährung der Gebührenforderung verliere, noch keine Entscheidung des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs vorliege.
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 23.10.2006
Quelle: ra-online, Pressemitteilung des VG Kassel vom 23.10.2006
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