Dokument-Nr. 5992
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Verwaltungsgericht Göttingen Beschluss25.04.2008
NBauO: Verlangen eines zweiten Rettungsweges für ein 1983 errichtetes Gebäude rechtswidrig
Das Verwaltungsgericht Göttingen hat einem Antragsteller im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes Recht gegeben, der sich gegen die von der Stadt Göttingen verfügte Anbringung eines zweiten Rettungsweges durch zwei Feuerleitern gewendet hatte.
Der Antragsteller ist Eigentümer eines Wohn- und Geschäftshauses in der Goetheallee in Göttingen. Das Gebäude war aufgrund von Baugenehmigungen aus den Jahren 1982 und 1983 errichtet worden. Es verfügt, wie genehmigt, nur über einen Fluchtweg für den Brandfall, nämlich das Treppenhaus. Im Jahre 1986 wurde die Nds. Bauordnung - NBauO - dahingehend geändert, dass Wohngebäude im Brandfall nunmehr über einen zweiten Rettungsweg verfügen müssen. Anlässlich einer im Februar 2007 von der Berufsfeuerwehr Göttingen durchgeführten hauptamtlichen Brandschau wurde festgestellt, dass das Gebäude nicht über einen solchen zweiten Rettungsweg verfügt. Mit den Gerätschaften der Feuerwehr könnten im Falle eines Brandes die Bewohner des 3. und 4. Stockwerkes wegen der Höhe der Stockwerke und anderer baulicher Begebenheiten nicht erreicht werden.
Daraufhin ordnete die Antragsgegnerin mit Bescheid vom 29. Januar 2008 die Anbringung von zwei Notleitern im Innenhofbereich des Gebäudes an. Die Anordnung sei erforderlich, weil im Brandfall eine konkrete Gefahr für das Leben der Bewohner des 3. und 4. Stockwerks bestehe. Obwohl der Antragsteller für das Gebäude eine Baugenehmigung habe, sei eine Anpassung an die 1986 verschärften Brandschutzbestimmungen auf Kosten des Antragstellers nötig und das Anpassungsverlangen nach § 99 NBauO rechtmäßig. Hiergegen hat der Antragsteller Widerspruch eingelegt und, da die sofortige Vollziehung des Bescheides angeordnet worden war, um Gewährung vorläufigen gerichtlichen Rechtsschutzes nachgesucht. Er hält die Anordnung für unverhältnismäßig und meint für das Anpassungsverlangen gebe es keine Rechtsgrundlage.
Das Gericht hat die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers gegen die Anpassungsverfügung wiederhergestellt, dem Antrag also stattgegeben. § 99 NBauO sei für das Verlangen, einen zweiten Rettungsweg zu bauen hier nicht einschlägig. Die Vorschrift regele nach ihrem Wortlaut nur solche Anpassungsverlangen, die Gebäude betreffen, die vor dem 1. Januar 1974, dem Inkrafttreten der NBauO, rechtmäßig errichtet worden seien. Gebäude, die, wie das Haus des Antragstellers, später errichtet worden seien, könnten nicht aufgrund dieser Vorschrift an aktuelle baurechtliche Vorgaben angepasst werden. An diesem eindeutigen Wortlaut könne nicht vorbeigegangen werden, auch wenn das Ziel des angefochtenen Bescheides der Schutz von Menschenleben sei. Rechtlich könne dieses Ziel nur durch einen Widerruf der ursprünglichen Baugenehmigung aus den Jahren 1982/83 erreicht werden, da diese nach dem Erfordernis eines zweiten Rettungsweges rechtswidrig geworden ist und so heute nicht mehr erteilt werden könnte. Danach könnte die Stadt dann aufgrund der allgemeinen bauaufsichtsrechtlichen Eingriffsnorm des § 89 NBauO gegen den Antragsteller vorgehen und die Anbringung eines zweiten Rettungsweges verlangen. Eine Umdeutung des angefochtenen, von der Kammer als rechtswidrig erachteten, Bescheides in das geschilderte Vorgehen kam für das Gericht nicht in Betracht. Sie ist ausgeschlossen, wenn sie dem erklärten Willen der Behörde widerspricht. Davon ging das Gericht aus, weil der Antragsteller bei einem Vorgehen der Stadt durch Widerruf und Anordnung nach § 89 NBauO möglicherweise einen Anspruch auf Ersatz des ihm entstehenden Vermögensschaden hat, die Stadt jedoch jede finanzielle Beteiligung an der Anbringung von zwei Notleitern am Gebäude des Antragstellers ausdrücklich abgelehnt hatte.
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 30.04.2008
Quelle: ra-online, Pressemitteilung des VG Göttingen vom 30.04.2008
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