15.11.2024
15.11.2024  
Sie sehen ein Gebäude, welches gerade abgerissen wird.

Dokument-Nr. 5992

Drucken
Beschluss25.04.2008Verwaltungsgericht Göttingen2 B 65/08
ergänzende Informationen

Verwaltungsgericht Göttingen Beschluss25.04.2008

NBauO: Verlangen eines zweiten Rettungsweges für ein 1983 errichtetes Gebäude rechtswidrig

Das Verwal­tungs­gericht Göttingen hat einem Antragsteller im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes Recht gegeben, der sich gegen die von der Stadt Göttingen verfügte Anbringung eines zweiten Rettungsweges durch zwei Feuerleitern gewendet hatte.

Der Antragsteller ist Eigentümer eines Wohn- und Geschäftshauses in der Goetheallee in Göttingen. Das Gebäude war aufgrund von Bauge­n­eh­mi­gungen aus den Jahren 1982 und 1983 errichtet worden. Es verfügt, wie genehmigt, nur über einen Fluchtweg für den Brandfall, nämlich das Treppenhaus. Im Jahre 1986 wurde die Nds. Bauordnung - NBauO - dahingehend geändert, dass Wohngebäude im Brandfall nunmehr über einen zweiten Rettungsweg verfügen müssen. Anlässlich einer im Februar 2007 von der Berufsfeuerwehr Göttingen durchgeführten hauptamtlichen Brandschau wurde festgestellt, dass das Gebäude nicht über einen solchen zweiten Rettungsweg verfügt. Mit den Gerätschaften der Feuerwehr könnten im Falle eines Brandes die Bewohner des 3. und 4. Stockwerkes wegen der Höhe der Stockwerke und anderer baulicher Begebenheiten nicht erreicht werden. 

Daraufhin ordnete die Antragsgegnerin mit Bescheid vom 29. Januar 2008 die Anbringung von zwei Notleitern im Innenhofbereich des Gebäudes an. Die Anordnung sei erforderlich, weil im Brandfall eine konkrete Gefahr für das Leben der Bewohner des 3. und 4. Stockwerks bestehe. Obwohl der Antragsteller für das Gebäude eine Baugenehmigung habe, sei eine Anpassung an die 1986 verschärften Brand­schutz­be­stim­mungen auf Kosten des Antragstellers nötig und das Anpas­sungs­ver­langen nach § 99 NBauO rechtmäßig. Hiergegen hat der Antragsteller Widerspruch eingelegt und, da die sofortige Vollziehung des Bescheides angeordnet worden war, um Gewährung vorläufigen gerichtlichen Rechtsschutzes nachgesucht. Er hält die Anordnung für unver­hält­nismäßig und meint für das Anpas­sungs­ver­langen gebe es keine Rechtsgrundlage.

Das Gericht hat die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers gegen die Anpas­sungs­ver­fügung wieder­her­ge­stellt, dem Antrag also stattgegeben. § 99 NBauO sei für das Verlangen, einen zweiten Rettungsweg zu bauen hier nicht einschlägig. Die Vorschrift regele nach ihrem Wortlaut nur solche Anpas­sungs­ver­langen, die Gebäude betreffen, die vor dem 1. Januar 1974, dem Inkrafttreten der NBauO, rechtmäßig errichtet worden seien. Gebäude, die, wie das Haus des Antragstellers, später errichtet worden seien, könnten nicht aufgrund dieser Vorschrift an aktuelle baurechtliche Vorgaben angepasst werden. An diesem eindeutigen Wortlaut könne nicht vorbeigegangen werden, auch wenn das Ziel des angefochtenen Bescheides der Schutz von Menschenleben sei. Rechtlich könne dieses Ziel nur durch einen Widerruf der ursprünglichen Baugenehmigung aus den Jahren 1982/83 erreicht werden, da diese nach dem Erfordernis eines zweiten Rettungsweges rechtswidrig geworden ist und so heute nicht mehr erteilt werden könnte. Danach könnte die Stadt dann aufgrund der allgemeinen bauauf­sichts­recht­lichen Eingriffsnorm des § 89 NBauO gegen den Antragsteller vorgehen und die Anbringung eines zweiten Rettungsweges verlangen. Eine Umdeutung des angefochtenen, von der Kammer als rechtswidrig erachteten, Bescheides in das geschilderte Vorgehen kam für das Gericht nicht in Betracht. Sie ist ausgeschlossen, wenn sie dem erklärten Willen der Behörde widerspricht. Davon ging das Gericht aus, weil der Antragsteller bei einem Vorgehen der Stadt durch Widerruf und Anordnung nach § 89 NBauO möglicherweise einen Anspruch auf Ersatz des ihm entstehenden Vermö­gens­schaden hat, die Stadt jedoch jede finanzielle Beteiligung an der Anbringung von zwei Notleitern am Gebäude des Antragstellers ausdrücklich abgelehnt hatte.

Quelle: ra-online, Pressemitteilung des VG Göttingen vom 30.04.2008

Nicht gefunden, was Sie gesucht haben?

Urteile sind im Originaltext meist sehr umfangreich und kompliziert formuliert. Damit sie auch für Nichtjuristen verständlich werden, fasst urteile.news alle Entscheidungen auf die wesentlichen Kernaussagen zusammen. Wenn Sie den vollständigen Urteilstext benötigen, können Sie diesen beim jeweiligen Gericht anfordern.

Wenn Sie einen Link auf diese Entscheidung setzen möchten, empfehlen wir Ihnen folgende Adresse zu verwenden: https://urteile.news/Beschluss5992

Bitte beachten Sie, dass im Gegensatz zum Verlinken für das Kopieren einzelner Inhalte eine explizite Genehmigung der ra-online GmbH erforderlich ist.

Die Redaktion von urteile.news arbeitet mit größter Sorgfalt bei der Zusammenstellung von interessanten Urteilsmeldungen. Dennoch kann keine Gewähr für Richtigkeit und Vollständigkeit der über uns verbreiteten Inhalte gegeben werden. Insbesondere kann urteile.news nicht die Rechtsberatung durch eine Rechtsanwältin oder einen Rechtsanwalt in einem konkreten Fall ersetzen.

Bei technischen Problemen kontaktieren Sie uns bitte über dieses Formular.

VILI