15.11.2024
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Dokument-Nr. 6034

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Urteil08.05.2008Verwaltungsgericht Gießen6 E 1240/07, 6 K 30/08
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Verwaltungsgericht Gießen Urteil08.05.2008

Streit um Erteilung von Linien­ver­kehrs­ge­neh­mi­gungenStadtwerken Gießen erteilte Genehmigung für den Betrieb der Stadtbuslinen aufgehoben - Weitergehende Klage des Konkurrenten abgewiesen

Gegenstand des ersten Verfahrens ist die Erteilung von Linien­ver­kehrs­ge­neh­mi­gungen für Buslinien im Stadtbereich Gießen bis Ende 2014 durch das Regie­rungs­prä­sidium Gießen an die Stadtwerke Gießen AG und der gegen die Stadt Gießen gerichtete Antrag auf Unterlassung der Quersub­ven­ti­o­nierung im Bereich der Stadtwerke. Gegenstand des zweiten Verfahrens ist die der Stadtwerke Gießen AG erteilte, auf 6 Monate (bis zum 08.06.2008) begrenzte einstweilige Erlaubnis zum Betrieb der genannten Buslinien.

Die beigeladene Stadtwerke Gießen AG, deren Allein­ge­sell­schafterin die Stadt Gießen ist und die seit Jahrzehnten in Gießen den ÖPNV-Bereich bedient, beantragte am 08.11.2006 die Erteilung einer Genehmigung eines eigen­wirt­schaft­lichen Linienverkehrs sowie die Erteilung einer einstweiligen Erlaubnis betreffend die oben genannten Linien. Die Klägerin, die Verkehrs­ge­sell­schaft Mittelhessen GmbH, die Tochter­ge­sell­schaft eines bundesweit im ÖPNV tätigen Unternehmens ist, beantragte am 05.04.2007 ebenfalls die Genehmigung eines eigen­wirt­schaft­lichen Linienverkehrs auf den besagten Linien. Mit Bescheid vom 07.05.2007 erteilte das Regie­rungs­prä­sidium der Stadtwerke Gießen AG die Genehmigung und lehnte den Antrag der Klägerin ab.

Die Beteiligten streiten darum, ob der Stadtwerke Gießen AG überhaupt ein sog. eigen­wirt­schaft­licher Betrieb genehmigt werden durfte, bei dem eine europaweite Ausschreibung vorher nicht erforderlich ist. Die Klägerin ist der Ansicht, dies sei nur bei Unternehmen möglich, die allein im ÖPNV tätig sind, nicht auch in anderen Sparten, wie hier die Stadtwerke Gießen AG, die auch im Bereich Gas, Wasser und Strom tätig ist. Zudem stelle der bei der Stadtwerke Gießen AG vorgenommene Verlu­s­t­aus­gleich im defizitären Bereich des ÖPNV durch Gewinne aus den anderen Bereichen eine europa­rechts­widrige Beihilfe dar und sei zudem steuerrechtlich unzulässig. Diese rechtswidrige Quersub­ven­ti­o­nierung dürfe bei der Genehmigung nicht berücksichtigt werden, was dazu führe, dass die Stadtwerke Gießen AG wirtschaftlich nicht leistungsfähig und deren Betrieb damit nicht geneh­mi­gungsfähig sei.

Mit ihrer Klage 6 E 1240/07 verfolgt die Klägerin auch das Ziel, die ebenfalls beklagte Stadt Gießen zu verurteilen, als Allein­ge­sell­schafterin der Stadtwerke Gießen AG keine weiteren Quersub­ven­tionen zu leisten oder zu dulden.

Die Klägerin hat daneben auch ein (noch nicht entschiedenes) Verfahren bei der EUKommission angestrengt, mit dem Ziel der Feststellung der Quersub­ven­ti­o­nierung durch die Stadtwerke Gießen AG als europa­rechts­widrige und unzulässige Beihilfe. Soweit sich die Klage gegen die den Stadtwerken Gießen AG erteilte, auf 6 Monate (bis zum 08.06.2008) begrenzte einstweilige Erlaubnis zum Betrieb der genannten Buslinien richtete (6 K 30/08) hat die 6. Kammer des Verwal­tungs­ge­richts Gießen die Klage abgewiesen. Nach Auffassung der Kammer konnte die Klägerin kein schutzwürdiges Interesses an der beantragten Entscheidung dartun. Die Klägerin hatte selbst keinen Antrag auf eine einstweilige Erlaubnis gestellt, so dass es insoweit an einem indivi­du­a­li­sierten Konkur­ren­ten­ver­hältnis fehle, das Voraussetzung für die erforderliche Klagebefugnis sei.

Im ersten Klageverfahren hat die Kammer die den Stadtwerken Gießen erteilte Genehmigung aufgehoben, den Verpflich­tungs­antrag der Klägerin, ihr die Genehmigung zu erteilen, jedoch abgewiesen. Den Stadtwerken ist nach Meinung der Kammer zu Unrecht eine sogenannte eigen­wirt­schaftliche Genehmigung erteilt worden. Dabei bedeutet eigen­wirt­schaftlich nach der gesetzlichen Definition, dass der Aufwand in diesem traditionsgemäß stark defizitären Bereich des Öffentlichen Perso­nen­nah­verkehrs (ÖPNV) durch die Unter­neh­men­s­erträge einschließlich gesetzlicher Ausgleichs- und Erststat­tungs­zah­lungen gedeckt sein muss. Die Vergabe der Buslinien in einem derartigen Geneh­mi­gungs­ver­fahren, wie dies im Perso­nen­be­för­de­rungs­gesetz vorgesehen ist, ist nur zulässig, wenn und soweit dies vorrangige europäische Vorschriften zulassen. Die Kammer ist der Auffassung, dass die hier einschlägige EU-Verordnung 1191/69 eine Ausnahme von der Vergabe nach europaweiter Ausschreibung nur zulässt, wenn die eigen­wirt­schaft­lichen Anträge von Unternehmen gestellt werden, die ausschließlich im Stadt-, Vorort- und Regionalverkehr tätig sind. Dabei schade sowohl eine Tätigkeit im Fernrei­se­verkehr als auch die Betätigung in anderen, verkehrsfremden Bereichen, wie hier Strom, Wasser und Gas.

Es sei kein sachlicher Grund erkennbar, Unternehmen, die neben dem ÖPNV auch auf anderen Gebieten tätig sind anders zu behandeln als Unternehmen, die nur im Verkehrsbereich (Nah- und Fernverkehr) tätig seien. Der Erteilung der eigen­wirt­schaft­lichen Genehmigung an die Klägerin steht nach Auffassung der Kammer entgegen, dass diese genaugenommen einen solchen Antrag nicht gestellt habe, weil sie ihr bisher nicht zugesagte Subventionen der Stadt Gießen in ihre Berechnung eingestellt habe und daher gerade nicht aus eigenen Mitteln den Verkehr zu bestreiten im Stande sei.

Auch die Klage auf Unterlassung weiterer Quersub­ven­tionen gegen die Stadt Gießen blieb erfolglos. Es fehle wiederum an der Klagebefugnis, d.h. der Möglichkeit der Verletzung in eigenen Rechten, da eine besondere Rechts­be­trof­fenheit als Konkurrentin hier zu verneinen sei. Zum einen habe die Klägerin nicht auch selbst einen Antrag auf einstweilige Erlaubnis gestellt und zum anderen sei durch die Aufhebung der endgültigen Genehmigung ebenfalls keine Konkur­ren­ten­si­tuation mehr gegeben, da nun ein neues Verga­be­ver­fahren einzuleiten sei.

Quelle: ra-online, Pressemitteilung des VG Gießen vom 08.05.2008

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