Die 55-Jährige Ärztin des zugrunde liegenden Falls war im Jahre 2008 in Notdienstzentralen der Bundesländer Hessen und Rheinland Pfalz eingesetzt und veranlasste mehrfach Hinterbliebene, sich wegen ihres unfreundlichen Verhaltens bei der Untersuchung Verstorbener in deren Wohnung oder einem Seniorenheim sowie wegen ihrer Geldforderungen bei der Landesärztekammer Hessen zu beschweren.
Zwei Fälle führten nunmehr zu der Verurteilung durch das Berufsgericht. Im einen Fall nahm sie nach der Todesfeststellung in einem Seniorenheim alle Papiere mit zu sich nach Hause und gab sie dem Sohn der Verstorbenen am nächsten Morgen erst gegen Barzahlung von 200,- € heraus. Im zweiten Fall hatte sie die Wohnung der Verstorbenen verlassen, weil sie sich mit deren Tochter nicht einigen konnte, als sie in das auf sie wartende Taxi steigen wollte, fuhr gerade der Bestattungsunternehmer vor und konnte sie zur Herausgabe des Leichenschauscheins veranlassen.
In den Urteilsgründen führte das Gericht aus, dass jeder niedergelassene Arzt bzw. Ärztin auf Verlangen zur Durchführung der Leichenschau verpflichtet ist. „Leichenschau“ heißt die durch einen Arzt oder eine Ärztin durchzuführende Untersuchung zum Zwecke der Feststellung des Todes, seines Zeitpunktes und seiner Ursache. Ohne diese Leichenschau kann die Bestattung nicht erfolgen. Nach der gesetzlichen Regelung im Hessischen Friedhofs- und Bestattungsgesetz ist der Leichenschauschein zu verschließen und einer sorgepflichtigen Person auszuhändigen. Die Abrechnung hat nach den Regeln der Gebührenordnung für Ärzte zu erfolgen. Danach wird eine Rechnung erst fällig – das heißt, muss erst bezahlt werden – wenn dem Zahlungspflichtigen eine Rechnung erteilt worden ist. Pauschalforderungen sind nicht zulässig, so das Gericht, vielmehr ist in § 12 Abs. 2 der Gebührenordnung für Ärzte im Einzelnen geregelt, welche Angaben eine Rechnung insbesondere enthalten muss. Wörtlich heißt es dazu im Urteil: „Demgemäß hat die Beschuldigte mit ihrer Forderung nach sofortiger Barzahlung vor Rechnungsstellung und Zug um Zug gegen Aushändigung des Leichenschauscheins eindeutig gegen die Vorschriften der Gebührenverordnung für Ärzte über die Abrechnungsmodalitäten verstoßen. Hinsichtlich der Höhe ihrer Forderung gilt darüber hinaus, dass der Pauschalsatz von 200,- € durch nichts gerechtfertigt ist“.
Das Gericht erteilte der Ärztin einen Verweis und verpflichtete sie zur Zahlung einer Geldbuße in Höhe von 1.500,- €.
Im Hinblick darauf, dass der Bekanntheitsgrad dieser Regelungen dem Gericht noch erweiterungsbedürftig erschien, hat es darüber hinaus der Ärztekammer aufgegeben, die Entscheidung nach Rechtskraft in anonymisierter Fassung im Mitteilungsblatt der Landesärztekammer Hessen zu veröffentlichen.
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 01.03.2010
Quelle: ra-online, VG Gießen