15.11.2024
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Dokument-Nr. 1895

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Beschluss14.02.2006Verwaltungsgericht Gießen10 G 115/06
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Verwaltungsgericht Gießen Beschluss14.02.2006

Gericht lehnt Antrag eines Energie­un­ter­nehmens auf vorläufige Genehmigung von Strom­preis­er­hö­hungen abEilantrag der ovag Energie AG bleibt erfolglos

Das Verwal­tungs­gericht Gießen hat einen Eilantrag der ovag Energie AG abgelehnt, mit dem diese eine vorläufige Genehmigung von Strom­preis­er­hö­hungen ab dem 1. Januar 2006 erstreiten wollte.

Die ovag Energie AG betreibt als Tochter­un­ter­nehmen der im kommunalen Eigentum stehenden Oberhessischen Versorgungs- und Verkehrs­ge­sell­schaft mbH (OVVG) die Grundversorgung mit Elektrizität im Bereich der Landkreise Wetteraukreis, Vogelsbergkreis und Gießen. Sie bezieht die Elektrizität größtenteils vom EON-Konzern und weiteren Zulieferern. Bei den für den Vertrieb der Energie benötigten Netzein­rich­tungen bedient sie sich der Dienste des Schwes­ter­un­ter­nehmens Oberhessische Versor­gungs­be­triebe AG (OVAG), wofür sie ein Nutzungsentgelt bezahlt. Der derzeit gültige Stromtarif beruht auf einer vom zuständigen Ministerium für Wirtschaft, Verkehr und Landes­ent­wicklung erteilten und bis zum 31.12.2006 gültigen Genehmigung.

Mit der Begründung die Strom­beschaf­fungs­kosten seien deutlich gestiegen und zur Vermeidung von Verlusten sei eine Erhöhung der Absatzpreise erforderlich, beantragte die ovag Energie AG die Genehmigung einer Preiserhöhung zum 01.01.2006, der das Ministerium bisher nicht entsprochen hat und die es abzulehnen beabsichtigt, da die vorgetragenen Steigerungen im Bereich der Beschaf­fungs­kosten von Elektrizität durch die im Verlauf des Jahres 2006 zu erwartenden fallenden Kosten der Netznutzung kompensiert würden.

Die ovag Energie AG wandte sich daraufhin an des Verwal­tungs­gericht und berief sich darauf, ihr stehe ein Anspruch auf die beantragte Erhöhung der Stromtarife zu. Die Kosten der Beschaffung von Energie hätten sich bereits im Verlauf des Jahres 2005 deutlich erhöht und es werde auch im Jahr 2006 zu einer weiteren Erhöhung der entsprechenden Tarife kommen, so dass gegenüber dem Vorjahr mit zusätzlichen Kosten in Höhe von mehreren Millionen Euro zu rechnen sei. Eine Kompensation mit sinkenden Nutzungs­ent­gelten sei auszuschließen, da die von dem örtlichen Netzbetreiber OVAG veranschlagten Nutzungs­entgelte in der Höhe sachgerecht seien und es deshalb aus rechtlichen und tatsächlichen Gründen nicht zu erwarten sei, dass die Regulie­rungs­behörde niedrigere Tarife ansetzen werde. Das Ministerium war demgegenüber der Auffassung, dass die gestiegenen Beschaf­fungs­kosten durch die Anpassung der Verträge der Kunden, die nicht der Grundversorgung unterfielen, ausgeglichen werden könnten. Zudem seien die Netznut­zungs­kosten übersetzt. Durch diese würden Gewinne in den Bereich der Mutter­ge­sell­schaft verlagert, die dort zu ganz erheblichen Erträgen führten.

Das Verwal­tungs­gericht hat mit der sehr ausführlich begründeten Entscheidung der ovag Energie AG den vorläufigen Rechtsschutz versagt, weil diese nach Auffassung der Kammer keinen Anordnungsgrund für eine vorläufige Genehmigung glaubhaft gemacht habe. Eine einstweilige Anordnung im verwal­tungs­ge­richt­lichen Verfahren, setzt voraus, dass glaubhaft gemacht wird, dass eine Entscheidung in der Hauptsache nicht abgewartet werden kann und eine einstweilige Regelung zur Abwehr wesentlicher bzw. unzumutbarer Nachteile erforderlich ist. Wesentliche bzw. unzumutbare Nachteile bestünden, so die Kammer, nicht allein in einem möglichen finanziellen Schaden, sondern lägen erst dann vor, wenn (a) dieser vorgetragene finanzielle Schaden in der Höhe erheblich erscheine, sich (b) anderweitig nicht abwenden lasse und (c) mit einer gewissen Wahrschein­lichkeit zu einer die Existenz des Unternehmens bedrohenden Gefährdung der finanziellen Verhältnisse führen werde. Alle drei Voraussetzungen sah die Kammer als nicht ausreichend glaubhaft gemacht.

Die im Verfahren offengelegten Zahlen bewiesen bei der im Eilverfahren nur möglichen summarischen Prüfung nicht zwingend die von der ovag Energie AG befürchteten Verluste nahe und deren Prognosen seien auch nur zum Teil vom Gericht nachvollziehbar. Die Kostenstruktur der ovag Energie AG und deren Ansätze seien nicht vollständig aufgearbeitet. Hierzu bedürfe es auch in einem Haupt­sa­che­ver­fahren einer intensiven Ausein­an­der­setzung mit der Gewinn- und Verlustrechnung der ovag Energie AG, die bislang nicht vorgelegt worden sei. Auch bestehe für die ovag Energie AG die Möglichkeit, Verluste etwa durch Preiserhöhungen bei den sogenannten Sonderkunden bzw. Kunden mit freien Verträgen kurzfristig zu kompensieren. Darüber hinaus schienen der Kammer Fragen zur Gestaltung und möglichen Verlagerung von Kosten in andere Gesellschaften des Konzerns virulent. Angesichts des absoluten Übergewichts der Netznut­zungs­entgelte in der Kostenstruktur der ovag Energie AG, die regelmäßig rund 90 % der geltend gemachten Ausgaben mit Ausnahme der Beschaf­fungs­kosten für die Energie ausmachten, müsste für die Feststellung von erheblichen und beachtlichen Nachteilen bereits unabhängig von der Frage der Genehmigung der Nutzungs­entgelte durch die Bundes­netz­agentur auch dargelegt werden, dass die ovag Energie AG tatsächlich Versuche unternommen habe, im Bereich der Netzentgelte eine Kostensenkung zu erzielen. Ansätze hierfür seien nicht erkennbar, wobei nicht unberück­sichtigt bleiben dürfe, dass die Unternehmen miteinander verbunden seien und auch wegen der Organleihe in den Entschei­dungs­gremien keine entge­gen­ge­setzten Interessen vertreten würden.

Im Übrigen könne die ovag Energie AG auch deshalb auf ein Zuwarten bis zur Entscheidung des Ministeriums verwiesen werden, weil sie die Möglichkeit habe, die möglichen Einnah­me­ausfälle durch eine spätere Anpassung der Tarife auszugleichen. Die Gefahr einer Abwanderung von Kunden im Falle dann möglicherweise nochmals erhöhter Tarife sah das Gericht als eher zweifelhaft an.

Schließlich habe die ovag Energie AG aber auch nicht glaubhaft gemacht, dass die befürchteten Einnah­me­ausfälle für sie in der Weise erheblich seien, dass tatsächlich gravierende Folgen entstünden. Angesichts der stetigen Gewinne der ovag Energie AG in den vergangenen Jahren wäre nicht einmal ein tatsächlich drohender Verlust in der prognos­ti­zierten Höhe ausreichend, auch nur in den Bereich der Existenz­ge­fährdung zu führen. Dabei könne auch die Stellung der ovag Energie AG im Unter­neh­mens­verbund nicht unberücksichtig bleiben. Wenn den verbundenen Unternehmen, etwa der Mutter­ge­sell­schaft wie dem Träger des Versor­gungs­netzes, daran gelegen sein sollte, die ovag Energie AG als Grundversorger der Region in jedem Fall zu erhalten, wovon ausgegangen werden könne, so müsse vor der Bejahung einer Eilbe­dürf­tigkeit für den Erlass einer einstweiligen Anordnung aus finanziellen Gründen auch über die Möglichkeit der Gewährung interner Hilfe Aufklärung erfolgen.

Die Erfol­g­aus­sichten der beantragten Genehmigung seien demgegenüber offen und keinesfalls derart eindeutig und offensichtlich gegeben, dass bereits aus diesem Grund von einem überragenden Interesse der ovag Energie AG am Erlass der begehrten Anordnung auch bei nur eingeschränkt gegebenem Anordnungsgrund gesprochen werden könne.

Die Entscheidung ist noch nicht rechtskräftig. Den Beteiligten haben die Möglichkeit, binnen 2 Wochen nach Zustellung Beschwerde beim Hessischen Verwal­tungs­ge­richtshof einzulegen.

Quelle: ra-online Redaktion, Pressemitteilung des VG Gießen vom 14.02.2006

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