15.11.2024
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Dokument-Nr. 7096

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Urteil11.11.2008Verwaltungsgericht Freiburg3 K 955/07
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Verwaltungsgericht Freiburg Urteil11.11.2008

Waldwege in Wehr müssen zurückgebaut werdenStadt muss 8000 Tonnen Aufschüt­tungs­ma­terial abtrans­por­tieren

Das Verwal­tungs­gericht Freiburg hat im Streit zwischen der Klägerin, einer Gesellschaft des bürgerlichen Rechts, die Eigentümerin mehrerer Waldgrundstücke auf der Gemarkung Öflingen/Stadt Wehr ist, und der Stadt Wehr (Beklagte) entschieden.

Hintergrund des Verfahrens ist, dass unter Beteiligung des Forst­be­diensteten der Stadt Wehr ungefähr ab Mitte 2003 auf der Gemarkung Öflingen ein Ausbau des Waldwegenetzes im Privatwald mit Abbruchmaterial durch ein privates Entsor­gungs­un­ter­nehmen erfolgte. Es waren auch Grundstücke der Klägerin betroffen. Im Sommer 2004 wurden die Baumaßnahmen - unter anderem nach Beschwerden von Bürgern - gestoppt. Die Klägerin will erreichen, dass das auf ihre Grundstücke aufgebrachte Abbruchmaterial wieder entfernt wird. Das Verwal­tungs­gericht hat der Klage stattgegeben und zur Begründung im Wesentlichem ausgeführt:

Die Klage sei nicht wegen fehlenden Rechts­schut­z­in­teresses unzulässig. Selbst wenn (teilweise) die Bereitschaft des Entsor­gungs­un­ter­nehmens zur Entfernung des Abbruch­ma­terials bestehen sollte, entfalle dadurch nicht das Rechts­schut­z­in­teresse der gegen die Beklagte gerichteten Klage. Dies wäre nur dann der Fall, wenn die Beklagte selbst den mit der Klage geltend gemachten Anspruch anerkennen sowie zusagen würde, dass sie für die Beseitigung des zum Wegebau aufgebrachten Materials sorgen wird, etwa indem sie - was auch aus Sicht des Gerichts gerade im Hinblick auf das Verur­sa­cher­prinzip zumutbar erscheine - das Entsor­gungs­un­ter­nehmen mit den erforderlichen Arbeiten beauftrage. An einer solchen Zusage fehle es jedoch.

Die Klage sei auch begründet. Der Klägerin stehe der geltend gemachte Besei­ti­gungs­an­spruch zu. Der Anspruch richte sich gegen die Beklagte. Diese habe am 30.07.1999 mit dem - zum Rechtsstreit beigeladenen - Land Baden-Württemberg einen „Vertrag zur Übernahme von Aufgaben im Privatwald nach § 49 LWaldG“ geschlossen und ihren Forst­be­diensteten für die Beratung und Betreuung, die Mitwirkung bei der Forstaufsicht und Ausübung des Forstschutzes im Privatwald zur Verfügung gestellt. Ihr Forst­be­diensteter habe als Amtsträger der Beklagten damit zwar „auftragsweise“ Aufgaben des Landes wahrzunehmen, handele aber als Organ der Beklagten. Damit seien seine Handlungen auch der Beklagten zuzurechnen. Er habe die Wegebau­maß­nahmen veranlasst. Dies folge sowohl aus dem Gesamtinhalt der vorliegenden Akten als auch aus seinen Angaben in der mündlichen Verhandlung. Jedenfalls hinsichtlich der von der Klage betroffenen Grundstücke sei für einen Auftrag der Waldbesitzer an die Privatfirma nichts ersichtlich. Durch den Waldwegebau sei in das Eigentumsrecht der Klägerin eingegriffen worden. Sie könne den auf diesem Eingriff beruhenden Besei­ti­gungs­an­spruch auch hinsichtlich der Grundstücke geltend machen, deren Eigentümerin sie erst nach den Baumaßnahmen geworden sei. Durch den Bau der Waldwege auf den Grundstücken der Klägerin sei ein rechtswidriger Zustand verursacht worden, der bis heute andauere. Die Baumaßnahmen seien nicht durch eine Einwilligung der Klägerin bzw. ihrer Rechtsvorgänger gedeckt. Auch lägen keine Verwaltungsakte vor, die die Grund­s­tücks­ei­gentümer zur Duldung des Waldwegebaus hätten verpflichten können und eine Rechtsgrundlage für die hoheitliche Maßnahme darstellen könnten. Der Anspruch auf Folgen­be­sei­tigung entfalle auch nicht etwa deshalb, weil die Wieder­her­stellung des ursprünglichen Zustandes für die Beklagte unzumutbar wäre. Diese lege nicht konkret dar, dass die Beseitigung des Abbruch­ma­terials und die Wieder­her­stellung des ursprünglichen Zustandes mit einem unver­hält­nismäßig hohen Aufwand verbunden seien. Das Interesse der Klägerin an der Wieder­her­stellung des ursprünglichen Zustandes sei unabhängig davon, ob Schad­s­toff­grenzwerte eingehalten seien, anzuerkennen, weil der auf ihren Grundstücken erfolgte Waldwegebau nicht sachgerecht erfolgt sei. Der sich aus dem Landes­wa­ld­gesetz ergebenden Verpflichtung, Waldwege so anzulegen, dass unter Berück­sich­tigung technischer und wirtschaft­licher Gesichtspunkte das Landschaftsbild, der Waldboden und der Naturhaushalt möglichst geschont werden, sei erkennbar nicht entsprochen worden. Das verwendete Abbruchmaterial sei jedenfalls zum Teil völlig unsortiert gewesen. So seien u.a. massive Betonplatten sowie nicht­mi­ne­ra­lische Stoffe wie z.B. Kunst­stoff­folien, Elektrokabel, Transformatoren und Eisenschrott vorgefunden worden. An Metallen seien Aluminium, Zinkbleche, verchromtes Sanitärzubehör sowie mit Blei ummantelte Elektrorohre (sog. Panzerrohre) festgestellt worden. Darüber hinaus seien bei den Untersuchungen Schad­s­toff­mengen festgestellt worden, die die allgemein anerkannten Grenzwerte überschritten. Sei nach alledem festzustellen, dass für den Wegebau Abbruchmaterial verwendet worden sei, welches zumindest zum Teil im Hinblick auf Zusammensetzung und Schad­s­toff­hal­tigkeit für den Waldwegebau zweifellos ungeeignet gewesen sei, sei von einer abstrakten Gefahr für Umwelt und Mensch auszugehen. So bestehe etwa eine Verlet­zungs­gefahr, wenn herausragende Eisenteile z.B. durch Regen frei gespült würden. Auch die Befürchtung der Klägerin, es könnten Schadstoffe ins Grundwasser geleitet werden, sei nicht von der Hand zu weisen. Schließlich sei eine zuverlässige Abschätzung der Gefahren nicht möglich, da das verwendete Material nicht vollständig untersucht werden könne und die bislang durchgeführten Untersuchungen unter­schiedliche Ergebnisse erbracht hätten. Vor diesem Hintergrund erscheine das Interesse der Klägerin an der Wieder­her­stellung des ursprünglichen Zustandes nachvollziehbar. Bei der Umsetzung des klägerischen Anspruchs werde allerdings darauf zu achten sein, dass durch den Rückbau nicht die Zufahrten zu anderen Grundstücken unterbrochen würden.

Quelle: ra-online, Pressemitteilung des VG Freiburg vom 21.11.2008

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