21.11.2024
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Dokument-Nr. 969

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Verwaltungsgericht Freiburg Urteil06.07.2005

V-Mann-Einsatz des LKA war rechtswidrig

Mit einem den Beteiligten vor kurzem zugestellten Urteil hat das Verwal­tungs­gericht Freiburg die Rechts­wid­rigkeit der Anordnung des Einsatzes eines verdeckten Ermittlers des Landes­kri­mi­nalamts Baden- Württemberg nachträglich festgestellt.

Der Ermittler war laut Einsatz­a­n­ordnung zur 'Aufhellung des militanten autonomen Spektrums sowie des RAF-Umfelds in Freiburg' im Jahr 1991 eingesetzt worden, hatte sich mit dem bei einer Hilfsinitiative für politische Gefangene aktiven Kläger angefreundet, war zu ihm in die Wohnge­mein­schaft gezogen und hatte ihn ausgeforscht. Er brach im Sommer 1992 die Beziehung zum Kläger plötzlich ab und verschwand, nachdem zwei verdeckte Ermittler in Tübingen enttarnt worden waren und daraufhin alle verdeckten Ermittler im Bereich Links­ex­tre­mismus/Terrorismus abgezogen worden waren.

Dem misstrauisch gewordenen Kläger gegenüber hatte das Landes­kri­mi­nalamt erst nach jahrelangen, verschiedenen verwal­tungs­ge­richt­lichen Ausein­an­der­set­zungen durch alle Instanzen über Auskunfts- und Unter­rich­tungs­ansprüche im März 2003 eingeräumt, auch er sei von den verdeckten Ermittlungen im Raum Freiburg betroffen gewesen, Dauer und Umfang der Datenerhebung seien aber nach Löschung aller perso­nen­be­zogenen Daten nicht mehr feststellbar.

Daraufhin klagte er zwecks Rehabilitation auf nachträgliche gerichtliche Feststellung, dass diese Datenerhebung rechtswidrig gewesen sei. Über ihn sei in geheim­dienst­licher Manier ein vollständiges Persön­lich­keitsbild angefertigt worden, ohne dass dies einem konkret gegen ihn gerichteten Ermitt­lungs­ver­fahren gedient habe. Das Landes­kri­mi­nalamt entgegnete, der Kläger sei im Sinne des Landes­po­li­zei­gesetz als 'Kontaktperson' von der verdeckten Ermittlung betroffen gewesen, weil er Kontakte zu Personen gehabt habe, bei denen Anhaltspunkte für künftige Straf­tat­be­gehung vorgelegen hätten.

Das Verwal­tungs­gericht entschied, es könne offen bleiben, ob nicht sogar die gesetzlichen Ermäch­ti­gungs­vor­schriften im Landes­po­li­zei­gesetz zum Einsatz verdeckter Ermittler gegen Kontaktpersonen wegen Unbestimmtheit des Begriffs 'Kontaktperson' verfas­sungs­widrig seien, wie dies das Bundes­ver­fas­sungs­gericht jüngst in einer Entscheidung zu ähnlichen Vorschriften des nieder­säch­sischen Polizeigesetzes entschieden habe. Die Einsatz­a­n­ordnung des LKA-Präsidenten genüge zwar dem Behör­den­lei­ter­vor­behalt und sei auch schriftlich ergangen. Sie sei aber wegen mangelnder Bestimmtheit rechtswidrig. Verdeckte Ermittlungen stellten einen intensiven Eingriff in das Grundrecht auf informationelle Selbst­be­stimmung und in die Vertraulichkeit sowie in das Grundrecht des ahnungslosen Betroffenen dar, rechtzeitig effektiven Rechtsschutz zu erlangen. Die daher zu stellenden hohen Anforderungen an die Bestimmtheit der Anordnung eines solchen Einsatzes erfülle die Anordnung hier nicht.

Ihr sei nicht zu entnehmen, dass auch der Kläger Zielperson der verdeckten Ermittlung sein solle. Die keine namentlichen Personen benennende, pauschale Bezeichnung der Personen als Zielgruppe der verdeckten Ermittlung, "bei denen tatsächliche Anhaltspunkte vorliegen, dass sie künftig Staats­schutz­delikte begehen", lasse in keiner Weise eine bestimmte oder auch nur bestimmbare Zuordnung des Klägers zu dieser Zielgruppe zu. Die Einsatz­a­n­ordnung nenne als Zielgruppe auch nicht ausdrücklich die 'Kontaktpersonen' solcher Personen. Mangels jeglicher weiterer Präzisierung der Anordnung lasse sich in die Anordnung auch nicht hineinlesen, der Kläger sei zumindest als 'Kontaktperson' individuell als Ziel der Anordnung feststellbar oder bestimmbar. Auch aus dem pauschalen Zusatz "das militante autonome Spektrum sowie das RAF-Umfeld in Freiburg" ergebe sich nichts Gegenteiliges.

Da die Anordnung letztlich nur den Geset­zes­wortlaut der Ermäch­ti­gungs­grundlage für verdeckte Ermittlungen mit anderen Worten wiederhole, blieben alle Erwägungen, die das Landes­kri­mi­nalamt für eine Ausforschung auch des Klägers gehabt haben möge und aus denen sich die Bestimmung der Voraussetzungen und Grenzen des Eingriffs ergeben würden, lediglich polizeiintern und undokumentiert.

Dass mit dem Urteil keine für die Polizei in diesem Bereich unerfüllbaren Anforderungen gestellt würden, ergebe sich daraus, dass das Innen­mi­nis­terium schon 1994/95 seine internen Dienst­an­wei­sungen für solche Einsätze selbst geändert habe. Seither müssten die von verdeckten Ermittlungen betroffenen Personen namentlich benannt werden. Sei dies bei Einsatzbeginn noch nicht gleich möglich, müssten die Zielpersonen bzw. die Zielgruppe zumindest anhand konkreter Merkmale möglichst genau und klar bestimmbar beschrieben werden. Lasse sich im Einsatzverlauf eine Einzelperson bestimmen, so müsse die Anordnung unverzüglich individuell präzisiert und fortgeschrieben werden.

Die Entscheidung ist rechtskräftig.

Quelle: Pressemitteilung des Verwaltungsgerichts Freiburg vom 09.09.2005

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