24.11.2024
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Dokument-Nr. 4999

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Verwaltungsgericht Frankfurt am Main Beschluss15.10.2007

Gericht erlaubt NPD-Demonstration gegen Moschee-Bau - Keine Gefährdung der öffentlichen SicherheitKein Verstoß gegen § 130 StGB ersichtlich

Das Verwal­tungs­gericht Frankfurt am Main hat die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegen die mit Verbots­ver­fügung der Stadt Frankfurt am Main vom 08. Oktober 2007 für eine von der NPD am Samstag, den 20. Oktober 2007 geplante Demonstration wieder hergestellt mit der Folge, dass die vorgenannte Demonstration stattfinden kann.

Mit Schreiben vom 24. September 2007 meldete der Antragsteller, der NPD-Landesverband Hessen, bei der Oberbür­ger­meisterin der Stadt Frankfurt am Main für Samstag, den 20. Oktober 2007, eine Demonstration an, die unter dem Motto „Stoppt die Islamisierung Deutschlands - Keine Großmoschee in Frankfurt-Hausen“ in Frankfurt am Main stattfinden soll. Die Veranstaltung soll um 13.00 Uhr beginnen und um 21.00 Uhr beendet sein. Es seien zwei Zwischen­kund­ge­bungen geplant. Die Demonstration soll am Bahnhof Frankfurt-West beginnen, über die Solmsstraße, Galvanistraße, Voltastraße, Ludwig-Landmann-Straße bis zum „Fisch­stein­kreisel“ am Industriehof in Frankfurt-Hausen führen, wo eine Zwischen­kund­gebung stattfinden soll. Der Zug soll weiter über die Straße am Hohen Weg nach Hausen gehen; dort soll gewendet werden. Bei dem Rückweg über die gleiche Strecke sei am „Fisch­stein­kreisel“ am Industriehof eine Abschluss­kund­gebung geplant. Mit Verfügung vom 8. Oktober 2007 verbot die Oberbür­ger­meisterin der Stadt Frankfurt am Main die geplante Demonstration und zugleich jede andere Versammlung unter freiem Himmel, die an diesem Tag an einem anderen als dem angemeldeten Ort innerhalb der Stadt Frankfurt am Main oder an dem gleichen Ort zu anderer Stunde durchgeführt werden sollte. Zudem ordnete sie den Sofortvollzug der Verfügung an. Zur Begründung führte sie an, dass bei Durchführung der Veranstaltung die öffentliche Sicherheit und Ordnung unmittelbar gefährdet sei. Der Antragsteller hat hiergegen Widerspruch eingelegt und am 09. Oktober 2007 einen Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gestellt. Er verweist auf die ständige Rechtsprechung des Bundes­ver­fas­sungs­ge­richts und des Hessischen Verwal­tungs­ge­richtshofs. Der Hessische Verwal­tungs­ge­richtshof habe mit Beschluss vom 1. Dezember 2006 gegen das Verbot einer gleich­ge­la­gerten Demonstration in Wiesbaden ebenfalls unter dem Motto „Stoppt die Islamisierung Europas - Keine Moschee auf dem Gräselberg“ dem Eilantrag der NPD im Beschwer­de­ver­fahren stattgegeben. Die Antragsgegnerin ist dem Antrag entge­gen­ge­treten und verteidigt die angefochtene Verfügung.

Die für das Versamm­lungsrecht zuständige 5. Kammer des Verwal­tungs­ge­richts Frankfurt am Main hat die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers gegen die Verbots­ver­fügung wieder hergestellt. Zur Begründung hat sie ausgeführt, das auf § 15 Abs. 1 Versamm­lungs­gesetz gestützte Verbot lasse sich nach dem derzeitigen Erkenntnisstand nicht auf eine Gefährdung der öffentlichen Sicherheit stützen. Die Antragsgegnerin verkenne die verfas­sungs­recht­lichen Anforderungen und berücksichtige nicht die Rechtsprechung des Hessischen Verwal­tungs­ge­richtshofs in einem gleich­ge­la­gerten Fall. Es sei höchst­rich­terlich geklärt, dass der Begriff der „öffentlichen Sicherheit“ den Schutz zentraler Rechtsgüter wie Leben, Gesundheit, Freiheit, Ehre, Eigentum und Vermögen des Einzelnen sowie die Unversehrtheit der Rechtsordnung und der staatlichen Einrichtungen umfasse.

Dabei werde nach der Rechtsprechung des Bundes­ver­fas­sungs­ge­richts in der Regel eine Gefährdung der öffentlichen Sicherheit angenommen, wenn eine strafbare Verletzung dieser Schutzgüter drohe. Dass aus der geplanten Versammlung heraus die Verübung von Straftaten zu befürchten sei, sei nicht ersichtlich. Strafbar gem. § 130 Abs. 1 Strafgesetzbuch (StGB) mache sich, wer in einer Weise, die geeignet sei, den öffentlichen Frieden zu stören, zum Hass gegen Teile der Bevölkerung aufstachele oder zu Gewalt- oder Willkür­maß­nahmen gegen sie auffordere (Nr. 1) oder die Menschenwürde anderer dadurch angreife, dass er Teile der Bevölkerung beschimpfe, böswillig verächtlich mache oder verleumde (Nr. 2). Nach § 130 Abs. 2 Nr. 1 StGB, mache sich strafbar, wer sich Schriften im Sinne des § 11 Abs. 3 StGB bediene, die zum Hass gegen Teile der Bevölkerung oder gegen eine nationale, rassische, religiöse oder durch ihr Volkstum bestimmte Gruppe aufstachele, zu Gewalt- oder Willkür­maß­nahmen gegen sie auffordere oder die Menschenwürde anderer dadurch angreife, dass er Teile der Bevölkerung oder eine der vorbezeichneten Gruppen beschimpfe, böswillig und verächtlich mache oder verleumde. Die zur Ankündigung der Demonstration und dem hierzu erstellten Flugblatt benutzten Parolen, die die Antragsgegnerin in ihrer Verfügung zitiere, zielten sicherlich auf die Emoti­o­na­li­sierung und politische Ausein­an­der­setzung ab. Sachverhalte würden verkürzt, pointiert und provozierend dargestellt. Auch habe der Inhalt des Flugblatts ebenso wie das Motto der Versammlung eine auslän­der­feindliche Grundrichtung und widerspreche damit der für die freiheitlich demokratische Ordnung grundlegenden Erwartung der Toleranz der deutschen Bevölkerung gegenüber Ausländern. Jedoch habe das Bundes­ver­fas­sungs­gericht in seinem Beschluss vom 07. April 2001 ausdrücklich klargestellt, dass auslän­der­feindliche Äußerungen im Strafgesetzbuch nicht als solche unter Strafe gestellt seien. Auch sei die vom Antragsteller gewählte, verkürzte, pointierte und provozierende Meinung­s­äu­ßerung in der politischen Ausein­an­der­setzung ein übliches Mittel.

Hinsichtlich des Mottos der Veranstaltung habe der Hessischen Verwal­tungs­ge­richtshof in seinem Beschluss vom 1. Dezember 2006 unter Anwendung der zitierten Rechtsprechung des Bundes­ver­fas­sungs­ge­richts entschieden, dass das Verbot einer Versammlung, die auch der Antragsteller durchgeführt habe mit dem Motto: „Stoppt die Islamisierung Europas - Keine Moschee auf dem Gräselberg“ keinen Verstoß gegen § 130 Abs. 1 StGB erkennen lasse. Einer Bewertung der bislang bekannten Äußerungen als „Aufstacheln zum Hass“, mithin einer verstärkten, auf die Gefühle des Adressaten abzielenden, über die bloße Äußerung von Ablehnung und Verachtung hinausgehenden Form des Anreizens zu einer emotional gesteigerten Handlung könne sich das Gericht nicht anschließen. Auch seien die Äußerungen auf dem Flugblatt nicht zwingend als böswilliges „Verächt­lich­machen“ einer religiösen Gruppe im Sinne von „verachtenswert, minderwertig, unwürdig“ zu verstehen. Diese Rechts­auf­fassung scheine von der Straf­ver­fol­gungs­behörde geteilt zu werden, denn dass ein Ermitt­lungs­ver­fahren eingeleitet worden sei, sei weder vorgetragen noch sonst ersichtlich. Ein Verbot könne auch nicht damit gerechtfertig werden, andere könnten sich durch die Versammlung provoziert fühlen und deshalb könne es zu Gewalt­tä­tig­keiten kommen. Durch die Rechtsprechung des Bundes­ver­fas­sungs­ge­richts sei entschieden, dass, falls Gewalttaten als Gegenreaktion auf Versammlungen drohten, sich die behördlichen Maßnahmen primär gegen die Störer zu richten hätten.

Quelle: ra-online, Pressemitteilung Nr. 21/07 des VG Frankfurt am Main vom 15.10.2007

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