18.10.2024
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Sie sehen eine Szene aus einem Krankenhaus, speziell mit einem OP-Saal und einer Krankenschwester im Vordergrund.

Dokument-Nr. 632

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Verwaltungsgericht Frankfurt am Main Urteil26.04.2005

Arzt gab sich als "Dr. med" und "Rechtsanwalt" aus

Ein Arzt darf zwar nicht unberechtigt den Doktortitel führen. Eine berufs­rechtliche Ahndung ist aber neben einer straf­recht­lichen Sanktion nicht immer notwendig. Entsprechendes gilt, wenn ein Arzt unberechtigt als Rechtsanwalt Korrespondenz führt.

Das Berufsgericht für Heilberufe in Frankfurt am Main sprach in einem jetzt rechtskräftig gewordenen Urteil vom 26.04.2005 einen 61-jährigen Arzt vom Vorwurf des Berufsvergehens frei, der im privaten Bereich unberechtigt den Doktortitel geführt und sich zeitweise auch als Rechtsanwalt ausgegeben hatte.

Gegen ihn war durch das Amtsgericht A. ein Vollstre­ckungs­be­scheid wegen rückständigen Hausgeldes in Höhe von ca. 4.300,00 DM betreffend eine ihm gehörende Eigen­tums­wohnung ergangen. Dagegen legte er sofortige Beschwerde ein. In diesem Schreiben bezeichnete er sich als "Dr. med. W. R." und unterzeichnete mit "Dr. W. R.". Daraufhin wurde Termin zur mündlichen Verhandlung anberaumt. Drei Tage vor diesem Termin ging bei dem Landgericht in A. ein in Wahrheit von dem beschuldigtem Arzt gefertigter Schriftsatz per Telefax ein, welcher die Überschrift eines angeblichen Anwaltsbüros "Massing, Richter, R. und Partner, Rechtsanwälte" trug und mit dem Namenszug für Rechtsanwalt K. Völker unterzeichnet war. In dem Schriftsatz wurde die Vertagung des Termins wegen schwerer Erkrankung "des Mandanten Dr. R." erbeten. Der Kammer­vor­sitzende lehnte den Verle­gungs­antrag ab und unter dem Datum des 31.01.2002 erging eine Entscheidung, welche aber an das angegebene Anwaltsbüro in Frankfurt am Main nicht zustellbar war. Das Landgericht A. stellte daraufhin Nachforschungen an und fand heraus, dass die Adresse des nicht existierenden Anwaltsbüros fast identisch mit der Praxisanschrift des Beschuldigten war und auch die Faxleiste des angeblichen Anwalts­schreibens mit der Faxleiste des Faxgerätes des beschuldigten Arztes übereinstimmte. Auf Veranlassung des Landgerichts erging sodann ein Strafbefehl des Amtsgerichts in A. gegen den Arzt wegen unbefugter Führung der Berufs­be­zeichnung Rechtsanwalt sowie Herstellung und Gebrauchmachen einer unechten Urkunde zur Täuschung im Rechtsverkehr in Tateinheit mit Missbrauch von Berufs­be­zeich­nungen nach den entsprechenden Vorschriften des Straf­ge­setz­buches. Er wurde zu einer Geldstrafe von 600,00 € verurteilt, der Strafbefehl wurde rechtskräftig.

Nachdem der Landes­ärz­te­kammer Hessen der Sachverhalt bekannt gegeben worden war, leitete sie ein berufs­recht­liches Ermitt­lungs­ver­fahren ein. In diesem Rahmen äußerte sich der beschuldigte Arzt unter anderem wie folgt:

"Nach Erwerb einer Eigen­tums­wohnung in A. hatte ich erheblichen Ärger mit dem Mieter und der für die Wohnung zuständigen Hausverwaltung. Ich glaubte, die Angelegenheit ohne Anwalt regeln zu können, bis es dann doch zu einem Prozess vor dem Landgericht A. kam. Zu dem vorgesehenen Termin konnte ich aus gesund­heit­lichen und auch aus terminlichen Gründen nicht erscheinen. Ich fragte aus diesem Grund einen mir bekannten Rechtsbeistand um Rat, den ich wohl besser nicht befolgt hätte..."

Die Landes­ärz­te­kammer Hessen schuldigte den Arzt dann beim Berufsgericht für Heilberufe in Frankfurt am Main an, seine ärztlichen Berufspflichten dadurch verletzt zu haben, dass er sich als "Dr. med." bezeichnet und in einem Fax-Schreiben unter der Überschrift des in Wahrheit nicht existierenden Anwaltsbüros als Rechtsanwalt K. Völker unterschrieben hatte. Dadurch habe er gegen das Gebot verstoßen seinen Beruf gewissenhaft auszuüben und dem ihm im Zusammenhang mit dem Beruf entge­gen­be­brachten Vertrauen zu entsprechen. Er habe sich nicht als Angehöriger eines anderen freien Berufes ausgeben und nicht gegen das Verbot, einen akademischen Grad unberechtigt zu führen, verstoßen dürfen.

Das Berufsgericht für Heilberufe in Frankfurt am Main legte in seinem Urteil vom 26.04.2005 dar, dass die feststehenden und vom Beschuldigten auch eingeräumten Verstöße gegen geltendes Recht im berufs­ge­richt­lichen Verfahren nicht zu ahnden seien. Wegen des Vorwurfs, sich als Rechtsanwalt und damit Angehöriger eines anderen freien Berufes ausgegeben zu haben, sei er bereits strafrechtlich verurteilt worden. Wörtlich heißt es dazu:

"Ein berufs­recht­licher Überhang, welcher daneben auch eine diszi­pli­na­rische Ahndung im berufs­ge­richt­lichen Verfahren erforderlich machte, ist vorliegend nicht erkennbar. Zum einen hat er sich nicht "in personam" als Rechtsanwalt bezeichnet, sondern einen Namen frei erfunden, dem er die Berufs­be­zeichnung "Rechtsanwalt" zuordnete und mit diesem Namen unterschrieben. Mithin hat er nicht als Person W. R. oder auch als Arzt W. R. die Berufs­be­zeichnung Rechtsanwalt zu Unrecht geführt, sondern ein Fantasiegebilde geschaffen und dem Amtsgericht A. gegenüber die schriftliche Lüge geäußert, das ein solcher Rechtsanwalt existiere und Termins­ver­legung beantrage. Zum anderen ist die vorbezeichnete Handlung/Tat nicht im Zusammenhang mit seiner ärztlichen Tätigkeit erfolgt."

Unter Berück­sich­tigung des Grundsatzes der Verhält­nis­mä­ßigkeit ist daher nach Auffassung des Gerichts die ausgesprochene strafrechtliche Sanktion ausreichend.

Das Führen des akademischen Grades "Dr. med." sei in der Berufsordnung für die Ärztinnen und Ärzte in Hessen insoweit nicht ausdrücklich untersagt, als kein Zusammenhang mit der ärztlichen Berufsausübung bestehe. Das Gericht legt im einzelnen dar, dass das Führen des Doktortitels, ohne dazu berechtigt zu sein, von den Regelungen der Berufsordnung nur im Rahmen der beruflichen Kommunikation und der Berufsausübung untersagt ist. Wörtlich heißt es dann weiter:

"Da hier zwar objektiv ein Verstoß gegen § 132 a Abs. 1 Ziffer 1 Strafgesetzbuch vorliegt, dieser aber bisher mangels Anzeige an die Staats­an­walt­schaft strafrechtlich nicht sanktioniert wurde, wäre die Verhängung einer berufs­ge­richt­lichen Maßnahme auf der Grundlage des § 22 Heilbe­rufs­gesetz als Ahndung außer­be­ruf­lichen Verhaltens zwar grundsätzlich möglich. Bei der Ahndung außer­be­ruf­licher Verstöße gegen die Rechtsordnung durch Kamme­ran­ge­hörige im Rahmen der Berufs­ge­richts­barkeit ist jedoch der Grundsatz der Verhält­nis­mä­ßigkeit zu beachten."

Da die private Verwendung des Doktorgrades weder in räumlichen noch in örtlichem Zusammenhang mit der beruflichen Tätigkeit des Arztes gestanden habe, sei vorliegend die Verhängung einer berufs­recht­lichen Sanktion unver­hält­nismäßig. Abschließend führt das Gericht aus:

"Die Einhaltung der allgemeinen Rechts­vor­schriften, welche für jeden Bürger gelten - keiner darf unberechtigt den akademischen Grad eines Doktors führen - ist durch die Möglichkeit einer Anzeige bei der Staats­an­walt­schaft hinreichend gewährleistet."

Das Urteil ist rechtskräftig.

Quelle: Pressemitteilung Nr. 15/2005 des VG Frankfurt am Main vom 16.06.2005

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