23.11.2024
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Dokument-Nr. 2642

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Beschluss01.06.2006Verwaltungsgericht Frankfurt am Main1 G 919/06
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Verwaltungsgericht Frankfurt am Main Beschluss01.06.2006

Eilantrag einer Wertpa­pier­han­delsbank gegen Frankfurter Wertpapierbörse auf vorläufige Zuteilung von Aktien-Skontren abgelehnt

Die antragstellende Bank ist eine nach § 26 Börsengesetz (BörsG) für die Frankfurter Wertpapierbörse zugelassene Skontroführerin. Skontroführung ist die Vermittlung und der Abschluss von Börsen­ge­schäften in den einem Skontroführer zugewiesenen Wertpapieren unter Einschluss der Preis­fest­stellung im Präsenzhandel der Wertpapierbörse.

Die Frankfurter Wertpapierbörse (Antragsgegnerin) führte auf der Grundlage der zum 15.03.2005 geänderten Börsenordnung ab dem 01.07.2005 eine neue Vertei­lungs­re­gelung für Aktien-Skontren im amtlichen und geregelten Markt ein. Alle früheren Skontren­zu­tei­lungen erloschen zum 30.06.2005. Mit Bescheiden vom 20.05.2005 verteilte die Antragsgegnerin sämtliche Skontren unter Anordnung des Sofortvollzugs an diejenigen Skontroführer, die einen entsprechenden Antrag gestellt hatten. Der Antragstellerin teilte sie keine Skontren zu. Zur Begründung gab sie an, dass die Antragstellerin die Voraussetzungen der neuen Vertei­lungs­re­gelung in der zum 15.03.2005 geänderten Börsenordnung nicht erfülle.

Die Antragstellerin erhob gegen sämtliche Zutei­lungs­be­scheide an ihre Konkurrenten wie auch gegen den an sie selbst ergangenen Ableh­nungs­be­scheid Widerspruch. Am 20.05.2005 stellte sie beim Hessischen Verwal­tungs­ge­richtshof einen Normen­kon­trol­lantrag gegen die Vertei­lungs­re­ge­lungen der Börsenordnung, über den noch nicht entschieden ist (Az.: 6 N 2388/05). Auch beim erkennenden Gericht beantragte sie Rechtsschutz. Derzeit ist noch die Klage gegen den sie selbst betreffenden Ableh­nungs­be­scheid beim Verwal­tungs­gericht Frankfurt am Main anhängig.

Mit dem nunmehr abgelehnten Eilantrag begehrte sie sinngemäß, der Antragsgegnerin aufzugeben, ihr bis zur rechtskräftigen Entscheidung über das anhängige Haupt­sa­che­ver­fahren Aktien- Skontren in bestimmter Qualität und bestimmtem Umfange zuzuteilen. Sie macht geltend, durch die Nicht­be­rück­sich­tigung bei der Skontren­ver­teilung in ihrer wirtschaft­lichen Existenz gefährdet zu sein. Der Sache nach sei die zum 01.07.2005 von der Antragsgegnerin vorgenommene Skontro­zu­teilung rechtswidrig, weil entgegen den Vorgaben der Börsenordnung erfolgt. So sei die für die Zuteilung maßgebliche Messung der Leistungs­fä­higkeit fehlerhaft gewesen. Die von der Antragsgegnerin zugrunde gelegten „Performance-Kriterien“ zur Messung der Leistungs­fä­higkeit stünden im Widerspruch zu den bei der Preis­fest­stellung zu beachtenden Vorschriften des Regelwerkes der Frankfurter Wertpapierbörse. Auch die Anforderungen an die Beibringung weiterer Referenzen seien fehlerhaft aufgestellt worden. Das Zutei­lungs­ver­fahren sei auch deshalb rechts­feh­lerhaft gewesen, weil die Verteilung entgegen § 29 Satz 1 BörsG nicht im Benehmen mit dem Skontro­füh­reraus­schuss vorgenommen worden sei. Der Beschluss vom 03.05.2005 über die vorläufige Verteilung sei nichtig, weil an ihm ausschließlich solche Skontro­füh­rer­ge­sell­schaften beteiligt gewesen seien, die selbst zu den Antragstellern zählten und somit an dem Verfahren beteiligt gewesen seien. Unabhängig von diesen Verfah­rens­ver­stößen beruhe die Rechts­wid­rigkeit der Verteilung auch auf einem Verstoß gegen höherrangiges Recht. Bei der Zuteilung von Skontren handele es sich um Beschränkungen der Berufsfreiheit, die jenseits der Grenzen zulässiger Satzungs­au­tonomie läge und deshalb nicht in der Börsenordnung hätten geregelt werden dürfen, sondern allein in einem förmlichen Gesetz. Das angewandte Kriterium des Order­bu­chum­satzes im Jahre 2004 verletze das Grundrecht der Chancen­gleichheit aller Bewerber. Der Orderbuchumsatz lasse keinerlei Schlüsse auf die Leistungs­fä­higkeit des Skontroführers zu und sei deshalb als Vertei­lungs­kri­terium ungeeignet.

Ferner sei die Regelung des § 39 k Abs. 2 Satz 3 BörsO rechtswidrig, wonach einem Skontroführer, der unter Berück­sich­tigung des Marktanteils und der fachlichen Leistung weniger als 3000 Zutei­lungs­punkte erreicht, überhaupt keine Zutei­lungs­punkte zugeordnet werden, denn dieser faktische Entzug der Skontro­füh­rer­tä­tigkeit stelle eine zusätzliche subjektive Berufs­zu­las­sungs­grenze dar, für die es an einer gesetzlichen Grundlage fehle. Betroffen sei im Ergebnis die Freiheit der Berufswahl.

Das Verwal­tungs­gericht Frankfurt am Main lud die zehn zugelassenen Skontroführer, denen mit Bescheid vom 20.05.2005 Skontren zugeteilt wurden, dem Verfahren bei. Nach mündlicher Verhandlung am 01.06.2006 wies es den Eilantrag mit Beschluss vom gleichen Tage ab.

Es hält den Antrag zwar für zulässig, da die Antragstellerin hinreichend glaubhaft gemacht habe, dass eine vorläufige Zuteilung von Aktien-Skontren nötig erscheine, um wesentliche Nachteile von der Antragstellerin abzuwenden. Allerdings habe die Antragstellerin keinen Anord­nungs­an­spruch glaubhaft gemacht. So habe sie nicht glaubhaft gemacht, dass sie auch ohne die vorgetragenen Fehler in ihrem elektronischen System während der Evalu­ie­rungsphase alleine aufgrund der Evaluation so viele Punkte erreicht hätte, dass sie zusammen mit den ihr aufgrund des Markanteils im Jahre 2004 rechnerisch zukommenden Punkten über 3000 Zutei­lungs­punkte zugekommen wären und sie damit an der Verteilung der Skontren teilgenommen hätte. Auch habe sie keine Referenzen vorgelegt und glaubhaft gemacht, dass ihr wegen dieser Referenzen eine größere Zahl von Zutei­lungs­punkten hätte zugesprochen werden müssen. Auch im Hinblick auf ihre Einwände gegen die Beteiligung des Skontro­füh­reraus­schusses bleibe offen, inwieweit sich die Zahl ihrer Zutei­lungs­punkte dadurch verbessert hätte, dass ein anderes Verfahren gewählt worden wäre. Auch soweit sie geltend mache, dass die Performance-Kriterien nicht sachgerecht gewesen wären, könne das allenfalls zur Unbrauchbarkeit der Ergebnisse aus der Evaluation führen, nicht jedoch zur Zuteilung von Zutei­lungs­punkten. Eine Wiederholung des Zutei­lungs­ver­fahrens habe die Antragstellerin jedoch nicht beantragt.

Ein Zutei­lungs­an­spruch ergebe sich für die Antragstellerin auch nicht aus einer Unwirksamkeit des § 39 k Abs. 2 Satz 3 BörsO. Diese Regelung, wonach Skontroführer, auf die nach den Zutei­lungs­regeln weniger als 3000 Zutei­lungs­punkte entfallen, überhaupt keine Zutei­lungs­punkte erhalten, verstößt nach Auffassung des Gerichts nicht gegen höherrangiges Recht.

Diese Regelung stelle keine subjektive Berufs­zu­las­sungs­re­gelung im Sinne der Rechtsprechung des Bundes­ver­fas­sungs­ge­richts zu Art. 12 Abs. 1 GG dar. Das Grundrecht der Berufswahl nach Art. 12 Abs. 1 GG sei nämlich nicht tangiert, weil „Skontroführer“ kein Beruf im Sinne dieses Grundrechts sei. Aus den Ausführungen des Bundes­ver­fas­sungs­ge­richts im sog. Kursmakler-Beschluss vom 21.08.2002 - 1 BvR 1444/02 - lasse sich lediglich entnehmen, dass die frühere Kursmaklerei als Beruf anzuerkennen gewesen sei. Die Ausführungen des Bundes­ver­fas­sungs­ge­richts könnten aufgrund der neueren rechtlichen Entwicklungen nur Grundlage für eine Übergangszeit nach Abschaffung des Kursmaklers durch das Vierte Finanz­ma­rkt­för­de­rungs­gesetz aus dem Jahre 2002 sein. Das Bundes­ver­fas­sungs­gericht habe offensichtlich nur diese Übergangszeit (vgl. § 64 Abs. 4 BörsG) im Blick gehabt und sei davon ausgegangen, dass der Präsenzhandel ohnehin an Bedeutung verlieren werde, so dass auch der Beruf des Skontroführers ausliefe. Die Entwicklung sei jedoch anders verlaufen, der Parketthandel gehöre weiterhin zu den wichtigen Säulen des Angebotes der Frankfurter Wertpapierbörse für das Publikum. Für die Frage, ob auch nach Ablauf der Übergangsphase die Skontro­füh­rer­schaft noch ein Berufsstand sei, lasse sich dem Beschluss des Bundes­ver­fas­sungs­ge­richts vom 21.08.2002 nichts entnehmen.

Nunmehr sei davon auszugehen, dass der Beruf des Skontroführers nicht mehr existiere, weil die öffentlich-rechtlichen Regelungen nicht mehr existierten, denen er seine Existenz verdanke. Damit seien Regelungen über die Zuteilung von Skontren weder subjektive Berufs­zu­las­sungs­re­ge­lungen noch Berufs­aus­übungs­re­ge­lungen. Es handele sich einfach um Regelungen über die Eröffnung eines möglichen Geschäftsfeldes, auf dem Institute tätig werden und Einkünfte erzielen könnten. Bei fehlender Zuteilung von Skontren könne ein Institut diese Gewinnchance nicht nutzen, aber im Übrigen als Kreditinstitut oder Finanz­dienst­leis­tungs­in­stitut weiterhin tätig sein. Für den zeitweisen Ausschluss müsse es nur einen sachlichen Grund geben, wobei dem Satzungsgeber insoweit ein weites Gestal­tungs­er­messen eröffnet sei.

Soweit die Antragstellerin allerdings argumentiere, dass die Vertei­lungs­re­gelung als solche willkürlich sei, weil sie zwar nach dem Kriterium der Bestenauslese erfolgen solle, faktisch aber überwiegend nach dem Maßstab des Order­buch­vo­lumens erfolge, das keine hinreichende Aussagekraft hinsichtlich der Bewertung der Leistungen der Skontroführer aufweise, seien ihre Argumente nicht ohne weiteres von der Hand zu weisen. So werde der Standpunkt der Antragsgegnerin hinsichtlich der Aussagekraft des Order­buch­vo­lumens für die Qualität der Skontroführer nicht einmal durch das von ihr selbst vorgelegte Gutachten des Prof. Theissen bestätigt. Dem Gutachten seien vielmehr eher gegenteilige Ausführungen zu entnehmen.

Es könne allerdings letztlich dahinstehen, ob die Vertei­lungs­re­ge­lungen der Börsenordnung mit dem Willkürverbot des Art. 3 GG kollidiere oder nicht. Wörtlich heißt es dazu in dem Beschluss: „Denn auch wenn sie wegen Verletzung des Art. 3 GG unwirksam sind, ergibt sich daraus kein Zutei­lungs­an­spruch der Antragstellerin, sondern nur, dass auf der Basis dieser Börsenordnung überhaupt keine Skontren­zu­tei­lungen vorgenommen werden dürfen“.

Zwar sei, so das Gericht, der Antragstellerin einzuräumen, dass dieses Ergebnis unbefriedigend sei, weil nur sie unter dem Mangel einer wirksamen Satzungs­re­gelung leide, nicht aber ihre Mitbewerber, denen Skontren zugeteilt worden seien, und auch nicht die Antragsgegnerin, die auf das Angebot des Präsenzhandels nicht verzichten müsse. Daran könne das Gericht jedoch im Rahmen des vorliegenden Streit­ge­gen­standes nichts ändern. Hätte die Antragstellerin rechtzeitig vor dem Zeitpunkt der Skontren­zu­teilung einen Normen­kon­trol­lantrag und entsprechenden Eilantrag beim Hessischen Verwal­tungs­ge­richtshof gestellt, „dann hätte der Hessische Verwal­tungs­ge­richtshof, sofern er zu den rechtlichen Ergebnissen gelangt wäre, die die Kammer für nahe liegend hält, der Antragsgegnerin untersagen können, die Zuteilung vorzunehmen“ oder die Belange der Antragstellerin auf andere Weise sicherstellen können.

Quelle: ra-online, Pressemitteilung Nr. 19/06 des VG Frankfurt am Main vom 09.06.2006

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