Dokument-Nr. 2642
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Verwaltungsgericht Frankfurt am Main Beschluss01.06.2006
Eilantrag einer Wertpapierhandelsbank gegen Frankfurter Wertpapierbörse auf vorläufige Zuteilung von Aktien-Skontren abgelehnt
Die antragstellende Bank ist eine nach § 26 Börsengesetz (BörsG) für die Frankfurter Wertpapierbörse zugelassene Skontroführerin. Skontroführung ist die Vermittlung und der Abschluss von Börsengeschäften in den einem Skontroführer zugewiesenen Wertpapieren unter Einschluss der Preisfeststellung im Präsenzhandel der Wertpapierbörse.
Die Frankfurter Wertpapierbörse (Antragsgegnerin) führte auf der Grundlage der zum 15.03.2005 geänderten Börsenordnung ab dem 01.07.2005 eine neue Verteilungsregelung für Aktien-Skontren im amtlichen und geregelten Markt ein. Alle früheren Skontrenzuteilungen erloschen zum 30.06.2005. Mit Bescheiden vom 20.05.2005 verteilte die Antragsgegnerin sämtliche Skontren unter Anordnung des Sofortvollzugs an diejenigen Skontroführer, die einen entsprechenden Antrag gestellt hatten. Der Antragstellerin teilte sie keine Skontren zu. Zur Begründung gab sie an, dass die Antragstellerin die Voraussetzungen der neuen Verteilungsregelung in der zum 15.03.2005 geänderten Börsenordnung nicht erfülle.
Die Antragstellerin erhob gegen sämtliche Zuteilungsbescheide an ihre Konkurrenten wie auch gegen den an sie selbst ergangenen Ablehnungsbescheid Widerspruch. Am 20.05.2005 stellte sie beim Hessischen Verwaltungsgerichtshof einen Normenkontrollantrag gegen die Verteilungsregelungen der Börsenordnung, über den noch nicht entschieden ist (Az.: 6 N 2388/05). Auch beim erkennenden Gericht beantragte sie Rechtsschutz. Derzeit ist noch die Klage gegen den sie selbst betreffenden Ablehnungsbescheid beim Verwaltungsgericht Frankfurt am Main anhängig.
Mit dem nunmehr abgelehnten Eilantrag begehrte sie sinngemäß, der Antragsgegnerin aufzugeben, ihr bis zur rechtskräftigen Entscheidung über das anhängige Hauptsacheverfahren Aktien- Skontren in bestimmter Qualität und bestimmtem Umfange zuzuteilen. Sie macht geltend, durch die Nichtberücksichtigung bei der Skontrenverteilung in ihrer wirtschaftlichen Existenz gefährdet zu sein. Der Sache nach sei die zum 01.07.2005 von der Antragsgegnerin vorgenommene Skontrozuteilung rechtswidrig, weil entgegen den Vorgaben der Börsenordnung erfolgt. So sei die für die Zuteilung maßgebliche Messung der Leistungsfähigkeit fehlerhaft gewesen. Die von der Antragsgegnerin zugrunde gelegten „Performance-Kriterien“ zur Messung der Leistungsfähigkeit stünden im Widerspruch zu den bei der Preisfeststellung zu beachtenden Vorschriften des Regelwerkes der Frankfurter Wertpapierbörse. Auch die Anforderungen an die Beibringung weiterer Referenzen seien fehlerhaft aufgestellt worden. Das Zuteilungsverfahren sei auch deshalb rechtsfehlerhaft gewesen, weil die Verteilung entgegen § 29 Satz 1 BörsG nicht im Benehmen mit dem Skontroführerausschuss vorgenommen worden sei. Der Beschluss vom 03.05.2005 über die vorläufige Verteilung sei nichtig, weil an ihm ausschließlich solche Skontroführergesellschaften beteiligt gewesen seien, die selbst zu den Antragstellern zählten und somit an dem Verfahren beteiligt gewesen seien. Unabhängig von diesen Verfahrensverstößen beruhe die Rechtswidrigkeit der Verteilung auch auf einem Verstoß gegen höherrangiges Recht. Bei der Zuteilung von Skontren handele es sich um Beschränkungen der Berufsfreiheit, die jenseits der Grenzen zulässiger Satzungsautonomie läge und deshalb nicht in der Börsenordnung hätten geregelt werden dürfen, sondern allein in einem förmlichen Gesetz. Das angewandte Kriterium des Orderbuchumsatzes im Jahre 2004 verletze das Grundrecht der Chancengleichheit aller Bewerber. Der Orderbuchumsatz lasse keinerlei Schlüsse auf die Leistungsfähigkeit des Skontroführers zu und sei deshalb als Verteilungskriterium ungeeignet.
Ferner sei die Regelung des § 39 k Abs. 2 Satz 3 BörsO rechtswidrig, wonach einem Skontroführer, der unter Berücksichtigung des Marktanteils und der fachlichen Leistung weniger als 3000 Zuteilungspunkte erreicht, überhaupt keine Zuteilungspunkte zugeordnet werden, denn dieser faktische Entzug der Skontroführertätigkeit stelle eine zusätzliche subjektive Berufszulassungsgrenze dar, für die es an einer gesetzlichen Grundlage fehle. Betroffen sei im Ergebnis die Freiheit der Berufswahl.
Das Verwaltungsgericht Frankfurt am Main lud die zehn zugelassenen Skontroführer, denen mit Bescheid vom 20.05.2005 Skontren zugeteilt wurden, dem Verfahren bei. Nach mündlicher Verhandlung am 01.06.2006 wies es den Eilantrag mit Beschluss vom gleichen Tage ab.
Es hält den Antrag zwar für zulässig, da die Antragstellerin hinreichend glaubhaft gemacht habe, dass eine vorläufige Zuteilung von Aktien-Skontren nötig erscheine, um wesentliche Nachteile von der Antragstellerin abzuwenden. Allerdings habe die Antragstellerin keinen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht. So habe sie nicht glaubhaft gemacht, dass sie auch ohne die vorgetragenen Fehler in ihrem elektronischen System während der Evaluierungsphase alleine aufgrund der Evaluation so viele Punkte erreicht hätte, dass sie zusammen mit den ihr aufgrund des Markanteils im Jahre 2004 rechnerisch zukommenden Punkten über 3000 Zuteilungspunkte zugekommen wären und sie damit an der Verteilung der Skontren teilgenommen hätte. Auch habe sie keine Referenzen vorgelegt und glaubhaft gemacht, dass ihr wegen dieser Referenzen eine größere Zahl von Zuteilungspunkten hätte zugesprochen werden müssen. Auch im Hinblick auf ihre Einwände gegen die Beteiligung des Skontroführerausschusses bleibe offen, inwieweit sich die Zahl ihrer Zuteilungspunkte dadurch verbessert hätte, dass ein anderes Verfahren gewählt worden wäre. Auch soweit sie geltend mache, dass die Performance-Kriterien nicht sachgerecht gewesen wären, könne das allenfalls zur Unbrauchbarkeit der Ergebnisse aus der Evaluation führen, nicht jedoch zur Zuteilung von Zuteilungspunkten. Eine Wiederholung des Zuteilungsverfahrens habe die Antragstellerin jedoch nicht beantragt.
Ein Zuteilungsanspruch ergebe sich für die Antragstellerin auch nicht aus einer Unwirksamkeit des § 39 k Abs. 2 Satz 3 BörsO. Diese Regelung, wonach Skontroführer, auf die nach den Zuteilungsregeln weniger als 3000 Zuteilungspunkte entfallen, überhaupt keine Zuteilungspunkte erhalten, verstößt nach Auffassung des Gerichts nicht gegen höherrangiges Recht.
Diese Regelung stelle keine subjektive Berufszulassungsregelung im Sinne der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu Art. 12 Abs. 1 GG dar. Das Grundrecht der Berufswahl nach Art. 12 Abs. 1 GG sei nämlich nicht tangiert, weil „Skontroführer“ kein Beruf im Sinne dieses Grundrechts sei. Aus den Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts im sog. Kursmakler-Beschluss vom 21.08.2002 - 1 BvR 1444/02 - lasse sich lediglich entnehmen, dass die frühere Kursmaklerei als Beruf anzuerkennen gewesen sei. Die Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts könnten aufgrund der neueren rechtlichen Entwicklungen nur Grundlage für eine Übergangszeit nach Abschaffung des Kursmaklers durch das Vierte Finanzmarktförderungsgesetz aus dem Jahre 2002 sein. Das Bundesverfassungsgericht habe offensichtlich nur diese Übergangszeit (vgl. § 64 Abs. 4 BörsG) im Blick gehabt und sei davon ausgegangen, dass der Präsenzhandel ohnehin an Bedeutung verlieren werde, so dass auch der Beruf des Skontroführers ausliefe. Die Entwicklung sei jedoch anders verlaufen, der Parketthandel gehöre weiterhin zu den wichtigen Säulen des Angebotes der Frankfurter Wertpapierbörse für das Publikum. Für die Frage, ob auch nach Ablauf der Übergangsphase die Skontroführerschaft noch ein Berufsstand sei, lasse sich dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 21.08.2002 nichts entnehmen.
Nunmehr sei davon auszugehen, dass der Beruf des Skontroführers nicht mehr existiere, weil die öffentlich-rechtlichen Regelungen nicht mehr existierten, denen er seine Existenz verdanke. Damit seien Regelungen über die Zuteilung von Skontren weder subjektive Berufszulassungsregelungen noch Berufsausübungsregelungen. Es handele sich einfach um Regelungen über die Eröffnung eines möglichen Geschäftsfeldes, auf dem Institute tätig werden und Einkünfte erzielen könnten. Bei fehlender Zuteilung von Skontren könne ein Institut diese Gewinnchance nicht nutzen, aber im Übrigen als Kreditinstitut oder Finanzdienstleistungsinstitut weiterhin tätig sein. Für den zeitweisen Ausschluss müsse es nur einen sachlichen Grund geben, wobei dem Satzungsgeber insoweit ein weites Gestaltungsermessen eröffnet sei.
Soweit die Antragstellerin allerdings argumentiere, dass die Verteilungsregelung als solche willkürlich sei, weil sie zwar nach dem Kriterium der Bestenauslese erfolgen solle, faktisch aber überwiegend nach dem Maßstab des Orderbuchvolumens erfolge, das keine hinreichende Aussagekraft hinsichtlich der Bewertung der Leistungen der Skontroführer aufweise, seien ihre Argumente nicht ohne weiteres von der Hand zu weisen. So werde der Standpunkt der Antragsgegnerin hinsichtlich der Aussagekraft des Orderbuchvolumens für die Qualität der Skontroführer nicht einmal durch das von ihr selbst vorgelegte Gutachten des Prof. Theissen bestätigt. Dem Gutachten seien vielmehr eher gegenteilige Ausführungen zu entnehmen.
Es könne allerdings letztlich dahinstehen, ob die Verteilungsregelungen der Börsenordnung mit dem Willkürverbot des Art. 3 GG kollidiere oder nicht. Wörtlich heißt es dazu in dem Beschluss: „Denn auch wenn sie wegen Verletzung des Art. 3 GG unwirksam sind, ergibt sich daraus kein Zuteilungsanspruch der Antragstellerin, sondern nur, dass auf der Basis dieser Börsenordnung überhaupt keine Skontrenzuteilungen vorgenommen werden dürfen“.
Zwar sei, so das Gericht, der Antragstellerin einzuräumen, dass dieses Ergebnis unbefriedigend sei, weil nur sie unter dem Mangel einer wirksamen Satzungsregelung leide, nicht aber ihre Mitbewerber, denen Skontren zugeteilt worden seien, und auch nicht die Antragsgegnerin, die auf das Angebot des Präsenzhandels nicht verzichten müsse. Daran könne das Gericht jedoch im Rahmen des vorliegenden Streitgegenstandes nichts ändern. Hätte die Antragstellerin rechtzeitig vor dem Zeitpunkt der Skontrenzuteilung einen Normenkontrollantrag und entsprechenden Eilantrag beim Hessischen Verwaltungsgerichtshof gestellt, „dann hätte der Hessische Verwaltungsgerichtshof, sofern er zu den rechtlichen Ergebnissen gelangt wäre, die die Kammer für nahe liegend hält, der Antragsgegnerin untersagen können, die Zuteilung vorzunehmen“ oder die Belange der Antragstellerin auf andere Weise sicherstellen können.
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 09.06.2006
Quelle: ra-online, Pressemitteilung Nr. 19/06 des VG Frankfurt am Main vom 09.06.2006
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