15.11.2024
15.11.2024  
Sie sehen eine Reihe mit gelben Aktenordnern, die mit Barcodes markiert sind.

Dokument-Nr. 6679

Drucken
ergänzende Informationen

Verwaltungsgericht Frankfurt (Oder) Urteil25.06.2008

Gegen offensichtlich grob rechtswidrigen Bescheid kann auch noch nach Jahren vorgegangen werdenStadt Frankfurt Oder muss blindem Mädchen 9 Jahre Blindenhilfe nachzahlen - Einstellung der Blindenhilfe war grob rechtswidrig und damit nichtig

Wer versäumt hat, Widerspruch gegen einen Bescheid einzulegen, kann auch nach Jahren vor Gericht geltend machen, dass dieser Bescheid offensichtlich grob rechtswidrig und damit nichtig ist. Dies entschied das Verwal­tungs­gericht Frankfurt (Oder). Weil die Stadt Frankfurt (Oder) schwerwiegend fehlerhaft die Zahlung von Blindenhilfe eingestellt hatte, muss sie diese nun für 9 Jahre nachzahlen.

Die Klägerin, ein 1990 geborenes blindes Mädchen, benötigt bei allen Verrichtungen des täglichen Lebens Hilfe. Sie ist mehrfach­be­hindert und auf einen Rollstuhl angewiesen. Anfangs im Haushalt ihrer Eltern lebend, bekam sie Blindenhilfe. Nachdem das Mädchen im Sommer 1993 in eine Wohneinrichtung für schwerst-mehrfach­be­hinderte Kinder aufgenommen worden war, hob die Behörde ihren Bewil­li­gungs­be­scheid auf und stellte zum 1. August 1993 die weiteren Zahlungen ein; den Aufhe­bungs­be­scheid begründete sie lediglich mit dem Hinweis "Heimaufnahme ab 5.07.1993". Die Eltern legten hiergegen keinen Widerspruch ein, erfuhren aber nach vielen Jahren, dass ihr behindertes Kind trotz Heimun­ter­bringung weiter Anspruch auf Blindenhilfe hat. Als sie Ende August 2002 bei der Behörde vorsprachen, bewilligte diese zwar für die Zukunft erneut Blindenhilfe, lehnte eine Nachzahlung hingegen strikt ab, weil seinerzeit kein Widerspruch eingelegt worden sei.

Gericht: Einstellung der Blindenhilfe war nichtig

Die Klage des Mädchens vor dem Verwal­tungs­gericht Frankfurt (Oder) hatte in vollem Umfang Erfolg. Wie das Gericht entschied, war die Einstellung der Blindenhilfe nichtig. Nichtigkeit setzt nicht voraus, so das Gericht, dass jedem der Behördenfehler ohne jede Kenntnis der Rechtslage sofort auffällt; wenn nach einer kurzen Lektüre der einschlägigen Bestimmungen die Rechts­ver­letzung ohne weiteres klar zutage liegt, genügt dies. Im vorliegenden Fall ergab sich schon aus dem Wortlaut des Bundes­so­zi­a­l­hil­fe­ge­setzes eindeutig und auch für den juristisch nicht geschulten Durch­schnitts­bürger ersichtlich, dass bei einem Heimaufenthalt Blindenhilfe, wenngleich gekürzt, weiter gezahlt werden muss. Der Bescheid, mit dem die Bewilligung aufgehoben worden war, hatte deshalb keinerlei rechtliche Folgen, so dass die Stadt die Blindenhilfe in vollem Umfang nachzahlen muss.

Quelle: ra-online, Pressemitteilung des VG Frankfurt Oder vom 01.07.2008

Nicht gefunden, was Sie gesucht haben?

Urteile sind im Originaltext meist sehr umfangreich und kompliziert formuliert. Damit sie auch für Nichtjuristen verständlich werden, fasst urteile.news alle Entscheidungen auf die wesentlichen Kernaussagen zusammen. Wenn Sie den vollständigen Urteilstext benötigen, können Sie diesen beim jeweiligen Gericht anfordern.

Wenn Sie einen Link auf diese Entscheidung setzen möchten, empfehlen wir Ihnen folgende Adresse zu verwenden: https://urteile.news/Urteil6679

Bitte beachten Sie, dass im Gegensatz zum Verlinken für das Kopieren einzelner Inhalte eine explizite Genehmigung der ra-online GmbH erforderlich ist.

Die Redaktion von urteile.news arbeitet mit größter Sorgfalt bei der Zusammenstellung von interessanten Urteilsmeldungen. Dennoch kann keine Gewähr für Richtigkeit und Vollständigkeit der über uns verbreiteten Inhalte gegeben werden. Insbesondere kann urteile.news nicht die Rechtsberatung durch eine Rechtsanwältin oder einen Rechtsanwalt in einem konkreten Fall ersetzen.

Bei technischen Problemen kontaktieren Sie uns bitte über dieses Formular.

VILI