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Verwaltungsgericht Frankfurt (Oder) Urteil25.06.2008
Gegen offensichtlich grob rechtswidrigen Bescheid kann auch noch nach Jahren vorgegangen werdenStadt Frankfurt Oder muss blindem Mädchen 9 Jahre Blindenhilfe nachzahlen - Einstellung der Blindenhilfe war grob rechtswidrig und damit nichtig
Wer versäumt hat, Widerspruch gegen einen Bescheid einzulegen, kann auch nach Jahren vor Gericht geltend machen, dass dieser Bescheid offensichtlich grob rechtswidrig und damit nichtig ist. Dies entschied das Verwaltungsgericht Frankfurt (Oder). Weil die Stadt Frankfurt (Oder) schwerwiegend fehlerhaft die Zahlung von Blindenhilfe eingestellt hatte, muss sie diese nun für 9 Jahre nachzahlen.
Die Klägerin, ein 1990 geborenes blindes Mädchen, benötigt bei allen Verrichtungen des täglichen Lebens Hilfe. Sie ist mehrfachbehindert und auf einen Rollstuhl angewiesen. Anfangs im Haushalt ihrer Eltern lebend, bekam sie Blindenhilfe. Nachdem das Mädchen im Sommer 1993 in eine Wohneinrichtung für schwerst-mehrfachbehinderte Kinder aufgenommen worden war, hob die Behörde ihren Bewilligungsbescheid auf und stellte zum 1. August 1993 die weiteren Zahlungen ein; den Aufhebungsbescheid begründete sie lediglich mit dem Hinweis "Heimaufnahme ab 5.07.1993". Die Eltern legten hiergegen keinen Widerspruch ein, erfuhren aber nach vielen Jahren, dass ihr behindertes Kind trotz Heimunterbringung weiter Anspruch auf Blindenhilfe hat. Als sie Ende August 2002 bei der Behörde vorsprachen, bewilligte diese zwar für die Zukunft erneut Blindenhilfe, lehnte eine Nachzahlung hingegen strikt ab, weil seinerzeit kein Widerspruch eingelegt worden sei.
Gericht: Einstellung der Blindenhilfe war nichtig
Die Klage des Mädchens vor dem Verwaltungsgericht Frankfurt (Oder) hatte in vollem Umfang Erfolg. Wie das Gericht entschied, war die Einstellung der Blindenhilfe nichtig. Nichtigkeit setzt nicht voraus, so das Gericht, dass jedem der Behördenfehler ohne jede Kenntnis der Rechtslage sofort auffällt; wenn nach einer kurzen Lektüre der einschlägigen Bestimmungen die Rechtsverletzung ohne weiteres klar zutage liegt, genügt dies. Im vorliegenden Fall ergab sich schon aus dem Wortlaut des Bundessozialhilfegesetzes eindeutig und auch für den juristisch nicht geschulten Durchschnittsbürger ersichtlich, dass bei einem Heimaufenthalt Blindenhilfe, wenngleich gekürzt, weiter gezahlt werden muss. Der Bescheid, mit dem die Bewilligung aufgehoben worden war, hatte deshalb keinerlei rechtliche Folgen, so dass die Stadt die Blindenhilfe in vollem Umfang nachzahlen muss.
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 15.09.2008
Quelle: ra-online, Pressemitteilung des VG Frankfurt Oder vom 01.07.2008
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