Der Kläger, der Mitbegründer der Menschenrechtsgruppe "Initiative Frieden und Menschenrechte" in der DDR war, hatte mit seiner Klage auf berufliche Rehabilitierung die Anerkennung einer Verfolgungszeit ab dem 6. Februar 1988 erreichen wollen. Ab diesem Zeitpunkt befand sich der Kläger in der Bundesrepublik Deutschland, nachdem er zuvor wegen seines Engagements in der DDR zahlreichen Maßnahmen des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS) ausgesetzt gewesen war. Unter dem Druck, eine langjährige Haftstrafe verbüßen und mit der Wegnahme seiner Kinder rechnen zu müssen, war der Kläger am 5. Februar 1988 mit einem befristeten Visum und unter Beibehaltung seiner DDR-Staatsangehörigkeit in die Bundesrepublik ausgereist. Am 29. November 1989 kehrte er nach Ost-Berlin zurück, um dort u.a. am sog. "Runden Tisch" teilzunehmen.
Das zuständige Landesamt für Gesundheit und Soziales hatte auf seinen Antrag auf Berufliche Rehabilitierung zwar festgestellt, dass der Kläger politisch Verfolgter im Sinne dieses Gesetzes gewesen sei, den Verfolgungszeitraum aber nur bis zum Tag der Ausreise in die Bundesrepublik festgesetzt. Mit seiner hiergegen gerichteten Klage hatte der Kläger geltend gemacht, er sei gegen seinen Willen zum Verlassen der DDR und zum Verbleib in der Bundesrepublik gezwungen worden. Die abgenötigte Ausreise habe elementare Menschenrechte verletzt. Nur bei freiwilliger und endgültiger Ausreise dürften Ansprüche nach dem Beruflichen Rehabilitierungsgesetz mit dem Tag der Ausreise enden.
Das Gericht folgte dieser Argumentation nicht. Die Verfolgungszeit des Klägers habe am 5. Februar 1988 geendet, weil er an diesem Tag das Beitrittsgebiet verlassen habe. Wie sich aus den gesetzlichen Definitionen der Begriffe "Verfolgter" und "Verfolgungszeit" ergebe, bezwecke das Gesetz nicht, sämtliche beruflichen Nachteile von Verfolgten auszugleichen. Das Gesetz lege das Ende der Verfolgungszeit auf den Zeitpunkt des Verlassens des Beitrittsgebiets fest. Unter Verlassen sei jede Form der Ausreise aus der ehemaligen DDR zu verstehen; ob der Betroffene freiwillig oder unfreiwillig ausreise oder die Absicht hatte, zurückzukehren, sei unerheblich. Der Kläger habe nach dem Verlassen des Beitrittsgebiets die Möglichkeit gehabt, sich entsprechend seiner Qualifikation frei und ungehindert beruflich neu zu orientieren. Wenn er diese Möglichkeit nicht habe wahrnehmen wollen, müsse er für den hier fraglichen Zeitraum Nachteile in der Rentenversicherung selbst vertreten und dürfe diese nicht der Allgemeinheit aufbürden.
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 30.05.2008
Quelle: ra-online, Pressemitteilung Nr. 19/08 des VG Berlin vom 29.05.2008