21.11.2024
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Dokument-Nr. 1029

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Urteil29.07.2005Verwaltungsgericht BerlinVG 5 V 67.04
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Verwaltungsgericht Berlin Urteil29.07.2005

Kein Visum bei "Scheinehe"

Das Verwal­tungs­gericht Berlin hat die Klage eines 27 Jahre alten, tunesischen Mannes auf ein Visum abgewiesen, der geltend machte, er wolle zu seiner 84 Jahre alten deutschen Ehefrau ziehen, die er kurz zuvor in Tunesien geheiratet hatte.

Das Verwal­tungs­gericht Berlin ist seit September 1999 - dem Umzug der Bundesregierung (u.a. des Auswärtigen Amtes) nach Berlin - für die Visumss­trei­tig­keiten aus sämtlichen deutschen Auslands­ver­tre­tungen in erster Instanz allein zuständig. Dabei geht es hauptsächlich um Visa zum Nachzug von Famili­en­mit­gliedern, um Visa zur Aufnahme eines Studiums oder einer Arbeit sowie um Besuchsvisa. Da die Visa-Verfahren einerseits von besonderer Dringlichkeit sind und andererseits oft eine zeitintensive Sachver­halts­auf­klärung durch das Gericht erfordern, binden sie erhebliche Ressourcen des Verwal­tungs­ge­richts Berlin. Hinzu kommt die seit Jahren steigende Zahl an Eingängen, so gingen im Jahr 2004 insgesamt 2.667 Visa-Verfahren beim Verwal­tungs­gericht Berlin ein. Soweit die Visa-Verfahren den Nachzug von Ehegatten betreffen - mindestens 30 % aller Fälle -, wird in der Regel darum gestritten, ob der ausländische Ehegatte tatsächlich die Absicht hat, eine Ehe in Deutschland zu führen, oder ob die Ehe nur dazu dient, einen sonst nicht möglichen Aufenthalt in Deutschland zu erlangen (sogenannte Scheinehe). Nach dem Aufent­halts­gesetz besteht ein Anspruch auf ein Visum u.a. dann, wenn man mit einem deutschen Ehegatten die Ehe führen will.

Mit dem vorliegenden, nunmehr zugestellten Urteil hat die 5. Kammer des Verwal­tungs­ge­richts Berlin in einem im Hinblick auf den Alters­un­ter­schied der Eheleute krassen Fall eine derartige Scheinehe angenommen und die Klage abgewiesen. Für das Vortäuschen, eine echte Ehe zu führen, sprachen nach Auffassung des Gerichts zahlreiche Indizien: Vor dem kulturellen und religiösen Hintergrundes des tunesischen Mannes sei es nur schwer vorstellbar, dass ein bei Eheschließung 25-jähriger Mann mit ernsthafter und dauerhafter Ehefüh­rungs­absicht die Ehe mit einer bei Eheschließung 83-jährigen Frau schließt. Ferner sei die Ehe ohne jede Feierlichkeit und ohne Austausch von Eheringen geschlossen worden. Bei der Hochzeits­ze­remonie seien weder die in Tunesien lebende Familie des Mannes noch die dort lebenden Bekannten der Ehefrau, sondern lediglich Mitarbeiter des Standesamtes anwesend gewesen. Sowohl die Familie des Mannes als auch die Bekannten der Ehefrau wüssten bis heute noch nichts von der Ehe. Die Ehefrau sei bereits wenige Tage nach der Eheschließung im Mai 2004 nach Deutschland zurückgekehrt und habe ihren Mann lediglich einmal an Weihnachten 2004 besucht. Schließlich habe die Ehefrau mehrfach wider­sprüchliche Angaben zu ihren Beweggründen für die Eheschließung gemacht. So habe sie unmittelbar nach ihrer Rückkehr aus Tunesien behauptet, von ihrem tunesischen Mann bedroht worden zu sein und die Ehe aus Angst vor ihm geschlossen zu haben. Später habe sie angegeben, dieser Vorwurf sei frei erfunden. Sie habe damit lediglich eine Annullierung der Ehe erreichen wollen, um ihre Witwenrente wieder zu erhalten. Auch ihre weitere Version, ihr tunesischer Ehemann habe gedroht, sich selbst umzubringen, wenn sie ihn nicht heirate, und sie habe ihn aus Mitleid geheiratet, spräche nicht für einen freiwilligen Entschluss, eine ernsthafte eheliche Gemeinschaft zu führen. Die Vermutung eines vorrangigen Interesses des tunesischen Mannes an einem Aufent­haltsrecht in der Bundesrepublik werde nicht dadurch widerlegt, dass er in Tunesien berufstätig sei und sich dort auch beruflich fortbilde. Denn dies schließe es nicht aus, dass er ein Leben in Deutschland mit den hier bestehenden Verdienst­mög­lich­keiten einem Leben in Tunesien vorzieht und die berufliche Fortbildung nur betreibt, um Vorsorge für den Fall zu treffen, dass ihm das Aufent­haltsrecht versagt wird.

Gegen die Entscheidung ist der Antrag auf Zulassung der Berufung zum Oberver­wal­tungs­gericht Berlin-Brandenburg zulässig.

Quelle: Pressemitteilung Nr. 40/05 des VG Berlin vom 04.10.2005

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