15.11.2024
15.11.2024  
Sie sehen den Auspuff eines Autos.

Dokument-Nr. 1721

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Verwaltungsgericht Berlin Entscheidung

Die Polizei darf keine Gebühren für nicht berechtigte Sicher­stel­lungen von Kraftfahrzeugen erheben

Das Verwal­tungs­gericht Berlin hat im August und September 2000 in einer Reihe von Entscheidungen polizeiliche Sicher­stel­lungen von Kraftfahrzeugen, die zum Zweck der Eigen­tums­si­cherung nach § 38 des Allgemeinen Sicherheits- und Ordnungs­ge­setzes durchgeführt worden waren, für rechtswidrig erklärt.

In den vier vom Gericht entschiedenen Verfahren hatte die Polizei jeweils Kraftfahrzeuge auf öffentlichem Straßenland aufgefunden, die äußerliche Beschädigungen aufwiesen und somit der erhöhten Gefahr eines Diebstahls unterlagen, und diese deswegen sichergestellt. Teilweise waren die Fahrzeuge zuvor auch als gestohlen gemeldet worden. Nach der Sicherstellung hatte der Polizei­prä­sident in Berlin von den Kraft­fahr­zeug­haltern für die Sicher­stel­lungen Gebühren erhoben. Die daraufhin von den Kraft­fahr­zeug­haltern beim Verwal­tungs­gericht eingereichten Eilanträge bzw. Klagen hatten Erfolg.

Die zuständige 1. Kammer des Verwal­tungs­ge­richts führte aus, dass eine polizeiliche Sicherstellung und anschließende Gebüh­re­n­er­hebung zum Zwecke der Eigen­tums­si­cherung im Interesse der jeweiligen Halter zwar grundsätzlich möglich sei. In den entschiedenen Fällen hatte das Gericht jedoch Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Maßnahmen.

Zum Teil hielt das Gericht bereits das Bestehen einer Diebstahl­s­gefahr nicht für gegeben. Außerdem betonte das Gericht, dass die Durchführung von Sicher­stel­lungen im Ermessen der Behörde stehe. Es bestehe damit keine polizeiliche Verpflichtung, in jedem Fall Autos mit eingeschlagener Seitenscheibe sicherzustellen. Vielmehr müsse die Polizei bei ihrer Ermes­sens­ausübung insbesondere auch den Verhält­nis­mä­ßig­keits­grundsatz berücksichtigen. Vor einer Sicherstellung müsse daher versucht werden, den betroffenen Halter zu informieren, um ihm die Möglichkeit zu geben, sich selbst um die Sicherung seines Fahrzeugs zu kümmern. Schließlich dürfe die Polizei auch den Wert des jeweiligen Fahrzeugs im Verhältnis zu den durch die Sicherstellung entstehenden Kosten - im Durchschnitt ca. 500,- DM - bei ihrem Ermessen nicht außer Acht lassen. Diesen Anforderungen genüge das polizeiliche Handeln in den konkret entschiedenen Fällen nicht:

Im Verfahren VG 1 A 174.99 handelte es sich bei dem sicher­ge­stellten Fahrzeug um einen VW Golf Bj. 1986, der zum Zeitpunkt der Sicherstellung einen Restwert von nur noch 200,-- DM bis 300,-- DM aufwies. Für die Sicherstellung wurden aber später Gebühren in Höhe 359,20 DM in Rechnung gestellt.

Im Verfahren VG 1 A 233.99 war das Gericht der Ansicht, dass die Polizei die betroffene Halterin vor der Sicherstellung nicht in ausreichendem Maße telefonisch benachrichtigt habe, weil die Polizei zu Unrecht davon ausgegangen sei, keine Nachricht auf einem Anruf­be­ant­worter hinterlassen zu müssen.

Im Verfahren VG 1 A 189.00 beanstandete das Gericht neben einem Benach­rich­ti­gungs­fehler auch, dass der polizeilich aufgefundene, zuvor als gestohlen gemeldete Pkw Ford Orion bereits über einen Monat auf öffentlichem Straßenland stand, es aber in dieser Zeit nicht zu einem weiteren Diebstahl gekommen war, weil von außen nicht erkennbar war, dass das Fahrzeug auf Grund von Beschädigungen leicht hätte erneut entwendet werden können. Daher sah die Kammer auch hier keine Notwendigkeit eines polizeilichen Eilzugriffs in Form einer Sicherstellung.

Auch im Verfahren VG 1 A 179.00 handelte es sich um einen zuvor gestohlenen Pkw. Hier sah das Gericht keine Notwendigkeit für eine Sicherstellung, weil die Gefahr eines weiteren Diebstahls ohne weiteres durch ein Verschließen der Türen des Fahrzeugs habe beseitigt werden können. Dies wäre im Vergleich zur Sicherstellung das mildere Mittel gewesen.

Die 1. Kammer hatte im Übrigen bereits im Mai 2000 in mehreren Verfahren Gebüh­re­n­er­he­bungen für Sicher­stel­lungen für rechtswidrig erklärt. Gegen diese Entscheidungen wurden keine Rechtsmittel eingelegt.

Quelle: Pressemitteilung Nr. 40/2000 des VG Berlin

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