Dokument-Nr. 30335
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Verwaltungsgericht Berlin Beschluss31.05.2021
Pauschales berlinweites Wechselmodell an Grundschulen rechtswidrigHöhere Inzidenzwerte rechtfertigten Wechselmodell nicht
Das Verwaltungsgericht Berlin hat Eilanträgen einer Schülerin und eines Schülers der Primarstufe einer Grundschule auf Wiederaufnahme der Präsenzbeschulung im Regelbetrieb stattgegeben.
Gemäß § 13 Abs. 4 Satz 1 der Zweiten SARS-CoV-2-Infektionsschutzmaßnahmeverordnung darf an Schulen Lehrbetrieb in Präsenz grundsätzlich nicht stattfinden. Die Schul-Hygiene-Covid-19-Verordnung lässt hiervon Abweichungen für die an das Infektionsgeschehen angepasste Wiederaufnahme des Lehrbetriebs zu und sieht dabei Beschränkungen des Präsenzunterrichts vor. Im Falle der Antragstellerin und des Antragstellers führt die Schule derzeit einen Wechselunterricht in halbierter Klassenstärke durch.
Schüler sehen sich in Grundrechten verletzt und begehren Vollbeschulung
Gegen dieses Beschulungsmodell setzen sie sich mit einem Eilantrag vor dem Verwaltungsgericht zur Wehr. Sie sehen sich in ihren Grundrechten verletzt und begehren eine Vollbeschulung. Der Antragsgegner verteidigt die maßgeblichen Bestimmungen der Verordnung unter anderem mit den höheren Inzidenz-Werten in der Gruppe der Schülerinnen und Schüler.
VG bejahrt Anspruch auf Vollbeschulung unter Beachtung der geltenden Schutzmaßnahmen
Das VG Berlin hat den Eilanträgen stattgegeben. Die Antragstellerin und der Antragsteller könnten in ihren Bezirken eine Vollbeschulung unter Beachtung der im Übrigen geltenden infektionsschutzrechtlichen Schutzmaßnahmen beanspruchen. Der Antragsgegner habe im Regelfall die Beschulung im Präsenzbetrieb vorgesehen. Bisher habe er dem Anspruch auf uneingeschränkte Beschulung mit Erfolg die Regelungen zum Infektionsschutz entgegengehalten. Der Spielraum des Gesetz- bzw. Verordnungsgebers bei der Wahl der notwendigen Schutzmaßnahmen sei im Verlauf der Pandemie - etwa wegen besonders schwerer Grundrechtsbelastungen und wegen zunehmend greifender alternativer Maßnahmen wie der fortschreitenden Impfung der Bevölkerung und der geschaffenen Testmöglichkeiten geringer geworden.
Inzidenzwert für Unterrichtsform entscheidend
Nach § 28 b Abs. 3 Infektionsschutzgesetz dürfe Präsenzunterricht nur in Form von Wechselunterricht angeboten werden, wenn die Sieben-Tage-Inzidenz an drei aufeinanderfolgenden Tagen den Schwellenwert von 100 überschreite. Überschreite die Sieben-Tage-Inzidenz an drei aufeinander folgenden Tagen die 165, sei ein Präsenzunterricht untersagt. Der Bundesgesetzgeber habe mit der Festlegung der Inzidenzwerte den Maßstab und die Schwellenwerte bestimmt, anhand derer eine infektionsschutzrechtliche Beschränkung des Unterrichtsbetriebs erforderlich erscheine.
Einschätzungsspielraum bei berlinweiten pauschalierenden Beschränkung überschritten
In Anwendung dieser Maßstäbe habe der Verordnungsgeber seinen Einschätzungsspielraum bei der berlinweiten pauschalierenden Beschränkung des Präsenzunterrichts an Grundschulen überschritten. Die Beschränkung des Unterrichts auf das Wechselmodell diene zwar einem legitimen Zweck (Eindämmung des Infektionsgeschehens). Der Antragsgegner habe jedoch angesichts der rückläufigen Infektionszahlen nicht hinreichend dargetan, dass die Beschränkung des Schulunterrichts zur Erreichung dieses Zweckes erforderlich sei.
Höheren Inzidenz-Werte rechtfertigten pauschale Anwendung des Wechselmodells nicht
Die höheren Inzidenz-Werte in der Gruppe der Schülerinnen und Schüler rechtfertigten die pauschale Anwendung des Wechselmodells nicht. Es sei zudem nicht dargetan, weshalb die bereits vorhandenen infektionsschutzrechtlichen Maßnahmen nicht ausreichten, um den angestrebten Zweck zu erreichen. Das VG hat den Antragsgegner zur Sicherung der Rechte der Antragstellerin und des Antragstellers daher vorläufig verpflichtet, diese gemäß den Bestimmungen zum Regelbetrieb zu beschulen.
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 01.06.2021
Quelle: Verwaltungsgericht Berlin, ra-online (pm/ab)
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