23.11.2024
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Dokument-Nr. 4127

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Verwaltungsgericht Augsburg Urteil19.04.2007

Polizeiliche Durchsuchung des Pkws eines Rechtsanwalts im Rahmen der Schleier-Fahndung teilweise rechtswidrig

Das Verwal­tungs­gericht Augsburg hat der Klage eines Rechtsanwalts, der sich gegen die Durchsuchung seines Pkws anlässlich einer Polizei­kon­trolle wandte, teilweise stattgegeben.

Der Kläger und sein Beifahrer fuhren am 10. April 2002 gegen 23.00 Uhr mit einem älteren Pkw (Baujahr 1971) von der Autobahn A 8 kommend auf den Parkplatz eines Schnell­re­staurants, welches ca. 100 m von der Autobahn­an­schluss­stelle Burgau entfernt liegt. Die Beamten der Autobahn­po­li­zei­station erklärten, eine Kontrolle durchführen zu wollen und verlangten vom Kläger Fahrzeugpapiere und Führerschein. Anschließend durchsuchte einer der Polizeibeamten trotz der Weigerung des Klägers, die Durchsuchung zu gestatten, den Pkw-Innenraum, einen geschlossenen Aktenkoffer sowie zwei geschlossene Taschen. Die Polizeibeamten fanden im Pkw-Innenraum auch einen Stapel Visitenkarten des Klägers, auf denen Name und Berufs­be­zeichnung aufgedruckt waren. Als der Kläger sich weigerte, den Kofferraum zu öffnen, wurde auf die Durchsuchung des Kofferraums verzichtet und die Kontrolle beendet.

Nachdem der Kläger mit seiner Klage vor dem Verwal­tungs­gericht und dem Bayerischen Verwal­tungs­ge­richtshof zunächst erfolglos geblieben war, hat er Verfas­sungs­be­schwerde zum Bayerischen Verfas­sungs­ge­richtshof erhoben. Mit Entscheidung vom 7. Februar 2006 gab das Gericht unter Aufhebung des Urteils des Verwal­tungs­ge­richts Augsburg vom 18. Dezember 2003 und des Beschlusses des Bayerischen Verwal­tungs­ge­richtshofs vom 7. Juni 2004 der Verfas­sungs­be­schwerde statt. Die Durchsuchung mitgeführter Sachen stelle regelmäßig einen schwerwiegenden Eingriff in die Privat- und Intimsphäre des Betroffenen dar und setze voraus, dass eine erhöhte abstrakte Gefahr vorliege. Dies hätte durch eine Beweiserhebung näher untersucht werden müssen. Die Sache wurde zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Verwal­tungs­gericht Augsburg zurückverwiesen.

Das Verwal­tungs­gericht Augsburg hat in der mündlichen Verhandlung die beteiligten Polizeibeamten und den Beifahrer des Klägers als Zeugen vernommen. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme erwies sich die Durchsuchung des Pkws und der darin mitgeführten Gegenstände des Klägers bis zu dem Zeitpunkt, als die Polizeibeamten die Visitenkarten des Klägers auffanden und dadurch Kenntnis davon erhielten, dass es sich beim Kläger um einen zugelassenen Rechtsanwalt handelt, als rechtmäßig, ab diesem Zeitpunkt als rechtswidrig.

Die der Durchsuchung des Pkws vorausgegangene Identi­täts­kon­trolle war durch allgemeine Lageer­kenntnisse (Zeit und Örtlichkeit der Kontrolle, Zustand des Fahrzeugs) gerechtfertigt. Auch die sich anschließende Durchsuchung war zunächst im Hinblick auf das unkooperative und von Anfang an auf Verweigerung und Konfrontation angelegte Verhalten des Klägers, welches den Eindruck erweckte, er habe etwas zu verbergen, nicht zu beanstanden. Ab dem Zeitpunkt, ab dem die Polizeibeamten durch das Auffinden der Visitenkarten vom Beruf des Klägers als Rechtsanwalt, einem Organ der Rechtspflege, Kenntnis hatten, waren die Voraussetzungen für die Annahme einer erhöhten abstrakten Gefahr, die über allgemeine Lageer­kenntnisse hinaus durch ein Mindestmaß an Indizien untermauert sein muss, nicht mehr gegeben. Deshalb war die danach fortgesetzte Durchsuchung, insbesondere eines Aktenkoffers des Klägers, rechtswidrig.

Quelle: ra-online, Pressemitteilung des VG Augsburg vom 19.04.2007

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