15.11.2024
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Verwaltungsgericht Arnsberg Urteil20.01.2010

VG Arnsberg: Psychische Erkrankung eines Polizeibeamten nach Dienst­be­sprechung über Tötungsdelikt kein DienstunfallKein Dienstunfall im Sinne des Beamten­ver­sor­gungs­rechtes

Ein Polizeibeamter, der bei einer „Gefähr­der­an­sprache“ vergeblich versucht hat, einen potentiellen Täter von einer Straftat abzuhalten, und später psychisch erkrankt ist, hat keinen Anspruch darauf, dass die Gefähr­der­an­sprache und eine nachfolgende Dienst­be­sprechung als Dienstunfall im Sinne des Beamten­ver­sor­gungs­ge­setzes anerkannt werden. Das ergibt sich aus einem Urteil des Verwal­tungs­ge­richts Arnsberg.

Der klagende Polizeibeamte hatte 2004 in Hagen eine so genannte Gefähr­der­an­sprache bei einer Person durchgeführt, gegen die Strafanzeigen wegen telefonischer Bedrohungen der früheren Ehefrau vorlagen. Nachdem der Beamte mehrfach vergeblich versucht hatte, den Täter in seiner Wohnung aufzusuchen, gelang es ihm an einem Freitag im Mai 2004, die Ansprache telefonisch durchzuführen. Am folgenden Tag erschoss der Täter seine Exfrau. Die Tat war Gegenstand einer Besprechung der Polizei am nächsten Montag, an welcher der Kläger teilnahm. Nachdem die Familie des Opfers Zweifel am Vorgehen der Polizei geäußert hatte, führte diese eine interne Untersuchung durch. Dabei wurde festgestellt, dass sich der Beamte korrekt verhalten hatte. Seine Krankmeldungen häuften sich jedoch. Der behandelnde Facharzt bescheinigte ihm 2005 eine Angststörung sowie eine posttrau­ma­tische Belas­tungs­störung im Zusammenhang mit der Gefähr­der­an­sprache und dem Tötungs­ge­schehen. Inzwischen befindet sich der Kläger wegen Dienstunfähigkeit vorzeitig im Ruhestand.

Kein ursächlicher Zusammenhang zwischen Straftat und Erkrankung

Seinen Antrag, die mit der Gefähr­der­an­sprache und dem Tötungsdelikt zusam­men­hän­genden Umstände als Dienstunfall anzuerkennen, lehnte das Polizei­prä­sidium Hagen ab. Nach der polizei­ärzt­lichen Stellungnahme sei ein ursächlicher Zusammenhang zwischen den angeführten Umständen und der Erkrankung nicht gegeben.

Dienstherr muss nicht unbeschränkt wirtschaftliche Risiko für jeden in Ausübung des Dienstes eingetretenen Schaden tragen

Die Klage des Polizeibeamten, mit der er die Anerkennung als Dienstunfall weiter verfolgt, hat das Verwal­tungs­gericht Arnsberg abgewiesen. Zur Begründung führt das Gericht aus.

Unabhängig von der Ursächlichkeit des Geschehens für die Erkrankung des Klägers seien bereits die begrifflichen Anforderungen an einen Dienstunfall im Sinne des Beamten­ver­sor­gungs­rechtes nicht erfüllt. Nur ein auf äußerer Einwirkung beruhendes Ereignis, das einen Körperschaden verursache und in Ausübung oder infolge des Dienstes eingetreten sei, könne einen Dienstunfall bilden. Unfal­le­r­eignisse und Körper­be­schä­di­gungen, die auf eine besondere körperliche oder seelische Veranlagung oder auf willentliches Verhalten des Beamten zurückgingen, reichten nicht aus. Der Dienstherr trage nicht unbeschränkt das wirtschaftliche Risiko für alle von den Beamten in Ausübung oder infolge des Dienstes erlittene Schäden. Auch bei ausbleibender Dienstleistung des Beamten habe dieser zwar grundsätzlich einen Anspruch auf Fortzahlung der Bezüge und auf weitere Leistungen im Rahmen der Beihilfe. Die darüber hinausgehende Unfallfürsorge nach den Dienst­un­fa­ll­vor­schriften setze jedoch einen Unfall voraus, den der Beamte in innerem Zusammenhang mit seiner Dienstleistung erlitten habe. Für die Unfallfürsorge bestehe kein Anlass bei Vorgängen, die im Rahmen des Dienst­ver­hält­nisses üblich und selbst­ver­ständlich seien. Derartige Vorkommnisse könnten den Dienst­un­fa­ll­begriff von vornherein nicht erfüllen. Eine äußere Einwirkung im Sinne des Dienst­un­fa­ll­rechts sei folglich bei Vorgängen zu verneinen, die im Rahmen des Dienst­ver­hält­nisses üblich („an der Tagesordnung“) seien und kein objektiv erkennbares Schädi­gungs­po­tential hätten.

Beamter trägt keine Mitschuld an Tötungsdelikt

Hiervon ausgehend seien die Vorgänge vom Mai 2004 nicht als eine äußere Einwirkung zu beurteilen, die einen Dienstunfall begründen könnte. Nach der Schilderung des Klägers habe der Täter die Bedrohungen in dem Telefonat abgestritten und das Gespräch von sich aus abgebrochen. Am folgenden Montag sei das Tötungsdelikt Gegenstand der regelmäßig stattfindenden Frühbesprechung gewesen. Dabei seien auch erken­nungs­dienstliche Fotos vom Tatort gezeigt worden, deren Anblick nicht schrecklich gewesen sei. Schon an diesem Tag sei schnell klar geworden, dass man ihm keinen Vorwurf machen könne. Aufgrund der Vorhaltungen der Angehörigen habe noch eine interne Untersuchung stattgefunden. Die Staats­an­walt­schaft habe jedoch keine Ermittlungen gegen ihn eingeleitet.

Verhalten dienstlich nicht zu beanstanden

Bei dieser Sachlage habe es sich um einen Vorgang im Rahmen des normalen Dienstbetriebes gehandelt. Besondere Umstände, die ein Schädi­gungs­po­tential zu Lasten des Klägers erkennen ließen, habe es nicht gegeben. Insbesondere sei der Kläger weder während der Dienst­be­sprechung noch danach verbal angegriffen worden. Die Überprüfungen hätten bereits nach kurzer Zeit ergeben, dass sein Verhalten dienstlich nicht zu beanstanden gewesen sei. Ein solcher „normaler“ dienstlicher Vorgang könne keinen Dienstunfall im Sinne des Beamten­ver­sor­gungs­rechtes darstellen.

Quelle: ra-online, VG Arnsberg

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