21.11.2024
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Sozialgericht Stuttgart Urteil04.12.2018

Getrennt lebende Ehegatten: Bei Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebens­un­ter­haltes ist Regelbedarf für Alleinstehende zu berücksichtigenBerück­sich­tigung von nicht haus­halts­angehörigen Personen bei Festlegung des maßgeblichen Regelbedarfs der Leistungs­berechtigten verfas­sungs­widrig

Bei Ehepartnern, die nicht in einer Haus­halts­gemeinschaft zusammenleben, ist der Regelbedarf für Alleinstehende und nicht der Regelbedarf für Partner bei der Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebens­un­ter­haltes nach dem SGB II zu berücksichtigen. Ehegatten sind als dauernd getrennt lebend im Sinne des § 7 Abs. 3 Nr. 3 a) SGB II bereits anzusehen, wenn sie nicht nur vorübergehend keinen gemeinsamen Haushalt führen. Ein Trennungswille ist hierfür nicht erforderlich. Dies geht aus einer Entscheidung des Sozialgerichts Stuttgart hervor.

Im zugrunde liegenden Fall lebte die seit 2016 verheiratete Klägerin aus verschiedenen nachvoll­ziehbaren Gründen noch nicht mit ihrem Ehepartner, welcher aufstockend Leistungen nach dem SGB XII bezog, zusammen. Das beklagte Jobcenter bewilligte der Klägerin Leistungen nach dem SGB II unter Berück­sich­tigung des Regelbedarfes für Partner mit der Begründung, dass es für das Bestehen einer Bedarfsgemeinschaft unter Ehegatten darauf ankomme, dass entweder eine häusliche Gemeinschaft bestehe oder falls keine häusliche Gemeinschaft bestehe, dies nicht auf dem Trennungswillen eines der Ehegatten beruhe. Mangels Vorliegens eines Trennungs­willens sei von einer Bedarfs­ge­mein­schaft auszugehen.

Vorliegen einer Bedarfs­ge­mein­schaft setzt Bestehen einer Haushalts­ge­mein­schaft voraus

Das Sozialgericht Stuttgart gab der Klage auf Gewährung des Regelbedarfes für Alleinstehende statt. Nach Auffassung des Gerichts sind - entgegen der Entscheidung des Bundes­so­zi­al­ge­richts vom 18. Februar 2010 (ID9243) - bei der Auslegung des Begriffs des "nicht dauernd getrennt­le­benden Ehegatten" im Sinne des § 7 Abs. 3 Nr. 3 a) SGB II die Grundsätze, die zum famili­en­recht­lichen Begriff des "Getrenntlebens" (vgl. § 1567 Abs. I 1 BGB) entwickelt worden sind, nicht heranzuziehen. Aus dem gesetz­ge­be­rischen Konzept zur Gestaltung des Anspruchs auf Gewährleistung des Existenz­mi­nimums folge, dass das Vorliegen einer Bedarfs­ge­mein­schaft, sofern hieran - wie in § 20 IV SGB II - leistungs­rechtliche Konsequenzen geknüpft werden, stets das Bestehen einer Haushalts­ge­mein­schaft voraussetze. Die Berück­sich­tigung von nicht haushalts­an­ge­hörigen Personen bei der Festlegung des maßgeblichen Regelbedarfs der Leistungs­be­rech­tigten, wäre verfas­sungs­widrig (so auch SG Mainz, Urteil v. 26. März 2013 - S 17 AS 1159/12). Dies schlage sich im Sozia­l­hil­ferecht in der Regelung der § 20 Abs. 4 SGB II entsprechenden Regel­be­da­rfsstufe 2 nach der Anlage zu § 28 SGB XII nieder, wonach das Bestehen einer Haushalts­ge­mein­schaft Mindest­vor­aus­setzung für die Anwendung der für Partner vorgesehenen Regel­be­da­rfsstufe 2 ist. Die Fingierung einer Haushalts­ge­mein­schaft verstoße zudem gegen den Gleich­heits­grundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG, da hierin zum einen eine Ungleich­be­handlung gegenüber eheähnlichen und leben­s­part­ner­schaft­s­ähn­lichen Gemeinschaften im Sinne des § 7 Abs. 3 Nr. 3 c) SGB II zu Lasten der Ehegatten (und Lebenspartner) und zum anderen gegenüber nach dem SGB XII leistungs­be­rech­tigten Verheirateten und Lebenspartnern liege.

Quelle: Sozialgericht Stuttgart/ra-online (pm/kg)

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