23.11.2024
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Dokument-Nr. 9229

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Urteil11.02.2010Sozialgericht MarburgS 9 SO 23/08
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Sozialgericht Marburg Urteil11.02.2010

SG Marburg: Medikamente für Asylbewerber – Pharma­un­ter­nehmen hat keinen Anspruch auf Koste­n­er­stattung durch SozialamtBehörde muss vor der Behandlung informiert und ein weiteres Vorgehen abgeklärt werden

Werden einem nicht kranken­ver­si­cherten Asylbewerber über einen längeren Zeitraum Medikamente verabreicht, ohne die zuständige Sozia­l­hil­fe­behörde darüber zu informieren, können die Kosten dafür später nicht von der Behörde zurückverlangt werden. Dies entschied das Sozialgericht Marburg.

Im Sommer 2005 reiste ein 26-jähriger Syrer nach Deutschland ein. Wegen einer dauerhaften Blutge­rin­nungs­störung musste er ärztlich behandelt werden. Aufgrund seines Status als Asylbewerber war er jedoch nicht kranken­ver­sichert. Um eine mögliche Einblutung in die Gelenke zu verhindern, verabreichte der aufgesuchte Arzt dem jungen Mann vorsorglich über 4 Monate Medikamente im Gesamtwert von 30.000,- €, ohne sich darum zu kümmern, dass die Kosten wegen des fehlenden Kranken­ver­si­che­rungs­schutzes nicht gedeckt waren. Die Medikamente waren dem Arzt durch den Hersteller, einem Marburger Pharma­un­ter­nehmen, zur Verfügung gestellt worden.

Arzt hätte vor der Behandlung Zustimmung der Behörde einholen müssen

Das Pharma­un­ter­nehmen forderte daraufhin das zuständige Sozialamt auf, die Kosten zu übernehmen. Das Amt lehnte dies mit der Begründung ab, dass kein akuter Notfall vorgelegen habe und der Arzt vor der Behandlung die Zustimmung der Behörde hätte einholen müssen. Daher müsse das Unternehmen jetzt mit dem Arzt klären, wer für die Kosten aufkomme.

Pharma­un­ter­nehmen hat keine aktive Hilfeleistung erbracht

Die daraufhin erhobene Klage des Pharma­un­ter­nehmens vor dem Sozialgericht Marburg hatte keinen Erfolg. Das Sozialgericht Marburg entschied, dass das Pharma­un­ter­nehmen keine aktive Hilfeleistung erbracht hat und daher nicht als Anspruchs­be­rech­tigter in Betracht kommt. Ein sozia­l­hil­fe­recht­licher Erstat­tungs­an­spruch steht allenfalls dem Arzt zu, der die Medikamente verabreicht.

Sozialhilfe nicht zum finanziellen Auszugleich von Versäumnissen oder Missver­ständnisse zwischen Ärzten und Pharma­un­ter­nehmen verpflichtet

Allerdings kann auch der Arzt eine Erstattung nur dann verlangen, wenn mit der Gabe des Medikaments eine lebens­be­drohliche Situation abgewendet und die Behörde im Anschluss daran umgehend informiert wird. In allen anderen Fällen kann es ihm zugemutet werden, sich mit der Behörde vorher in Verbindung zu setzen, um den Behand­lungs­verlauf abzuklären. Erfolgt die ärztliche Behandlung – wie hier – über 4 Monate hinweg, ohne dass die Kostenfrage geklärt wird, kommt eine Abwälzung auf die öffentliche Hand generell nicht in Betracht. Insbesondere ist es nicht Aufgabe der Sozialhilfe Versäumnisse oder Missver­ständnisse zwischen Ärzten und Pharma­un­ter­nehmen finanziell auszugleichen.

Quelle: ra-online, SG Marburg

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