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Sozialgericht Dresden Urteil12.09.2005
Sozialgericht Dresden Urteil12.09.2005
Sozialgericht Dresden hält die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zur Zusatzversorgung in der ehemaligen DDR für verfassungswidrigSozialgericht Dresden übt harsche Kritik am Bundessozialgericht
Die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zur Zusatzversorgung in der ehemaligen DDR ist verfassungswidrig. Das hat die 14. Kammer des Sozialgerichts Dresden in zwei jetzt schriftlich vorliegenden Urteilen vom 12. September 2005 entschieden.
Mit deutlichen Worten hält das Sozialgericht Dresden die ständige Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) zur fiktiven Einbeziehung in die Zusatzversorgung für verfassungswidrig. Zum Hintergrund: In der DDR gab es 27 Zusatzversorgungssysteme. Sie wurden für Beschäftigte in verschiedenen staatswichtigen Bereichen geschaffen. Die Einbezogenen erhielten neben ihrer Rente aus der Sozialversicherung eine zusätzliche Rente in nicht unbeträchtlicher Höhe. Nach der Wende überführte der Gesetzgeber diese Ansprüche und Anwartschaften mit dem AAÜG in die gesetzliche Rentenversicherung. Voraussetzung dafür war eine Einbeziehung zu DDR-Zeiten, z.B. durch eine Urkunde.
Das BSG legt § 1 Absatz 1 AAÜG in ständiger Rechtsprechung seit 2002 „verfassungskonform erweiternd“ aus. Das Gleichheitsrecht gebiete dies. Auch wer zu DDR-Zeiten eine Beschäftigung ausübte, für die nach den Buchstaben der Vorschriften eine Zusatzversorgung vorgesehen war, müsse gleichbehandelt werden.
Dadurch bekamen im Bereich der zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz Hunderttausende Ingenieure, Architekten und Techniker der DDR nachträglich Zeiten der Zugehörigkeit von der Deutschen Rentenversicherung Bund (früher: BfA) festgestellt. Die Differenz kann im Einzelfall bis zu mehreren hundert Euro Rente monatlich betragen. Dies belastet die öffentlichen Haushalte von Bund und neuen Ländern in den nächsten 20 Jahren voraussichtlich im Milliardenbereich. Die Sozialgerichte insbesondere der neuen Länder werden nun mit Zehntausenden Klagen zur Zusatzversorgung überrollt. Denn das BSG hat zugleich mit seiner erweiternden Auslegung enge Kriterien dafür geschaffen, wer aus heutiger Sicht zu DDR-Zeiten eine Einbeziehung hätte erhalten müssen. Nach Auffassung der 14. Kammer ist die Rechtsprechung des BSG mit dem Grundgesetz nicht vereinbar. Eine verfassungswidrige Ungleichbehandlung liegt nicht vor. Das gesetzliche Konzept der Rentenüberleitung wird gesprengt. Außerdem hätte keiner der Betroffenen bis zu den Entscheidungen des BSG im Traum daran gedacht, Ansprüche auf Zusatzversorgung zu haben. Das BSG durfte das Gesetz nicht selbst fortbilden. Bei Zweifeln an der Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes hätte es die Vorschrift dem Bundesverfassungsgericht vorlegen müssen, das allein für die Verwerfung von Gesetzen zuständig ist. Das BSG maßt sich die Rolle des Gesetzgebers an. Es übt gesetzgeberische Funktionen aus. Eine derartige Rechtsfindung ist unzulässig und mit dem Gewaltenteilungsprinzip nicht vereinbar. Damit entzieht es sich der Bindung an Recht und Gesetz. Letztlich wirkt sich die Kritik auf den Erfolg der Klagen nicht aus. Denn die Klägerinnen sind Diplomchemikerin bzw. Industrieökonomin und erfüllen damit die persönlichen Voraussetzungen nach der Rechtsprechung des BSG nicht. Die 14. Kammer musste die Klagen daher auf jeden Fall abweisen. Die Abgrenzung zum BSG erfolgte vor allem im Hinblick auf weitere anhängige Verfahren. Bis auf die unveröffentlichten Entscheidungen einer Kammer des Sozialgerichts Leipzig sind die Urteile des Sozialgerichts Dresden bundesweit einmalig.
Die Urteile sind noch nicht rechtskräftig (Az.: S 14 RA 497/03, S 14 RA 1137/02).
Gesetz zur Überführung der Ansprüche und Anwartschaften aus Zusatz- und Sonderversorgungssystemen des Beitrittsgebiets (Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetz – AAÜG):
Erläuterungen
§ 1 (Absatz 1 Satz 1) Geltungsbereich:Dieses Gesetz gilt für Ansprüche und Anwartschaften, die auf Grund der Zugehörigkeit zu Zusatz- und Sonderversorgungssystemen (Versorgungssysteme) im Beitrittsgebiet (...) erworben worden sind.
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 03.02.2006
Quelle: Pressemitteilung des SG Dresden vom 20.12.2005
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