Dokument-Nr. 3069
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Sozialgericht Dortmund Urteil25.08.2006
Während DDR-Haft keine Anrechnung von Erziehungszeiten für RenteBereits erfolgte Anrechnung einer Ersatzzeit laut Gericht ausreichend
Zeiten der Inhaftierung in der DDR können auch dann keine Berücksichtigungszeit wegen Kindererziehung sein, wenn es sich um eine rechtsstaatswidrige Freiheitsentziehung der Mutter aus politischen Gründen gehandelt hat. Dies entschied das Sozialgericht Dortmund im Falle einer Ärztin aus Gevelsberg, die in den 70iger Jahren in der DDR eine eineinhalbjährige Haftstrafe wegen versuchter Republikflucht abgesessen hat. Ihre Tochter, die damals im Vorschulalter war, wurde bis zur anschließenden Ausreise in die Bundesrepublik in einem Kinderheim und von der Großmutter betreut.
Die Deutsche Rentenversicherung Bund (DRV) lehnte den Antrag der Ärztin auf Feststellung einer Kinderberücksichtigungszeit für den Haftzeitraum ab, weil die Erziehung der Tochter durch die Inhaftierung unterbrochen worden sei.
Mit der hiergegen erhobenen Klage machte die Ärztin geltend, ihre vorübergehende rechtstaatswidrige Inhaftierung habe die Erziehung nicht unterbrochen. So habe sie durch monatliche Briefe weiter Einfluss auf die Entwicklung ihrer Tochter genommen. Die Entscheidung der DRV billige das Staatsunrecht der DDR und würdige nicht den durch die Erziehung der Tochter geleisteten generativen Beitrag für das Rentenversicherungssystem.
Das Sozialgericht Dortmund wies die Klage ab. Eine Berücksichtigungszeit wegen der Erziehung eines Kindes bis zu dessen vollendeten 10. Lebensjahr setze voraus, dass wie bei der Kindererziehungszeit das Kind tatsächlich von dem Versicherten erzogen worden sei. Der betreffende Elternteil müsse gewillt und in der Lage gewesen sein, für die Erziehung des Kindes zu sorgen. Hierzu gehöre in der Regel die häusliche Gemeinschaft mit dem Kind. Die Klägerin habe während der Haft nicht in häuslicher Gemeinschaft mit ihrer Tochter leben und auch keinen wesentlichen Einfluss auf ihre Erziehung nehmen können. Auf die Gründe, warum die Klägerin gehindert gewesen sei, die Erziehung ihrer Tochter selbst fortzusetzen, komme es nicht an.
Das Sozialgericht ist der Auffassung, dass dem Freiheitsentzug in der DDR durch die Anrechnung einer Ersatzzeit hinreichend Rechnung getragen werde. Einer weitergehenden rentenrechtlichen Kompensation bedürfe es nicht, zumal die Klägerin ihr Berufsleben als Mitglied der Ärzteversorgung Westfalen-Lippe ganz überwiegend außerhalb der Solidargemeinschaft der gesetzlich Rentenversicherten zurückgelegt habe. Nennenswerte Defizite in der sozialen Sicherung der Klägerin seien nicht erkennbar, wobei die begehrte Kinderberücksichtigungszeit die Altersrente lediglich um 1,78 € monatlich erhöhen könne.
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 21.09.2006
Quelle: ra-online, Pressemitteilung des SG Dortmund vom 18.09.2006
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