21.11.2024
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Dokument-Nr. 3614

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Beschluss08.01.2007Sozialgericht BerlinS 103 AS 10869/06 ER
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Sozialgericht Berlin Beschluss08.01.2007

SG Berlin sieht Teile der Hartz-IV-Verschärfung als verfas­sungs­widrig an - Jobcenter muss für Stiefkind zahlenNach Hartz-Gesetzen haftet Partner jetzt auch für ein "fremdes" Kind - im "zivilen" Familienrecht bestünde keine Unter­halts­pflicht

Das Berliner Sozialgericht hält bestimmte Passagen in der Verschärfung der Hartz-IV-Gesetze für verfas­sungs­widrig. Streitpunkt war die neue Regelung, wonach ein Partner in einer Lebens­ge­mein­schaft für das Kind des anderen Lebensgefährten, das nicht von ihm stammt, aufkommen muss. Das Sozialgericht gab in einem vorläufigen Eilentscheid der Klage eines 15-jährigen Mädchens statt. Diesem war vom Jobcenter mitgeteilt worden, dass es keine Sozia­l­leis­tungen mehr erhalte, weil das Einkommen des Lebensgefährten ihrer arbeitslosen Mutter ausreiche.

Die Verschärfung der Hartz-Gesetze war am 1. August 2006 in Kraft getreten. Beim Berliner Sozialgericht stand folgende Passage des Gesetzes auf dem verfas­sungs­recht­lichen Prüfstand: Die verschärfte Haftung innerhalb der nichtehelichen Lebens­ge­mein­schaft für ein "fremdes" Kind des anderen Partners. Nach den verschärften Vorschriften (§ 9 Absatz 2 Sozial­ge­setzbuch II) hat das Kind erst dann einen Anspruch auf Sozia­l­leis­tungen, wenn auch das Einkommen und Vermögen des "Stief"-Partners nicht für den Lebensunterhalt ausreicht. Nach der früheren Rechtslage war nur auf das Geld der Eltern zurückgegriffen worden.

Antragstellerin im vorliegenden Verfahren war eine 15jährige Berlinerin. Deren arbeitslose Mutter lebt in nichtehelicher Gemeinschaft mit einem Mann zusammen, der nicht der Vater der 15jährigen ist. Der Mann ist ebenfalls arbeitslos. Er bezieht aber derzeit kein Arbeits­lo­sengeld II, sondern das höhere Arbeits­lo­sengeld I. Nach Auffassung des Job-Centers reicht das Arbeits­lo­sengeld I des Mannes aus, um auch den Lebensunterhalt von Mutter und Tochter zu sichern.

Die 15jährige Antragstellerin trug vor, dass die Verschärfung der Hartz-Gesetze in diesem Punkt gegen das Grundgesetz verstoße. Sie besitze keine Möglichkeit, den Partner ihrer Mutter zur Zahlung von Unterhalt zu zwingen. Nach den Vorschriften des Familienrechts sei der Mann ihr nämlich nicht zum Unterhalt verpflichtet. Im Übrigen werde sie willkürlich ungleich behandelt im Vergleich zu Empfängern von Sozialhilfe nach dem Sozial­ge­setzbuch XII. Danach wäre in ihrem Fall ein Anspruch auf Sozia­l­leis­tungen erfüllt.

Der zuständige Richter Clauß verpflichtete das Jobcenter, weiterhin die gestrichene Unterstützung an das Kind zu zahlen. Er kündigte an, dass er beabsichtige, in einem wohl folgenden Hauptverfahren, die Frage der Verfas­sungs­mä­ßigkeit der Verschärfung dem Bundes­ver­fas­sungs­gericht vorzulegen. Im Eilverfahren sei dies nicht möglich gewesen.

Quelle: ra-online

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