18.10.2024
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Dokument-Nr. 4073

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Sozialgericht Aachen Beschluss22.03.2007

Viermonatiges Praktikum zur Einarbeitung ohne Arbeitslohn ist als Einglie­de­rungs­maßnahme nicht zumutbarHartz-IV: Wettbe­wer­bs­neu­tralität muss gewahrt bleiben

Maßnahmen zur Verbesserung der Einglie­de­rungs­aus­sichten sind auf höchstens 12 Wochen zu beschränken (§ 49 SGB III). Denn die Förderung unbezahlter Vollzeitarbeit verzerrt den Wettbewerb und den Arbeitsmarkt. Das geht aus einem Beschluss des Sozialgerichts Aachen hervor.

Der Kläger des Verfahrens vor dem Sozialgericht Aachen war arbeitsloser Busfahrer und bezog Arbeits­lo­sengeld II (Alg II). Er besaß zwar den Busführerschein, hatte aber keine Fahrpraxis. Die beklagte Behörde, die schon den Erwerb des Busfüh­rer­scheins gefördert hatte, vermittelte ihn in ein vom Arbeitgeber nicht bezahltes viermonatiges Praktikum bei einem Reise­bus­un­ter­nehmen, nach dessen Abschluss Aussicht auf Festanstellung bestand. Das Unternehmen hat später drei von mindestens sieben Praktikanten eingestellt. Von der Beklagten erhielt der Kläger während des Praktikums neben dem Alg II monatlich 100 €.

Der Kläger wurde nicht eingestellt, sondern kurz vor Ablauf des Praktikums gekündigt, weil er zu wenig motiviert, geradezu unlustig gewesen sei. Absprachewidrig sei er zu einem Dienst nicht angetreten. Die Beklagte kürzte das Arbeits­lo­sengeld II (§ 31 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 Buchst. c/d SGB II), weil der Kläger ohne wichtigen Grund Anlass zum Abbruch der „Maßnahme“ gegeben habe.

Der Kläger trug unbestritten vor, er habe während der Praktikumszeit Montags bis Freitags Touren für den Arbeitgeber gefahren wie ein regulärer Vollzeit-Busfahrer, jeweils Samstags sei er begleitet und in Strecken und Tarife eingewiesen worden. Noch am Tag vor seiner Kündigung habe er von 6 bis 18 Uhr gearbeitet.

Dies nahm die 9. Kammer des Sozialgerichts Aachen unter Vorsitz von Richter am Sozialgericht Michael Wolff-Dellen zum Anlass, die ausgesprochene Sanktion für rechtswidrig zu erklären. Es habe sich nicht um eine zumutbare Maßnahme gehandelt. Zwar hob das Gericht das engagierte Bemühen der Beklagten um Vermittlung des Klägers in eine Festanstellung lobend hervor und ließ offen, ob der Kläger sich angemessen verhalten habe. Maßnahmen zur Verbesserung der Einglie­de­rungs­aus­sichten seien jedoch auf höchstens 12 Wochen zu beschränken (§ 49 SGB III). Denn die Förderung unbezahlter Vollzeitarbeit verzerre den Wettbewerb und den Arbeitsmarkt. Die Arbeitgeberin habe im konkreten Fall 7 Fahrer je 4 Monate unbezahlt beschäftigt und damit mehr als zwei Jahresgehälter eingespart, die üblicherweise im Rahmen von Probe­a­r­beits­ver­hält­nissen hätten gezahlt werden müssen.

Quelle: ra-online, Pressemitteilung des SG Aachen vom 10.04.2007

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