21.11.2024
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Sie sehen ein altes Ehepaar auf einer Parkbank.

Dokument-Nr. 5412

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Sozialgericht Aachen Beschluss23.07.2007

Verfas­sungs­wid­rigkeit der Arbeits­lo­sen­geld­be­messung nach MutterschutzSG Aachen ruft das Bundes­ver­fas­sungs­gericht an

Die gesetzlichen Vorgaben für die Berechnung des Arbeits­lo­sen­geldes (§ 130 Abs. 1 Satz 1 SGB III) hält die 21. Kammer des Sozialgerichts Aachen für teilweise verfas­sungs­widrig, soweit sie zu Nachteilen für Mütter führen, die wegen des Mutterschutzes eine versi­che­rungs­pflichtige Beschäftigung unterbrochen haben.

Die Höhe des Arbeits­lo­sen­geldes richtet sich nach dem Arbeits­ein­kommen aus der Zeit vor der Arbeits­lo­sigkeit, wenn bestimmte Bedingungen erfüllt sind. Innerhalb eines Zeitrahmens von höchstens zwei Jahren müssen mindestens 150 Tage mit Anspruch auf Arbeitsentgelt liegen ein (sog. „Bemes­sungs­zeitraum“). Erreichen Arbeitslose diese 150 Tage nicht, z.B. weil die versicherte Erwer­b­s­tä­tigkeit zu lange zurück liegt, so wird der Berechnung eine fiktive Bemessung des Arbeits­lo­sen­geldes zugrunde gelegt, die sich nicht am tatsächlichen Verdienst, sondern an der Berufs­aus­bildung orientiert. Je nach Fallgestaltung kann dies zu einem deutlich niedrigeren Arbeits­lo­sen­geldan­spruch führen, als wenn das tatsächliche frühere Arbeits­ein­kommen zugrunde gelegt würde.

Vorlage an das Bundes­ver­fas­sungs­gericht

In dem jetzt dem Bundes­ver­fas­sungs­gericht vom Sozialgericht Aachen vorgelegten Fall konnten innerhalb der zwei Jahre nur 81 Tage mit Arbeitsentgelt berücksichtigt werden. Denn die Beschäftigung der Klägerin war wegen eines Beschäf­ti­gungs­verbots nach dem Mutter­schutz­gesetz unterbrochen. Die Agentur für Arbeit legte der Berechnung deshalb ein fiktives Arbeitsentgelt von 98 € / Tag zugrunde. Tatsächlich lag das Arbeitsentgelt vor dem Mutterschutz bei 156 € / Tag.

Verfahren vorläufig ausgesetzt

Die 21. Kammer des Sozialgerichts Aachen unter Vorsitz von Richterin am Sozialgericht Regina Adam hat das bei ihr anhängige Klageverfahren ausgesetzt und dem Bundes­ver­fas­sungs­gericht zur Entscheidung über die Frage vorgelegt, ob es mit Art. 6 Abs. 4 Grundgesetz vereinbar ist, dass der Bemessungszeitraum nach § 130 Abs. 1 Satz 1 SGB III die Zeit des Mutterschutzes nicht umfasst.

Mutterschutz-Beschäf­ti­gungs­verbot führt für die Mutter zu sozia­l­recht­lichen Nachteilen

Die Kammer hat zur Begründung ausgeführt: Der Staat sei nach dem Grundgesetz (Art. 6 Abs. 4) zu Schutz und Fürsorge für Mutter und Kind verpflichtet. Der Gesetzgeber habe aus diesem Grund ein Beschäftigungsverbot für die Zeit vor und nach der Geburt eines Kindes erlassen. Komme er auf diese Weise seinem Schutzauftrag nach, müsse er auch sozia­l­ver­si­che­rungs­rechtliche Nachteile, die sich aus dem Beschäf­ti­gungs­verbot ergeben, so weit wie möglich ausgleichen. Diesen verfas­sungs­recht­lichen Anforderungen genüge die gesetzliche Regelung nicht, da es allein aufgrund des Beschäf­ti­gungs­verbotes während des Mutterschutzes zu Nachteilen bei der Leistungs­ge­währung kommen könne.

Der Vorla­ge­be­schluss bezieht sich nur auf die Nicht­be­rück­sich­tigung von Zeiten des Mutterschutzes, ausdrücklich nicht auf Eltern- und Erzie­hungs­zeiten. Rechtsmittel sind gegen den Beschluss nicht gegeben.

Quelle: ra-online, Pressemitteilung des SG Aachen vom 10.01.2008

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