Dokument-Nr. 4456
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Oberverwaltungsgericht des Saarlandes Beschluss27.06.2007
Presseauskunftsanspruch gegenüber Behörden bezieht sich nicht auf Motive von PolitikernAuskunftsanspruch der Presse hat bei inneren Vorgängen seine Grenzen - Persönlichkeitsrecht muss geschützt werden
Das Oberverwaltungsgericht des Saarlandes hat den Berufungszulassungsantrag eines Klägers zurückgewiesen, mit dem dieser sein gegen den Ministerpräsidenten des Saarlandes gerichtetes Presseauskunftsbegehren weiterverfolgt hat. In einer Presseanfrage an den Ministerpräsidenten hatte der Kläger als Inhaber eines Presse- und Kommunikationsbüros dargelegt, er habe Hilfebriefe einer bedrohten Firma nicht beantwortet und nicht interveniert, und um Auskunft über die Gründe für die angenommene Untätigkeit gebeten.
Das Oberverwaltungsgericht hat festgestellt, dass es in der Presseanfrage nach ihrem objektiven Erklärungswert um die Erforschung und anschließende Bekanntgabe nicht objektiver Gründe, sondern innerlich gebliebener Motive ging, die auch in den der Anfrage beigefügten Briefen angesprochen wurden. Rechtlich kam es daher insbesondere darauf an, ob der Auskunftsanspruch der Presse gegen Behörden nicht nur auf Tatsachen gerichtet ist, sondern auch innerlich gebliebene Motive umfasst und damit innere Vorgänge, die sich nur in den Köpfen von Politikern und Behördenbediensteten abspielen. Diese Frage hat nach dem Verwaltungsgericht, das über den Auskunftsanspruch in seinem Urteil vom 12.10.2006 (1 K 64/05) entschieden hatte, nun auch das Oberverwaltungsgericht verneint.
Maßgeblich für die Entscheidung ist die Verfassungsrechtslage. Die Pressefreiheit mit ihrem Kontrollauftrag gegenüber dem Staat hat Verfassungsrang und ist für die Demokratie unentbehrlich. Sie umfasst auch das Recht auf Informationsbeschaffung einschließlich eingehender Recherchen. Nicht umfasst von der verfassungsrechtlichen Pressefreiheit ist aber ein Recht auf Eröffnung neuer Informationsquellen. Dies gilt erst recht, wenn die zu eröffnende Informationsquelle zum Kernbereich der Persönlichkeit gehört. Innere Vorgänge in der Person gehören zum verfassungsrechtlich absolut - nicht relativierbar - geschützten Kern der Persönlichkeit. Der Staat darf in diesen Bereich unter keinen Umständen eindringen. Mithin besteht kein gerichtlich durchsetzbares und vollstreckbares Presseauskunftsrecht gegenüber dem Staat über solche inneren Vorgänge.
Der für die Demokratie unentbehrliche Kontrollauftrag der Presse ist durch diese Rechtsprechung nicht gefährdet. Zur umfassenden und wahrheitsgetreuen Auskunftserteilung über Geschehnisse von öffentlichem Interesse, also über Tatsachen ist die Verwaltung ohnehin verpflichtet; dieser Auskunftsanspruch ist auch durchsetzbar. Bei inneren Vorgängen - Motiven - ist die Presse jedoch zunächst auf freiwillige Interviews und die - immerhin häufigen - freiwilligen Selbstdarstellungen von Politikern angewiesen. Werden die Motive einer von der Presse aufgegriffenen Untätigkeit von den Politikern nicht freiwillig offen gelegt, erfüllt die Presse ihren verfassungsrechtlichen Kontrollauftrag durch eine Kritik an der Untätigkeit selbst, die im Fall einer anhaltenden Pressebefassung mit der Angelegenheit durchaus Erfolg im Sinne einer Aufgabe der Untätigkeit haben kann.
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 28.06.2007
Quelle: ra-online, Pressemitteilung des OVG des Saarlandes vom 28.06.2007
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