Dokument-Nr. 2497
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Thüringer Oberverwaltungsgericht Beschluss08.06.2006
Fußball-WM: NPD-Veranstaltung in Jena bleibt verbotenWegen der Fußball-WM 2006 stehen zu wenig Polizeikräfte zur Verfügung
Das Thüringer Oberverwaltungsgericht hat in einem Eilverfahren die sofortige Vollziehung des Versammlungsverbots der Ordnungsbehörde der Stadt Jena zu der am 10. Juni 2006 von der NPD in Jena geplanten Veranstaltung unter dem Motto "Fest der Völker - für ein Europa der Vaterländer" bestätigt. Die Veranstaltung darf nicht stattfinden.
Der NPD-Kreisverband Jena hatte bereits im Anschluss an die erste Veranstaltung dieser Art am 10. Juni 2005 erneut eine gleichartige Versammlung für den 10. Juni 2006 und die Folgejahre bis 2015 angemeldet. In einem Kooperationsgespräch am 10. Mai 2006 hat die Vollzugspolizei bereits darauf hingewiesen, dass insbesondere wegen der durch die Fußballweltmeisterschaft gebundenen Polizeikräfte nicht genügend Personal zur Verfügung stehe, um die Sicherheitslage in ausreichender Weise zu beherrschen. Eine Verlegung der Veranstaltung auf den 9. September 2006 wurde vom Veranstalter im Ergebnis abgelehnt. Der Oberbürgermeister der Stadt verbot darauf mit Bescheid vom 30. Mai 2006 die Veranstaltung. Störungen der öffentlichen Sicherheit seien zwar nicht von Veranstalterseite zu erwarten, die Polizei sei aber nicht in der Lage, bei einer Durchführung der zu erwartenden unmittelbaren Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung wirksam zu begegnen. Es sei mit höheren Teilnehmerzahlen und militantem Vorgehen von Gegendemonstranten zu rechnen. Die Polizei werde deshalb nicht in der Lage sein, den erforderlichen Schutz bereitzustellen. Das im Eilverfahren angerufene Verwaltungsgericht Gera bestätigte mit Beschluss vom 6. Juni 2006 den sofortigen Vollzug des Verbots. Es hat die angegriffene Verbotsverfügung für rechtmäßig gehalten. Gegen die NPD dürfe als Nichtstörerin nach den Grundsätzen des polizeilichen Notstandes vorgegangen werden. Wegen der außerordentlich angespannten Sicherheitslage aus Anlass der ab 9. Juni 2006 stattfindenden Fußballweltmeisterschaft erweise sich die ergangene Entscheidung als noch verhältnismäßig. Im Beschwerdeverfahren hat die NPD die Voraussetzungen für einen polizeilichen Notstand in Frage gestellt. Aus ihrer Sicht könnten ohne weiteres die Polizeikräfte, die bei weitem nicht in der von der Stadt angegebenen Größenordnung nötig seien, von der Bundespolizei und den Länderpolizeien bereitgestellt werden.
Der 3. Senat hat in seinem Beschluss die Auffassung der Behörde, dass im vorliegenden Fall ausnahmsweise unter den Voraussetzungen des so genannten polizeilichen Notstands gegen die Versammlung eingeschritten werden durfte, bestätigt. Er hat die Einschätzung der Gefahrenlage geteilt, die sich insbesondere aus dem Auftreten gewaltbereiter Personen mit Skinhead-Hintergrund und gewalttätiger Gegendemonstranten ("Schwarzer Block") bei einer erwartbaren Teilnehmerzahl von 1 000 Personen auf Seiten des Veranstalters (angesichts der überregionalen Werbung im Internet und der von der Anmelderin einbezogenen Teilnehmer aus dem europäischen Ausland mit rechtsextremem Hintergrund) und etwa 8 000 bis 10 000 Gegendemonstranten ergibt. Die Lagebeurteilung, dass die verfügbaren Polizeikräfte bei weitem nicht ausreichen werden, erweise sich nach den vorliegenden polizeilichen Einschätzungen insbesondere vor dem Hintergrund der Fußballweltmeisterschaft und der diesbezüglichen zahlreichen öffentlichen Veranstaltungen als plausibel. Erreichbare Mittel, den angemessen Schutz der Veranstaltung sicherzustellen, stehen nach den erfolglosen Versuchen, in angemessenem Umfang auch Polizeikräfte aus anderen Bundesländern mit einsetzen zu können, nicht zur Verfügung. Der Senat hat deshalb entschieden, dass es bei der Anordnung des sofortigen Vollzugs des Verbots zu verbleiben hat.
Erläuterungen
VorinstanzVerwaltungsgericht Gera, Beschluss vom 6. Juni 2006 - 1 E 429/06 GE-
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 08.06.2006
Quelle: ra-online, Pressemitteilung des OVG Thüringen vom 08.06.2006
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