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Dokument-Nr. 2205

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Oberverwaltungsgericht Saarland Beschluss27.03.2006

Zu "Führer­schein­tou­rismus" und Fahrer­laub­nis­ent­ziehung

Das Oberver­wal­tungs­gericht Saarland hat die Beschwerden zweier deutscher Antragsteller zurückgewiesen, die sich jeweils in einem Eilverfahren gegen die Aberkennung des Rechts wandten, von einer ausländischen Fahrerlaubnis im Inland Gebrauch zu machen.

Gegenstand beider Eilverfahren war u.a. die Frage, inwieweit eine Fahrerlaubnis, die einem deutschen Staats­an­ge­hörigen - nach vorangegangener Entziehung der von einer deutschen Behörde ausgestellten Fahrerlaubnis und Ablauf der diesbezüglichen Sperrfrist für eine Wiedererteilung - von einem anderen EU-Mitgliedstaat erteilt wurde, einer Überprüfung durch die deutschen Fahrer­laub­nis­be­hörden unterzogen werden darf.

1. Verfahren 1 W 12/06

Bereits 1989 war dem Antragsteller wegen einer damals bestehenden Heroin­ab­hän­gigkeit die von einer deutschen Behörde erteilte Fahrerlaubnis entzogen worden. Nachdem er mehrere Jahre an einem kontrollierten Methadon-Programm teilgenommen hatte, beantragte er im Jahre 2003 bei einer saarländischen Behörde die Wiedererteilung der Fahrerlaubnis. Ein in diesem Zusammenhang angefordertes medizinisch-psychologisches Gutachten kam im Dezember 2003 zu dem Ergebnis, dass der Antragsteller weiterhin ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen im Straßenverkehr sei. Daraufhin machte der Antragsteller geltend, dass ihm bereits vor der Beantragung der Wiedererteilung der Fahrerlaubnis Anfang 2003 in Italien eine Fahrerlaubnis erteilt worden sei, zu deren Anerkennung die deutschen Behörden verpflichtet seien. Deshalb sei er ohne weiteres berechtigt, auch in Deutschland Kraftfahrzeuge im Straßenverkehr zu führen. Der Aufforderung der saarländischen Fahrer­laub­nis­behörde, sich zur Überprüfung seiner Fahreignung angesichts des andauernden Methadon-Konsums sowie des negativen medizinisch-psychologischen Gutachtens vom Dezember 2003 erneut einer medizinisch-psychologischen Untersuchung zu unterziehen, kam der Antragsteller nicht nach. Daraufhin erkannte die Behörde ihm unter Anordnung des Sofortvollzuges das Recht ab, in der Bundesrepublik Deutschland von der italienischen Fahrerlaubnis Gebrauch zu machen.

Der Antragsteller, dessen Eilantrag erstinstanzlich ohne Erfolg blieb, machte im Beschwer­de­ver­fahren insbesondere geltend, die Entscheidung der saarländischen Fahrer­laub­nis­behörde verletze europäisches Gemein­schaftsrecht, da die Anforderung eines aktuellen medizinisch-psychologischen Gutachtens gegen die aus der so genannten EU-Führer­schein­richtlinie folgende Pflicht zur gegenseitigen Anerkennung von Führerscheinen verstoße.

Das Oberver­wal­tungs­gericht hat in seinem Beschluss vom 27.03.2006 einen Verstoß gegen Gemein­schaftsrecht verneint und die Aberkennung des Rechts, von der italienischen Fahrerlaubnis im Inland Gebrauch zu machen, wegen des bis in die Gegenwart fortdauernden Methadon-Konsums sowie des negativen medizinisch-psychologischen Gutachtens vom Dezember 2003, das nach Erteilung der italienischen Fahrerlaubnis erstellt worden war, als rechtmäßig erachtet. Es hat insoweit ausgeführt, dass der Europäische Gerichtshof in seinem Urteil vom 29.04.2004 zwar der Befugnis zur Überprüfung von EU-Fahrer­laub­nissen nach inner­staat­lichem Recht enge Grenzen gesetzt, dabei aber betont habe, dass die EU-Mitgliedstaaten durch die Führer­schein­richtlinie zumindest in den Fällen, in denen die Fahrzeugführer nach Erteilung der EU-Fahrerlaubnis wieder im Inland auffällig würden beziehungsweise in sonstiger Weise erneut Bedenken hinsichtlich ihrer Fahreignung bestünden, ermächtigt seien, ihre nationalen Eignungs­über­prüfungs- und Entzugs­vor­schriften anzuwenden. Um eine solche Konstellation handele es sich vorliegend.

2. Verfahren 1 W 2/06

Dem Antragsteller, einem deutschen Staats­an­ge­hörigen mit aktuellem Wohnsitz in Frankreich, war Anfang 2004 die deutsche Fahrerlaubnis wegen einer Trunken­heitsfahrt mit 1,79 Promille entzogen worden. Danach hatte er durch einen bloßen Umtausch seiner von ihm in Deutschland als verloren gemeldeten deutschen Führerscheine eine niederländische und eine französische Fahrerlaubnis erhalten. Nachdem er sich geweigert hatte, sich einer medizinisch-psychologischen Untersuchung zur Feststellung seiner Fahreignung zu unterziehen, wurde ihm das Recht, von der erteilten nieder­län­dischen und französischen Fahrerlaubnis in der Bundesrepublik Deutschland Gebrauch zu machen, mit sofortiger Wirkung aberkannt. Hiergegen wandte sich der Antragsteller in einem Eilverfahren ebenfalls unter Berufung auf einen Verstoß gegen europäisches Gemein­schaftsrecht.

In diesem Verfahren, in dem der Antragsteller nach der Erteilung der französischen beziehungsweise nieder­län­dischen Fahrerlaubnis in Deutschland nicht mehr erneut auffällig wurde, sah das Oberver­wal­tungs­gericht in seiner Entscheidung vom 30.03.2006 angesichts der derzeitig divergierenden Auffassungen in Rechtsprechung und Schrifttum zur Anerkennung von EU-Fahrer­laub­nissen die Rechtslage in der noch zu entscheidenden Hauptsache als offen an. Im Wege einer Inter­es­se­n­ab­wägung berücksichtigte es, dass, da nicht als hinreichend geklärt anzusehen sei, dass die ursprünglich in der Person des Antragstellers begründeten Gefahren für die Verkehrs­si­cherheit inzwischen beseitigt seien, das Interesse der Allgemeinheit an der Sicherheit des Straßenverkehrs deutlich höher als das berufliche und private Interesse des Antragstellers zu werten sei, bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache auch in der Bundesrepublik Deutschland Kraftfahrzeuge führen zu dürfen. Deshalb müsse es jedenfalls vorerst dabei bleiben, dass der Betreffende in Deutschland nicht fahren dürfe.

Quelle: ra-online, Pressemitteilung des OVG Saarland vom 10.04.2006

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