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Urteil11.11.2022Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz7 A 10318/22.OVG
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Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz Urteil11.11.2022

Kein fiktives Geburtsdatum im Ausweis

Ein im Jahr 1957 in Algerien geborener Kläger mit deutscher Staats­an­ge­hö­rigkeit, dessen konkretes Geburtsdatum unbekannt ist, hat keinen Anspruch auf Eintragung eines fiktiven Geburtsdatums in seinen Personalausweis und seinen Reisepass. Dies entschied das Oberver­wal­tungs­gericht Rheinland-Pfalz in Koblenz.

Im Personalausweis und im Reisepass des Klägers ist als Geburtsdatum "XX.XX.1957" eingetragen. Hintergrund ist der Umstand, dass der Kläger, dem sein tatsächliches Geburtsdatum unbekannt ist, kein Dokument seines Geburtslandes vorlegen konnte, welches ein konkretes Geburtsdatum ausweist. Er verfügt lediglich über einen Auszug aus dem Gebur­ten­re­gister seines Geburtslandes, aus dem sich sein Geburtsjahr ergibt, nicht jedoch der konkrete Geburtsmonat bzw. -tag. Auch seine alte und leicht demente Mutter kennt seinen Angaben zufolge das genaue Geburtsdatum nicht. Seinen Antrag, ihm neue Ausweis­do­kumente auszustellen und darin ein fiktives Datum einzutragen, lehnte die Stadt Ludwigshafen ab. Nach erfolglosem Wider­spruchs­ver­fahren erhob er Klage, mit der er sein Begehren weiterverfolgte. Hierzu machte er geltend, infolge der unvollständigen Eintragungen in seinen Ausweis­do­ku­menten erleide er immer wieder erhebliche Nachteile, insbesondere bei Reisen in außer­eu­ro­päische Länder, bei der Korrespondenz mit dem Finanzamt oder wenn er im Internet einen Vertrag abschließen wolle, bei dem seitens des Vertrags­partners die Angabe des Geburtsdatums als zwingende Voraussetzung gefordert werde.

Das Verwal­tungs­gericht gab der Klage statt und verpflichtete die beklagte Stadt, in den Personalausweis und den Pass des Klägers einen konkreten Geburtstag und Geburtsmonat einzutragen. Der Kläger habe zur Wahrung seines Persön­lich­keits­rechts und aus Gründen des im Rechts­s­taatsgebot wurzelnden Grundsatzes der Verhält­nis­mä­ßigkeit einen Anspruch auf Eintragung eines "echten" Geburtsdatums in seinen Ausweis­do­ku­menten. Dies könne z.B. der 1. Januar oder auch ein anderer Tag sein. Auf die Berufung der Beklagten hob das Oberver­wal­tungs­gericht das Urteil des Verwal­tungs­ge­richts auf und wies die Klage ab. Der Kläger habe keinen Anspruch auf Eintragung eines gegriffenen Geburtsdatums - hier in Form eines fiktiven Geburtsmonats und -tags - in seinen Personalausweis oder Reisepass. Schon das Verwal­tungs­gericht habe zutreffend festgestellt, dass aus dem Anspruch auf Ausstellung eines Ausweises oder Passes nach den Vorschriften des Personalausweis- und des Passgesetzes grundsätzlich nur ein Anspruch auf Eintragung der richtigen Daten im Dokument folge. Ein Anspruch des Klägers auf Erfassung eines gegriffenen Geburtsdatums in seinen Ausweis­do­ku­menten folge auch nicht aus unions­recht­lichen Regelungen. Vielmehr existiere sowohl für den Reisepass als auch den Personalausweis (jeweils) eine europäische Verordnung, die die Behandlung unbekannter Geburtsdaten entsprechend der Vorgehensweise der Beklagten ausdrücklich vorsehe.

Ein Verstoß gegen höherrangiges Recht lasse sich vorliegend weder im Hinblick auf die Grundrechte des Grundgesetzes noch in Bezug auf die Unions­grund­rechte feststellen. Die ausschließliche Erfassung wahrer Geburtsdaten und die Eintragung von Platzhaltern für unbekannte Bestandteile dieses Datums seien ohne weiteres geeignet, die hiermit vom Gesetzgeber offensichtlich bezweckte inhaltliche Richtigkeit sämtlicher Perso­na­l­da­ten­ein­tra­gungen in den Ausweis­do­ku­menten bestmöglich zu gewährleisten. Daneben würden mit dieser Vorgehensweise einheitliche Sicher­heits­s­tandards für Pässe und Reisedokumente zum Schutz vor Fälschungen bzw. zur Verhinderung eines Identi­täts­betrugs festgelegt. Mildere, gleich geeignete Mittel seien im Hinblick auf die erstrebte umfassende inhaltliche Richtigkeit der Perso­na­l­da­ten­ein­tra­gungen bereits nicht ersichtlich. Schließlich werde die Grenze der Zumutbarkeit bei der gebotenen Abwägung zwischen der Schwere des Eingriffs und dem Gewicht der sie recht­fer­ti­genden Gründe vorliegend noch gewahrt. Soweit es auf Seiten des Klägers zu Beein­träch­ti­gungen komme, insbesondere in den Bereichen Reisen, Online-Vertrags­ab­schlüsse sowie über das Internet abzugebende Erklärungen gegenüber Behörden, stünden ihm regelmäßig andere Wege offen, um seine Vorhaben umzusetzen, die ihn (noch) nicht über die Maße belasteten. Es sei Sache des Gesetzgebers darüber zu befinden, ob bei weiter voran­schrei­tender Digitalisierung eine Änderung der derzeitigen Gesetzeslage geboten erscheine.

Quelle: Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz, ra-online (pm/pt)

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