18.10.2024
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Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz Beschluss08.12.2022

Polizei Rheinland-Pfalz muss keine Bewerber einstellen, deren Tätowierungen Zweifel an der Verfas­sungstreue begründenTätowierungen auf dem Rücken

Ein Bewerber, bei dem wegen des konkreten Inhalts und der Ausgestaltung seiner (nicht sichtbaren) Tätowierung Zweifel an der charakterlichen Eignung bestehen, hat keinen Anspruch auf Einstellung als Polizeibeamter. Dies entschied das Oberverwaltungs­gericht Rheinland-Pfalz in Koblenz in einem Eilrechts­schutzverfahren.

Der Antragsteller bewarb sich Anfang des Jahres 2022 um die Einstellung in das Beamten­ver­hältnis auf Widerruf als Polizei­kom­missar-Anwärter. Während des Einstel­lungs­ver­fahrens wurde bekannt, dass auf dem Rücken des Antragstellers über die gesamte Schulterbreite die Worte "Loyalty", "Honor", "Respect" und "Family" in der Schriftart "Old English" eintätowiert sind. Die Hochschule der Polizei Rheinland-Pfalz lehnte daraufhin eine Einstellung mit Verweis auf bestehende Zweifel an der charakterlichen Eignung des Antragstellers für den Polizeidienst ab. In Schriftart, Dimension und Aussagegehalt ähnliche Tätowierungen würden von verschiedenen Rocke­r­grup­pie­rungen verwendet. Es entstehe der Gesamteindruck, dass der Träger einer solchen Tätowierung zu einem Ehrenkodex stehe, der sich mit den Werten einer modernen Bürgerpolizei nicht in Einklang bringen lasse. Die daraufhin vom Antragsteller begehrte einstweilige Anordnung auf vorläufige Einstellung in den Polizeidienst lehnte das Verwal­tungs­gericht Trier ab. Das Oberver­wal­tungs­gericht Rheinland-Pfalz bestätigte diese Entscheidung und wies die Beschwerde des Antragstellers zurück.

Zweifel an der charakterlichen Eignung

Die Hochschule der Polizei habe im Rahmen des ihr zukommenden Beurtei­lungs­spielraums eine Einstellung des Antragstellers wegen Zweifeln an seiner charakterlichen Eignung ablehnen dürfen. Allerdings ergebe sich ein Pflichtverstoß heutzutage nicht generell aus dem Tragen einer Tätowierung als solcher. Vielmehr habe sich der Dienstherr an den Anschauungen zu orientieren, die in der Gesellschaft herrschten und dürfe sich dem Wandel der Zeit nicht verschließen. Daher könne ein gesell­schaftlich weitgehend akzeptiertes Aussehen nicht schon allein deshalb untersagt werden, weil es der Dienstherr ungeachtet der gewandelten Verhältnisse weiterhin für unpassend, unästhetisch oder nicht schicklich halte. Erst recht lasse das Vorhandensein von Tätowierungen nicht (mehr) auf die Zugehörigkeit zu einem bestimmten Milieu schließen. Eine andere Beurteilung könne sich aber aus dem konkreten Inhalt und der Ausgestaltung der Tätowierung ergeben, und zwar auch dann, wenn die Tätowierung nicht unmittelbar aus Kennzeichen verfas­sungs­widriger Organisationen bestehe. Gerade für die Einstellung in den Polizeidienst seien hohe Anforderungen an die Gesetzestreue zu stellen, denn die Verhinderung und Verfolgung von Straftaten und Ordnungs­wid­rig­keiten gehörten zu den Kernaufgaben eines Polizeibeamten. Daher dürfe der Dienstherr die Fähigkeit und innere Bereitschaft eines Bewerbers verlangen, die dienstlichen Aufgaben nach den Grundsätzen der Verfassung wahrzunehmen, insbesondere die Freiheitsrechte der Bürger zu wahren und rechts­s­taatliche Regeln einzuhalten. Ob der Antragsteller diese Bereitschaft aufweise, habe der Dienstherr bezweifeln dürfen. Bei der vorzunehmenden Gesamtschau sei mit einzustellen, dass das Schriftbild der Tätowierung in Gestalt der konkret gewählten Schriftart "Old English" Ähnlichkeiten etwa zu dem Schriftzug der verfas­sungs­feind­lichen und seit längerem in Deutschland verbotenen Gruppierung "blood and honour" aufweise. Zudem finde die Wortwahl "Loyalty", "Honor", "Respect" und "Family" eine weitgehende Entsprechung in Inhalten der ebenfalls zwischen­zeitlich zerschlagenen recht­s­ex­tre­mis­tischen Gruppierung "Oldschool Society". Diese Umstände ebenso wie auch die Kombination von gewählter Schriftart und Inhalt der Tätowierung begründeten Zweifel daran, ob der Träger für die Wahrung der Freiheitsrechte der Bürger und die Einhaltung rechts­s­taat­licher Regeln uneingeschränkt einstehe. Als lebensfremd stelle sich die vom Antragsteller zu der Tätowierung abgegebene Erklärung dar, er habe die konkrete Schriftart "Old English" unter anderem deswegen ausgesucht, weil er sich privat für die Geschichte des "britischen Imperiums" interessiere und er dort Verwandtschaft habe. Es stelle sich insbesondere die Frage, warum der Antragsteller sodann bei der Ausgestaltung seiner Tätowierung die amerikanische statt die englische Schreibweise ("honor" statt "honour") gewählt habe. Eine Erklärung hierfür habe er auch im Beschwer­de­ver­fahren nicht gegeben.

Quelle: Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz, ra-online (pm/pt)

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