18.10.2024
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Dokument-Nr. 34433

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Beschluss25.09.2024Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz2 A 11745/17.OVG
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Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz Beschluss25.09.2024

Beamten­be­soldung in Rheinland-Pfalz wegen Verletzung des Mindest­abstands­gebots verfas­sungs­widrig?

Das Ober­verwaltungs­gericht Rheinland-Pfalz hat dem Bundes­verfassungs­gericht die Frage vorgelegt, ob die Besoldung von Beamten in Rheinland-Pfalz in der Besol­dungs­gruppe A 8 in den Jahren 2012 bis 2014 verfas­sungsgemäß gewesen ist.

Das Land Rheinland-Pfalz ist durch das Grundgesetz verpflichtet, seine Beamtinnen und Beamten amtsangemessen zu besolden. Hierbei hat das BVerfG verschiedene Kriterien entwickelt, mit deren Hilfe die Amtsan­ge­mes­senheit der Beamtenbesoldung überprüft werden kann. Dazu gehört unter anderem auch das sog. Minde­st­ab­s­tandsgebot. Dieses besagt, dass bei der Bemessung der Besoldung der qualitative Unterschied zwischen der Grundsicherung, die als staatliche Sozialleistung den Lebensunterhalt von Arbeits­su­chenden sicherstellt, und dem Unterhalt, der erwerbstätigen Beamten geschuldet ist, hinreichend deutlich werden muss. Nach der Rechtsprechung des BVerfG wird der Mindestabstand nicht eingehalten, wenn die Nettoali­men­tation eines Beamten um weniger als 15 % über dem Grund­si­che­rungs­niveau liegt. In dem Berufungs­ver­fahren eines im Dienst des beklagten Landes stehenden Vermes­sungs­haupt­se­kretärs (Besol­dungs­gruppe A 8) ist das OVG nunmehr, wie auch schon das VG Koblenz in einem anderen Fall, zu der Überzeugung gelangt, dass das Minde­st­ab­s­tandsgebot in der Besol­dungs­gruppe A 8 in den Jahren 2012 bis 2014 in Rheinland-Pfalz nicht eingehalten wurde.

Falscher Bemes­sungs­maßstab

Ausgangspunkt zur Bestimmung des hierbei maßgeblichen Nettoali­men­ta­ti­o­ns­niveaus sei weiterhin die aus der bisherigen Besol­dung­s­praxis abgeleitete Bezugsgröße der Allein­ver­die­n­er­familie mit zwei minderjährigen Kindern und nicht - wie vom beklagten Land argumentiert - eine Hinzu­ver­die­n­er­familie, bei der zu den Besol­dungs­bezügen noch ein Partne­rein­kommen im Umfang einer geringfügigen Beschäftigung hinzugerechnet werde.

Auch für die hier streit­ge­gen­ständ­lichen Jahre 2012 bis 2014 sei nach den gesetzlichen Regelungen und der insoweit maßgeblichen Geset­zes­be­gründung davon auszugehen, dass der Landes­be­sol­dungs­ge­setzgeber das Grundgehalt von vornherein so bemessen habe, dass - zusammen mit den Famili­en­zu­schlägen für den Ehepartner und die ersten beiden Kinder - eine bis zu vierköpfige Familie unterhalten werden könne. Ausgehend hiervon sei das Minde­st­ab­s­tandsgebot in der zur Prüfung stehenden Besol­dungs­gruppe A 8 deutlich verletzt worden. So habe sich im Jahr 2012 das Grund­si­che­rungs­niveau auf 25.607,52 Euro belaufen. Die danach gebotene Minde­sta­li­men­tation eines Beamten betrage 29.448,65 Euro (115 % von 25.607,52 Euro). Die Nettoali­men­tation in der Besol­dungs­gruppe A 8 habe jedoch lediglich 27.977,56 Euro ausgemacht und sei deshalb 1.471,09 Euro hinter der verfas­sungs­rechtlich gebotenen Minde­sta­li­men­tation zurückgeblieben, was einem relativen Fehlbetrag von rd. 5 % entspreche. Im Jahr 2013 sei der Fehlbetrag auf 1.843,76 Euro (rd. 6,1 %) und im Jahr 2014 auf 2.107,18 Euro (rd. 6,9 %) angestiegen. Dieser Verstoß gegen das Minde­st­ab­s­tandsgebot in der zur Überprüfung gestellten Besol­dungs­gruppe selbst sei keiner Rechtfertigung zugänglich. Inwiefern kollidierende verfas­sungs­rechtliche Wertungen eine Unterschreitung des Mindestabstands zum Grund­si­che­rungs­niveau in der zur Überprüfung gestellten Besol­dungs­gruppe rechtfertigen könnten, sei nicht erkennbar.

Die Verpflichtung der Länder zur Haushalts­kon­so­li­dierung könne eine Einschränkung des Grundsatzes auf angemessene Alimentation zwar grundsätzlich rechtfertigen. Bei Zurückbleiben der Besoldung "selbst hinter dem Minde­st­ab­s­tandgebot liege dies jedoch anders", betont das OVG. Das Grund­si­che­rungs­niveau dürfe als "Urmeter des Besol­dungs­rechts" nicht unterschritten werden. Eine die "drastische Unter­a­li­men­tation" der Besol­dungs­gruppe möglicherweise rechtfertigende Ausnah­me­si­tuation (beispielsweise aufgrund einer Natur­ka­ta­s­trophe oder einer außer­ge­wöhn­lichen Notsituation, die sich der Kontrolle des Staates entzieht und die staatliche Finanzlage erheblich beeinträchtigt), habe auch nicht vorgelegen.

Da es dem OVG verwehrt ist, die Verfassungswidrigkeit der vom Gesetzgeber geschaffenen Besol­dungs­re­ge­lungen selbst verbindlich festzustellen, hat der Senat das Berufungs­ver­fahren ausgesetzt und dem hierfür zuständigen BVerfG zur Entscheidung vorgelegt.

Quelle: Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz, ra-online (pm/ab)

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