An einem heißen Augusttag war der Junge zu einem benachbarten Bauernhof gegangen, wo er sich öfters aufhielt. Nach einer "Wasserschlacht" mit anderen Kindern wollte er ausprobieren, ob ein Feuerzeug, das er gegen das ausdrückliche Verbot seiner Eltern bei sich führte, noch funktionierte. Er hob deshalb vor einer mit Stroh gefüllten Scheune einen Halm auf und zündete ihn mit dem Feuerzeug an. Weil der Strohhalm sehr trocken war, brannte er so schnell ab, dass ihn der Junge vor Schreck fallen ließ. Der Halm entzündete das Stroh vor der Scheune und gelangte in Sekundenschnelle in das Innere des Gebäudes, das vollständig in Brand geriet. Zur Brandbekämpfung wurden insgesamt 83 Feuerwehrleute mit Fahrzeugen eingesetzt, der Gesamtschaden belief sich auf etwa 500.000,00 €.
In dem vorliegenden Verwaltungsrechtsstreit ging es um den Kostenersatz für die Feuerwehr in Höhe von rund 20.500,00 €. Gegen den Kostenbescheid erhob der Junge, vertreten durch seine Eltern, Klage vor dem Verwaltungsgericht Koblenz. Dieses wies die Klage jedoch im Wesentlichen ab. Dagegen hob das Oberverwaltungsgericht in der Berufungsinstanz jetzt den angefochtenen Kostenbescheid auf.
Die umstrittenen Feuerwehrkosten könnten von dem Jungen nicht verlangt werden, weil dieser den Schaden weder vorsätzlich noch grob fahrlässig herbeigeführt habe, befand das Oberverwaltungsgericht. Für die grobe Fahrlässigkeit sei bei Kindern auf die Verstandesreife abzustellen, die allgemein in der betreffenden Altersgruppe zu erwarten sei. Es komme deshalb darauf an, ob ein normal entwickelter Junge im Alter von neun Jahren die Gefahr hätte voraussehen und dieser Einsicht gemäß hätte handeln können und müssen.
Nach dem im Prozess eingeholten Gutachten eines Diplom-Psychologen kamen die Richter des Oberverwaltungsgerichts zu dem Ergebnis, dass dies hier nicht der Fall war. Der Junge habe sich so auf die Funktionsfähigkeit des nassen Feuerzeuges konzentriert, dass er sich höchstwahrscheinlich der Gefahr nicht bewusst gewesen sei. Dies entspreche in der gegebenen Situation einem vom Gutachter überzeugend herausgestellten "alterstypischen Egozentrismus“ und einer daraus folgenden Selbstüberschätzung. Der Junge habe, gemessen am Maßstab seiner kindlichen Erkenntnismöglichkeiten, nicht leichtfertig gehandelt, sondern offenbar die mögliche Gefahr "völlig ausgeblendet". Die Richter betonten dabei die Besonderheiten des hier vorliegenden Falles, die ihn von anderen Sachverhalten unterscheiden.
Die Revision zum Bundesverwaltungsgericht wurde nicht zugelassen.
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 07.04.2005
Quelle: ra-online, OVG Rheinland-Pfalz