18.10.2024
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Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz Urteil22.03.2005

Neunjähriger Junge zündete Scheune an - er muss den Feuer­wehr­einsatz nicht bezahlenOVG: Neunjähriger handelte nicht grob fahrlässig

Ein neunjähriger Junge handelte bei einem von ihm verursachten Scheunenbrand ohne grobe Fahrlässigkeit und muss daher für die Kosten des Feuer­wehr­ein­satzes nicht aufkommen. So entschied das Oberver­wal­tungs­gericht Rheinland-Pfalz in Koblenz.

An einem heißen Augusttag war der Junge zu einem benachbarten Bauernhof gegangen, wo er sich öfters aufhielt. Nach einer "Wasser­schlacht" mit anderen Kindern wollte er ausprobieren, ob ein Feuerzeug, das er gegen das ausdrückliche Verbot seiner Eltern bei sich führte, noch funktionierte. Er hob deshalb vor einer mit Stroh gefüllten Scheune einen Halm auf und zündete ihn mit dem Feuerzeug an. Weil der Strohhalm sehr trocken war, brannte er so schnell ab, dass ihn der Junge vor Schreck fallen ließ. Der Halm entzündete das Stroh vor der Scheune und gelangte in Sekun­den­schnelle in das Innere des Gebäudes, das vollständig in Brand geriet. Zur Brand­­be­kämpfung wurden insgesamt 83 Feuerwehrleute mit Fahrzeugen eingesetzt, der Gesamt­schaden belief sich auf etwa 500.000,00 €.

In dem vorliegenden Verwal­tungs­rechtsstreit ging es um den Kostenersatz für die Feuerwehr in Höhe von rund 20.500,00 €. Gegen den Kostenbescheid erhob der Junge, vertreten durch seine Eltern, Klage vor dem Verwal­tungs­gericht Koblenz. Dieses wies die Klage jedoch im Wesentlichen ab. Dagegen hob das Oberver­wal­tungs­gericht in der Berufungs­instanz jetzt den angefochtenen Kostenbescheid auf.

Die umstrittenen Feuerwehrkosten könnten von dem Jungen nicht verlangt werden, weil dieser den Schaden weder vorsätzlich noch grob fahrlässig herbeigeführt habe, befand das Oberver­wal­tungs­gericht. Für die grobe Fahrlässigkeit sei bei Kindern auf die Verstandesreife abzustellen, die allgemein in der betreffenden Altersgruppe zu erwarten sei. Es komme deshalb darauf an, ob ein normal entwickelter Junge im Alter von neun Jahren die Gefahr hätte voraussehen und dieser Einsicht gemäß hätte handeln können und müssen.

Nach dem im Prozess eingeholten Gutachten eines Diplom-Psychologen kamen die Richter des Oberver­wal­tungs­ge­richts zu dem Ergebnis, dass dies hier nicht der Fall war. Der Junge habe sich so auf die Funkti­o­ns­fä­higkeit des nassen Feuerzeuges konzentriert, dass er sich höchst­wahr­scheinlich der Gefahr nicht bewusst gewesen sei. Dies entspreche in der gegebenen Situation einem vom Gutachter überzeugend heraus­ge­stellten "alterstypischen Egozentrismus“ und einer daraus folgenden Selbst­über­schätzung. Der Junge habe, gemessen am Maßstab seiner kindlichen Erkennt­nis­mög­lich­keiten, nicht leichtfertig gehandelt, sondern offenbar die mögliche Gefahr "völlig ausgeblendet". Die Richter betonten dabei die Besonderheiten des hier vorliegenden Falles, die ihn von anderen Sachverhalten unterscheiden.

Die Revision zum Bundes­ver­wal­tungs­gericht wurde nicht zugelassen.

Quelle: ra-online, OVG Rheinland-Pfalz

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