Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen Beschluss28.04.2022
Eltern müssen bei Schulverweigerung erzieherisch auf Kind einwirkenWille des Kindes und Recht des Kindes auf gewaltfreie Erziehung stehen dem nicht entgegen
Weigert sich ein schulpflichtiges Kind am Präsenzunterricht teilzunehmen, müssen die Eltern erzieherisch auf das Kind einwirken. Der Wille des Kindes und das Recht des Kindes auf gewaltfreie Erziehung stehen dem nicht entgegen. Dies hat das Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen entschieden.
Dem Fall lag folgender Sachverhalt zugrunde: Die in Nordrhein-Westfalen wohnhaften Eltern eines achtjährigen Sohnes erhielten im August 2021 eine sofortige Schulbesuchsaufforderung der zuständigen Behörde. Hintergrund dessen war, dass das Kind sich weigerte am Präsenzunterricht teilzunehmen. Die Eltern beantragten gegen den Bescheid Eilrechtsschutz. Sie meinten, dass ihnen aufgrund des Selbstbestimmungsrecht des Kindes und seines Rechts auf gewaltfreie Erziehung keine Einwirkungsmöglichkeiten zur Verfügung stehen. Das Verwaltungsgericht Düsseldorf wies den Antrag zurück. Dagegen richtete sich die Beschwerde der Eltern.
Rechtmäßigkeit der Schulbesuchsaufforderung
Das Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen bestätigte die Entscheidung des Verwaltungsgerichts. Der Rechtmäßigkeit der Schulbesuchsaufforderung stehe nicht das Selbstbestimmungsrechts des Kindes und sein Recht auf gewaltfreie Erziehung entgegen. Es sei zu beachten, dass der von dem Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit geschützte Kindeswille nicht absolut gelte, sondern durch das Elternrecht, den staatlichen Erziehungsauftrag und das Recht auf Bildung beschränkt werde.
Keine Verpflichtung zur Anwendung von Gewalt
Es sei unzutreffend, so das Oberverwaltungsgericht, dass den Eltern die auferlegte Verpflichtung unmöglich sei, weil sie zwingend physische oder psychische Gewalt anwenden müssen, um den Willen des Kindes zu beugen. Die Schulbesuchsaufforderung gebiete den Eltern nicht, sich mit illegalen oder rechtlich fragwürdigen Mittlen für eine regelmäßige Teilnahme des Kindes am Unterricht einzusetzen. Vielmehr müssen die Eltern kraft ihrer Stellung als Erziehungsberechtigte und aufgrund der häuslichen Wohngemeinschaft erzieherisch auf das Kind einwirken.
Pflicht zur Hilfe durch Jugendamt oder Fachexperten
Es sei nach Auffassung des Oberverwaltungsgerichts nicht Aufgabe der Gerichte, den Eltern Handlungsempfehlungen an die Hand zu geben, mit welchen Mitteln eine gewaltfreie Erziehung im Einzelnen ausgestaltet werden kann. Es komme aber insoweit in Betracht, beim Jugendamt um Erziehungshilfe nachzusuchen oder sonstige fachkundige Experten zu befragen.
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 25.03.2025
Quelle: Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen, ra-online (vt/rb)