Dokument-Nr. 34641
Permalink https://urteile.news/
Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen Urteil27.11.2024
Geschwisterregelungen beim Elternbeitrag gelten auch für Halbgeschwister
Besuchen Halbgeschwister, die mit dem gemeinsamen Elternteil zusammenleben, gleichzeitig im Stadtgebiet Kindertageseinrichtungen, sind bei der Festsetzung von Elternbeiträgen hierfür satzungsrechtliche Geschwisterermäßigungen oder -befreiungen zu berücksichtigen; dies gilt unabhängig davon, ob die Halbgeschwister neben dem gemeinsamen Elternteil auch mit dem anderen Elternteil des einen Kindes in häuslicher Gemeinschaft zusammenleben. Das hat das Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen entschieden und damit eine Entscheidung des Verwaltungsgerichts Arnsberg geändert.
Die gemeinsame, im Juli 2019 geborene Tochter der Kläger nahm im Schuljahr 2021/2022 das Betreuungsangebot einer Kindertageseinrichtung in der beklagten Stadt Witten wahr. Mit ihr und ihren Eltern lebte seinerzeit ein weiteres von der Klägerin, nicht aber vom Kläger abstammendes Kind in der gemeinsamen Wohnung, das dieselbe Kindertageseinrichtung besuchte, wofür wegen Vollendung des vierten Lebensjahres aufgrund einer landesrechtlichen Bestimmung kein Elternbeitrag zu leisten war. Die Stadt setzte gegenüber den Klägern auf Basis ihres gemeinsamen Jahreseinkommens einen monatlichen Elternbeitrag in Höhe von 313 Euro fest. Hier- gegen wandten sich die Kläger und beriefen sich auf eine Vorschrift der Elternbeitragssatzung (im Folgenden nur: Satzung) der beklagten Stadt. Danach entfällt bei Eingreifen einer landesrechtlich - für die letzte Zeit in Tagesbetreuung vor der Einschulung - im Kinderbildungsgesetz (KiBiz) angeordneten Beitragsbefreiung "auch der Beitrag für das zweite und jedes weitere Kind". Diese Regelung folgt auf eine in sonstigen Fällen maßgebliche "Geschwisterregelung" in der Satzung, wonach "nur ein Beitrag zu leisten" ist, wenn "aus einer Familie […] mehr als ein Kind Betreuungsangebote […] in Anspruch" nimmt. Die auf Aufhebung der Beitragsfestsetzung gerichtete Klage wies das Verwaltungsgericht Arnsberg ab. Die dagegen eingelegte Berufung der Kläger hatte vor dem Oberverwaltungsgericht Erfolg.
Der 12. Senat hat zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen angeführt: Das gemeinsame Kind der Kläger ist als weiteres Kind der Familie im Sinne der Geschwisterregelungen in der Satzung zu berücksichtigen. Die Gemeinschaft zweier leiblicher Kinder derselben Mutter mit dieser und deren neuem Partner, der Vater nur eines der beiden Kinder ist, ist bereits unter Zugrundelegung eines verfassungsrechtlichen Begriffsverständnisses als eine Familie anzusehen. Ein anderes Verständnis des Familien- bzw. Geschwisterbegriffs lässt sich weder der städtischen Satzung noch höherrangigem Recht entnehmen. Die auf einer Ermächtigung des Landesgesetzgebers beruhende allgemeine Geschwisterregelung in der Satzung - bei mehreren Kindern nur ein Elternbeitrag - entspricht im Kern einer früheren landesgesetzlichen Regelung. Dieser lag allgemein eine Entlastung von Familien mit mehreren Kindern zugrunde, ohne dass etwa nach Voll- oder Halbgeschwistern unterschieden wurde. Bei dem Umstand, dass mehrere mit einem oder beiden Elternteilen in einem Haushalt zusammenlebende Kinder Angebote der Tagesbetreuung in Anspruch nehmen, für die jedenfalls der gemeinsame Elternteil grundsätzlich beitragspflichtig wäre, handelt es sich um einen Gesichtspunkt der sozialen Staffelung der Kostenbei- träge. Diese ist sowohl im Bundes- als auch im Landesrecht angelegt und ermöglicht neben der - mit dem Einkommen korrespondierenden - wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der Beitragspflichtigen auch die Berücksichtigung anderer Aspekte wie der Zahl der im gemeinsamen Haushalt lebenden und in Kindertageseinrichtungen zu betreuenden Kinder. Vor diesem Hintergrund kommt eine Differenzierung danach, dass beide Kläger für das mit ihnen zusammenlebende gemeinsame Kind beitrags- pflichtig sind, während das ältere Kind allein von der Klägerin abstammt und nur diese insoweit beitragspflichtig sein kann, nicht in Betracht.
Das Oberverwaltungsgericht hat die Revision nicht zugelassen. Dagegen kann Beschwerde zum Bundesverwaltungsgericht eingelegt werden.
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 13.12.2024
Quelle: Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen, ra-online (pm/pt)
Urteile sind im Originaltext meist sehr umfangreich und kompliziert formuliert. Damit sie auch für Nichtjuristen verständlich werden, fasst urteile.news alle Entscheidungen auf die wesentlichen Kernaussagen zusammen. Wenn Sie den vollständigen Urteilstext benötigen, können Sie diesen beim jeweiligen Gericht anfordern.
Wenn Sie einen Link auf diese Entscheidung setzen möchten, empfehlen wir Ihnen folgende Adresse zu verwenden: https://urteile.news/Urteil34641
Bitte beachten Sie, dass im Gegensatz zum Verlinken für das Kopieren einzelner Inhalte eine explizite Genehmigung der ra-online GmbH erforderlich ist.