Oberverwaltungsgericht Mecklenburg-Vorpommern Beschluss29.08.2006
Ende des "Führerscheintourismus" - Bei Verdacht der rechtsmissbräuchlichen Verwendung der EU-Fahrerlaubnis ist Überprüfung zulässigOberverwaltungsgericht Mecklenburg-Vorpommern trifft Grundsatzentscheidung
Das Oberverwaltungsgericht Mecklenburg-Vorpommern hat vor kurzem eine grundsätzliche Entscheidung zum sogenannten "Führerscheintourismus" getroffen. Hiervon spricht man plakativ, wenn jemand, dem in Deutschland die Fahrerlaubnis entzogen wurde, zum Erwerbeiner neuen Fahrerlaubnis in andere Staaten der Europäischen Union ausweicht; die dort erworbene Fahrerlaubnis berechtigt dann grundsätzlich auch zum Führen von Fahrzeugen in allen anderen Mitgliedsstaaten, also auch in Deutschland.
Das Gericht hat in seinem Beschluss ausgeführt, dass nach Maßgabe des in der Führerschein- Richtlinie (Richtlinie 91/439/EWG) niedergelegten Grundsatzes der gegenseitigen Anerkennung und der hierzu vorliegenden Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes grundsätzlich keine Befugnis der deutschen Behörden bestehe, im Hinblick auf vor dem Erwerb der ausländischen Fahrerlaubnis eingetretene Umstände (z.B. Trunkenheit im Straßenverkehr) einen Eignungsnachweis zu verlangen.
Die deutschen Behörden könnten jedoch in Fällen eines rechtsmissbräuchlichen Erwerbs der Fahrerlaubnis ausnahmsweise einen Eignungsnachweis nach deutschem Recht verlangen, weil dann dem Fahrerlaubnisinhaber die Berufung auf den Anerkennungsgrundsatz verwehrt sei. Die Annahme eines rechtsmissbräuchlichen Erwerbs setze indes greifbare tatsächliche, objektive Anhaltspunkte dafür voraus, dass der Erwerb der ausländischen EU-Fahrerlaubnis erfolgt sei, um die nationalen Bestimmungen für die Wiedererteilung einer zuvor entzogenen Fahrerlaubnis zu umgehen. In jedem Fall sei eine entsprechende Einzelfallprüfung durch die Behörde erforderlich. Von einem Rechtsmissbrauch (im zu entscheidenden Fall bejaht) könne etwa ausgegangen werden, wenn feststehe, dass der Fahrerlaubnisinhaber die Behörden des ausstellenden Mitgliedsstaates über seine Fahreignung getäuscht habe und auch kein Zusammenhang mit den Zielen der Führerschein-Richtlinie bestehe, es also z. B. nicht darum gehe, einer Person, die sich aus beruflichen Gründen in einem anderen Mitgliedsstaat als dem niederlasse, in dem sie ihre Fahrprüfung abgelegt habe, die Aufnahme ihrer beruflichen Tätigkeit zu erleichtern.
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 29.09.2006
Quelle: ra-online, Pressemitteilung des OVG Mecklenburg-Vorpommern vom 11.09.2006