Dem Fall lag folgender Sachverhalt zugrunde: Im Jahr 1993 lieh sich ein 16 Jahre alter Schüler neun Bücher aus der Staats- und Universitätsbibliothek Bremen aus. Er benötigte die Bücher für ein Schülerreferat. Nachdem der Schüler die Leihfrist überschritt, wurde er zweimal angemahnt. Da er auf die Mahnungen nicht reagierte, wurde gegen ihn ein Entgeltbescheid erhoben. Dieser forderte ihn zur Zahlung einer Strafgebühr in Höhe von 384 DM auf. Der Schüler weigerte sich dem nachzukommen, berief sich auf den Minderjährigenschutz und erhob Klage.
Das Oberverwaltungsgericht Bremen entschied gegen den Schüler. Er habe die Strafgebühr zahlen müssen, da der Entgeltbescheid rechtmäßig gewesen sei.
Dem Entgeltbescheid habe nicht entgegengestanden, so das Oberverwaltungsgericht weiter, dass der Schüler erst knapp 17 Jahre alt und nach dem bürgerlichen Recht nur beschränkt geschäftsfähig war. Er sei nämlich nach § 12 I Nr. 2 Verwaltungsverfahrensgesetz Bremen als handlungsfähig anzusehen gewesen. Er habe daher die Fähigkeit besessen, in Rahmen der Nutzung der Staats- und Universitätsbibliothek rechtlich bedeutsame Verfahrenshandlungen vorzunehmen und entgegenzunehmen. Weder die Benutzungs- noch die Entgeltordnung habe eine Einschränkung hinsichtlich solcher Personen enthalten, die nach dem bürgerlichen Recht nicht voll geschäftsfähig waren.
Es habe nach Ansicht des Oberverwaltungsgerichts auch keine Regelungslücke vorgelegen. Denn die Fähigkeit am Rechtsleben teilzunehmen, sei in vielen Bereichen des öffentlichen Rechts anders geregelt als im bürgerlichen Recht. Ein auf allen Gebieten des privaten und öffentlichen Rechts gleichgestalteten Minderjährigenschutz gebe es nicht. Es sei dem Gesetzgeber überlassen, ob und in welcher Weise er den Minderjährigen vor den Risiken des Lebens einschließlich der Gefahren wegen seiner geschäftlichen Unerfahrenheit schützen will.
Nach Auffassung des Oberverwaltungsgerichts seien die aus dem Benutzungsverhältnis resultierenden Pflichten und Rechte leicht überschaubar und verständlich gewesen. Es sei zudem für einen 16jährigen Schüler mit durchschnittlichen intellektuellen Fähigkeiten ohne weiteres einsichtig, dass die vereinbarte Leihfrist nicht überschritten werden darf.
Darüber hinaus hielt das Oberverwaltungsgericht es für nicht sachgerecht, die Benutzung der Bibliothek durch einen 16 oder 17jährigen Jugendlichen von der Zustimmung der Eltern abhängig zu machen. Denn dies würde seiner Selbstbestimmungsfähigkeit und seinen Interessen widersprechen. Gerade im Rahmen der schulischen Bildung sei der Jugendliche auf die Nutzung der Bibliothek angewiesen. Zudem sei er angesichts seines fortgeschrittenen Alters auch fähig, eigenständig darüber zu entscheiden, ob er die auf Wissensaneignung zielenden Leistungen der Bibliothek nutzen will.
Schließlich sei es nach Einschätzung des Oberverwaltungsgerichts auch nicht verfassungsrechtlich geboten gewesen, jegliche nachteilige Inanspruchnahme des Minderjährigen auszuschließen. Es erscheine unbillig, ihm im Rahmen des Benutzungsverhältnisses alle Rechte einzuräumen, Verletzungen der damit einhergehenden Pflichten aber sanktionslos zu lassen. Zudem sei zu beachten gewesen, dass die Höhe der Strafgebühr nicht unverhältnismäßig hoch war.
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 06.12.2013
Quelle: Oberverwaltungsgericht Bremen, ra-online (zt/NJW 1998, 3583/rb)