18.10.2024
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Dokument-Nr. 14866

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Urteil21.10.1997Oberverwaltungsgericht Bremen1 BA 14/97
passende Fundstellen in der Fachliteratur:
  • NJW 1998, 3583Zeitschrift: Neue Juristische Wochenschrift (NJW), Jahrgang: 1998, Seite: 3583
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Oberverwaltungsgericht Bremen Urteil21.10.1997

Minderjähriger muss Strafgebühren wegen Überschreitung der Leihfrist zahlenMinder­jährigen­schutz des BGB gilt nicht

Leiht sich ein Minderjähriger Bücher aus einer Staats­bi­bliothek aus, so muss er auch grundsätzlich die Strafgebühr wegen der Überschreitung der Leihfrist zahlen. Der Minder­jährigen­schutz des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) kommt in einem solchen Fall nicht zur Anwendung. Dies geht aus einer Entscheidung des Ober­verwaltungs­gerichts Bremen hervor.

Dem Fall lag folgender Sachverhalt zugrunde: Im Jahr 1993 lieh sich ein 16 Jahre alter Schüler neun Bücher aus der Staats- und Univer­si­täts­bi­bliothek Bremen aus. Er benötigte die Bücher für ein Schülerreferat. Nachdem der Schüler die Leihfrist überschritt, wurde er zweimal angemahnt. Da er auf die Mahnungen nicht reagierte, wurde gegen ihn ein Entgeltbescheid erhoben. Dieser forderte ihn zur Zahlung einer Strafgebühr in Höhe von 384 DM auf. Der Schüler weigerte sich dem nachzukommen, berief sich auf den Minder­jäh­ri­gen­schutz und erhob Klage.

Entgeltbescheid war rechtmäßig

Das Oberver­wal­tungs­gericht Bremen entschied gegen den Schüler. Er habe die Strafgebühr zahlen müssen, da der Entgeltbescheid rechtmäßig gewesen sei.

Keine Anwendung des Minder­jäh­ri­gen­schutz des BGB

Dem Entgeltbescheid habe nicht entge­gen­ge­standen, so das Oberver­wal­tungs­gericht weiter, dass der Schüler erst knapp 17 Jahre alt und nach dem bürgerlichen Recht nur beschränkt geschäftsfähig war. Er sei nämlich nach § 12 I Nr. 2 Verwal­tungs­ver­fah­rens­gesetz Bremen als handlungsfähig anzusehen gewesen. Er habe daher die Fähigkeit besessen, in Rahmen der Nutzung der Staats- und Univer­si­täts­bi­bliothek rechtlich bedeutsame Verfah­rens­hand­lungen vorzunehmen und entge­gen­zu­nehmen. Weder die Benutzungs- noch die Entgeltordnung habe eine Einschränkung hinsichtlich solcher Personen enthalten, die nach dem bürgerlichen Recht nicht voll geschäftsfähig waren.

Kein Vorliegen einer Regelungslücke

Es habe nach Ansicht des Oberver­wal­tungs­ge­richts auch keine Regelungslücke vorgelegen. Denn die Fähigkeit am Rechtsleben teilzunehmen, sei in vielen Bereichen des öffentlichen Rechts anders geregelt als im bürgerlichen Recht. Ein auf allen Gebieten des privaten und öffentlichen Rechts gleich­ge­stalteten Minder­jäh­ri­gen­schutz gebe es nicht. Es sei dem Gesetzgeber überlassen, ob und in welcher Weise er den Minderjährigen vor den Risiken des Lebens einschließlich der Gefahren wegen seiner geschäftlichen Unerfahrenheit schützen will.

Folgen einer Frist­über­schreitung für Schüler erkennbar

Nach Auffassung des Oberver­wal­tungs­ge­richts seien die aus dem Benut­zungs­ver­hältnis resultierenden Pflichten und Rechte leicht überschaubar und verständlich gewesen. Es sei zudem für einen 16jährigen Schüler mit durch­schnitt­lichen intellektuellen Fähigkeiten ohne weiteres einsichtig, dass die vereinbarte Leihfrist nicht überschritten werden darf.

Keine Zustim­mungs­pflicht der Eltern

Darüber hinaus hielt das Oberver­wal­tungs­gericht es für nicht sachgerecht, die Benutzung der Bibliothek durch einen 16 oder 17jährigen Jugendlichen von der Zustimmung der Eltern abhängig zu machen. Denn dies würde seiner Selbst­be­stim­mungs­fä­higkeit und seinen Interessen widersprechen. Gerade im Rahmen der schulischen Bildung sei der Jugendliche auf die Nutzung der Bibliothek angewiesen. Zudem sei er angesichts seines fortge­schrittenen Alters auch fähig, eigenständig darüber zu entscheiden, ob er die auf Wissens­a­n­eignung zielenden Leistungen der Bibliothek nutzen will.

Kein Ausschluss jeglicher Nachteile

Schließlich sei es nach Einschätzung des Oberver­wal­tungs­ge­richts auch nicht verfas­sungs­rechtlich geboten gewesen, jegliche nachteilige Inanspruchnahme des Minderjährigen auszuschließen. Es erscheine unbillig, ihm im Rahmen des Benut­zungs­ver­hält­nisses alle Rechte einzuräumen, Verletzungen der damit einhergehenden Pflichten aber sanktionslos zu lassen. Zudem sei zu beachten gewesen, dass die Höhe der Strafgebühr nicht unver­hält­nismäßig hoch war.

Quelle: Oberverwaltungsgericht Bremen, ra-online (zt/NJW 1998, 3583/rb)

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