18.10.2024
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Sie sehen eine rote Rose, welche in einer Pfütze liegt.

Dokument-Nr. 3589

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Oberlandesgericht Zweibrücken Beschluss23.02.2006

Ausschla­gungsfrist einer ErbschaftAmtsermittlung der Umstände für eine Kenntnis des Erbfalls

Ein Erbe hat sechs Wochen Zeit die Erbschaft auszuschlagen. Die Frist beginnt nicht mit dem Tod des Erblassers an zu laufen, sondern mit dem Zeitpunkt, in welchem der Erbe von dem Erbfall Kenntnis erlangt. Diesen Zeitpunkt muss ein Nachlassgericht von Amts wegen ermitteln. Das hat das Oberlan­des­gericht Zweibrücken entschieden.

Im Fall hatte das Nachlassgericht den jüngsten Sohn einer verstorbenen Frau aufgrund gesetzlicher Erbfolge als Erben angesehen, da ein Testament nicht vorhanden war. Die anderen Kinder der Erblasserin hatten bereits das Erbe ausgeschlagen. Der zuständige Rechtspfleger wollte daher den Erbschein auf den jüngsten Sohn ausstellen und teilte ihm dies mit Schreiben vom 11. März 2004 mit. Vor einem Notar erklärte der Sohn am 20. April 2004 seinerseits die Ausschlagung. Diese notariell beglaubigte Erklärung ging beim Nachlassgericht am 18. Mai 2004 ein. Zu spät meinte, der Rechtspfleger. Die Sechs­wo­chenfrist sei bereits verstrichen.

Ein Gläubiger der verstorbenen Frau hatte die Erteilung eines Erbscheins beantragt, da er gegen den Sohn eine Forderung in Höhe von 13.361 EUR vollstrecken wollte. Per Vorbescheid kündigte der Rechtspfleger an, den Erbschein auf den Sohn ausstellen zu wollen. Hiergegen wehrte sich der Sohn gerichtlich. Er wollte keinesfalls das überschuldete Erbe antreten und für die Schulden von über 13.000 EUR aufkommen.

Nachdem seine Beschwerde beim Landgericht ohne Erfolg geblieben war, erhob er vor dem Oberlan­des­gericht Zweibrücken eine weitere Beschwerde. Dieses hob mit seinem Beschluss die Entscheidung des Nachlass­ge­richts auf und verwies die Sache zurück.

Stehe eine Berufung des Erben kraft Gesetzes in Rede und sei der Erblasser nicht dauernd testierunfähig, könne der gesetzliche Erbe von dieser Berufung nie mit absoluter Gewissheit Kenntnis haben, weil stets die Möglichkeit bestünde, dass der Erblasser ein noch unbekanntes eigenhändiges Testament nieder­ge­schrieben habe.

Deswegen sei nach einhelliger Auffassung in Rechtsprechung und Literatur bei gesetzlicher Erbfolge Kenntnis des Berufungs­grundes grundsätzlich schon dann anzunehmen, wenn dem gesetzlichen Erben die Famili­en­ver­hältnisse bekannt seien und er nach den Gesamtumständen keine begründete Vermutung haben könne oder habe, dass eine ihn ausschließende letztwillige Verfügung vorhanden sei. Andererseits könne selbst bei einem nahen Angehörigen des Erblassers die nötige Kenntnis von seiner Berufung als gesetzlicher Erbe fehlen, wenn die Bande innerhalb der Familie vor dem Erbfall über längere Zeit abgerissen waren und er deshalb hinsichtlich des letzten Willens des Erblassers und zum Vorhandensein einer Verfügung von Todes wegen auf bloße Mutmaßungen ohne realen Hintergrund angewiesen sei.

Letztlich liege die Frage, ob und wann ein Erbe hinlänglich sichere Kenntnis vom Anfall der Erbschaft sowie vom Grunde der Berufung erlangt habe auf tatsächlichem Gebiet und sei stets nach den gesamten Umständen des Einzelfalles, insbesondere nach der Persönlichkeit des Erben, zu beurteilen.

Wann die Ausschla­gungsfrist zu laufen beginne und ob eine Ausschla­gungs­er­klärung fristgerecht beim Nachlassgericht eingegangen sei, hätten die Tatgerichte im Erbscheins­ver­fahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit nach § 2358 Abs. 1 BGB, § 12 FGG von Amts wegen zu ermitteln. Führten die Aufklä­rungs­be­mü­hungen hinsichtlich der Wahrung der Ausschla­gungsfrist zu keinem eindeutigen Ergebnis, wirkte sich dies zum Nachteil des Gegners des Ausschlagenden aus, weil dieser insoweit die materielle Feststel­lungslast trage.

Außerdem habe der Sohn keinen Kontakt mehr zu seiner Mutter gehabt, so dass er möglicherweise plausiblen Anlass hatte, anzunehmen, er sei durch seine Mutter enterbt worden. War der familiäre Umgang vor dem Erbfall über längere Zeit abgebrochen und hatte der Sohn deshalb keine Kenntnis über die Lebensumstände und Vorstellungen der Mutter, könne dies der Annahme entgegenstehen, er habe die für eine Ausschla­gungs­ent­scheidung in Betracht kommenden Umstände hinreichend sicher gekannt.

Quelle: ra-online

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