18.10.2024
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Dokument-Nr. 29786

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Beschluss23.11.2020Oberlandesgericht Zweibrücken3 W 58/20
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Oberlandesgericht Zweibrücken Beschluss23.11.2020

Keine Gerichts­ge­bühren für Betreu­ungs­ver­fahren bei "Behinderten­testament"Pfälzisches Oberlan­des­gericht stärkt die Rechte von Betreuten

Das Oberlan­des­gericht hat entschieden, dass Betreute, die eine Erbschaft im Rahmen eines sog. "Behinderten­testaments" gemacht haben, nicht für Gerichts­ge­bühren für ihr Betreu­ungs­ver­fahren heranzuziehen sind.

Nach einer Vorschrift im GNotKG (Nr. 11101 des Kosten­ver­zeich­nisses im GNotKG) ist eine wertabhängige Jahresgebühr für jedes angefangene Kalenderjahr einer Dauerbetreuung zu erheben, sofern die Betreuung das Vermögen zum Gegenstand hat und das Vermögen nach Abzug der Verbind­lich­keiten mehr als 25.000 € beträgt. Ein selbst genutztes Hausgrundstück wird hierbei nicht mitgerechnet. Im hiesigen Fall war der Betreute mittels eines sog. "Behin­der­ten­tes­taments" nicht befreiter Vorerbe eines Vermögens von über 500.000 € seiner Eltern geworden und sollte zu einer jährlichen Gerichtsgebühr von 1.320 € herangezogen werden. Der Nachlass unterliegt einer Dauer­tes­ta­ments­voll­streckung und sowohl die Vermö­gens­substanz als auch die Vermö­gen­s­erträge sind dadurch dem Betreuten entzogen; allein der Testa­ments­voll­strecker kann im Rahmen der Vorgaben des Erblassers über das Vermögen verfügen.

Vermö­gens­her­an­ziehung zuwider des Sinn und Zwecks des Behin­der­ten­tes­taments

Der Senat hat entschieden, dass durch die Heranziehung des Vermögens des Betreuten, über das er selbst nicht verfügen kann, Sinn und Zweck des sog. "Behin­der­ten­tes­taments" konterkariert würde. Die testa­men­ta­rischen Bestimmungen sollten hier gerade dazu dienen, das Nachlass­vermögen des Betreuten dem Zugriff des Sozia­l­hil­fe­trägers zu entziehen. Nach der Rechtsprechung des Bundes­ge­richtshofs sind solche Verfügungen von Todes wegen grundsätzlich nicht sittenwidrig, sondern vielmehr Ausdruck der sittlich anzuerkennenden Sorge für das Wohl des Kindes über den Tod der Eltern hinaus, wenn die Eltern eines behinderten Kindes die Nachlass­ver­teilung durch eine kombinierte Anordnung von Vor- und Nacherbschaft sowie einer - mit konkreten Verwal­tungs­an­wei­sungen versehenen - Dauer­tes­ta­ments­voll­streckung so gestalten, dass das Kind zwar Vorteile aus dem Nachlass­vermögen erhält, der Sozia­l­hil­fe­träger auf dieses jedoch nicht zugreifen kann. Der Senat hat aus diesem Grundsatz nunmehr abgeleitet, dass für die Geltendmachung von Gerichts­ge­bühren für das Betreu­ungs­ver­fahren durch die Landes­jus­tizkasse nichts Anderes gelten könne.

Quelle: Oberlandesgericht Zweibrücken, ra-online (pm/aw)

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