14.11.2024
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Dokument-Nr. 3778

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Oberlandesgericht Stuttgart Beschluss12.02.2007

Gericht setzt Restfrei­heits­strafe gegen Brigitte Mohnhaupt gemäß § 57 a StGB zur Bewährung ausFrühere RAF-Terroristin Mohnhaupt kommt frei

Das Oberlan­des­gericht Stuttgart hat die Vollstreckung des Rests der gegen Brigitte Mohnhaupt verhängten lebenslangen Freiheitsstrafe mit Wirkung zum 27. März 2007 zur Bewährung ausgesetzt. Frau Mohnhaupt wird zu diesem Zeitpunkt 24 Jahre Freiheitsstrafe verbüßt haben. Die Bewährungszeit beträgt 5 Jahre. Die Verurteilte wird der Aufsicht und Leitung eines Bewäh­rungs­helfers unterstellt. Außerdem wurden Auflagen zur Meldung des Wohnsitzes und der Arbeitsstelle gemacht.

Es handelt sich nicht um eine Entscheidung im Gnadenweg, sondern um eine an bestimmte gesetzliche Voraussetzungen gebundene richterliche Entscheidung. Der Senat hat entschieden, dass unter Berück­sich­tigung des Sicher­heits­in­teresse der Allgemeinheit die Aussetzung zur Bewährung verantwortet werden kann.

In der Entscheidung wird ausgeführt: "Der Senat sieht - in Übereinstimmung mit dem Vertreter der General­bun­des­an­wältin und mit der Beurteilung des psychiatrischen Sachver­ständigen - keine Anhaltspunkte für eine fortdauernde Gefährlichkeit der Verurteilten, d.h. für die Gefahr, dass sie künftig neue schwere Straftaten begehen könnte."

Da alle gesetzlichen Voraussetzungen einer bedingten Entlassung vorlägen, sei die Vollstreckung des Strafrestes zur Bewährung auszusetzen.

Gemäß § 57 a StGB (Vgl. unten Hinweis Ziff. 3) hat das Gericht die Vollstreckung des Restes einer lebenslangen Freiheitsstrafe zur Bewährung auszusetzen, wenn

a) 15 Jahre der Strafe verbüßt sind,

b) nicht die besondere Schwere der Schuld des Verurteilten die weitere Vollstreckung gebietet,

c) die Aussetzung unter Berück­sich­tigung des Sicher­heits­in­teresses der Allgemeinheit

verantwortet werden kann, d) der Verurteilte einwilligt.

Brigitte Mohnhaupt wurde am 11. November 1982 festgenommen und befindet sich seither in Haft (zur Berechnung der Haftdauer s. unten Hinweis Ziff. 1).

Die 57-jährige Brigitte Mohnhaupt wurde wegen der Ermordung des General­bun­des­anwalts Buback und seiner Begleiter Göbel und Wurster, wegen der Ermordung Jürgen Pontos, wegen der Ermordung Dr. Schleyers und seiner Begleiter Marcisz, Brändle, Ulmer und Pieler, wegen der versuchten Ermordung von mindestens 5 Staatsanwälten der Bundes­an­walt­schaft, wegen der versuchten Ermordung von General Kroesen, seiner Ehefrau und zwei Begleitern durch Urteil des 5. Strafsenats des Oberlan­des­ge­richts Stuttgart vom 2. April 1985 zu fünf lebenslangen Einzel­frei­heits­s­trafen und einer Freiheitsstrafe von 15 Jahren verurteilt. Durch Beschluss des Bundes­ge­richtshofs vom 16. Juli 1986 wurde im Revisi­ons­ver­fahren hieraus eine lebenslange Freiheitsstrafe als Gesamtstrafe gebildet.

Durch Beschluss vom 15. März 2006 hat der 5. Strafsenat angesichts der besonderen Schwere der Schuld die Mindest­ver­bü­ßungsdauer für die Verurteilte auf 24 Jahre festgesetzt. Die Aussetzung der Vollstreckung des Restes der lebenslangen Freiheitsstrafe wurde damals abgelehnt.

Frau Mohnhaupt hat nun erneut einen Antrag auf Aussetzung des Strafrestes zur Bewährung gestellt. Die nach dem Gesetz erforderlichen Stellungnahmen der Justiz­voll­zugs­anstalt Aichach und ein Sachver­stän­di­gen­gut­achten zur Krimi­na­l­prognose liegen dem Oberlan­des­gericht vor. Der Senat hat Frau Mohnhaupt am 22. Januar 2007 persönlich angehört.

Ergänzende Hinweise:

1. Die Straf­voll­streckung wurde mehrfach zur Vollstreckung von Erzwingungs- und Ordnungshaft unterbrochen, sodass 24 Jahre erst mit Ablauf des 26. März 2007 vollstreckt sind.

2. Hintergrund der BGH-Entscheidung vom 16. Juli 1986 (Bildung einer Gesamtstrafe aus fünf lebenslangen Freiheits­s­trafen und einer Freiheitsstrafe von 15 Jahren) war eine Geset­ze­s­än­derung. Seit 1. Mai 1986 kann nämlich nicht mehr als eine lebenslange Freiheitsstrafe verhängt werden (§ 54 Abs. 1 Satz 1 Strafgesetzbuch). Wäre die Verurteilung durch das Oberlan­des­gericht also nach dem 1. Mai 1986 erfolgt, so hätten nicht fünf lebenslange Freiheits­s­trafen, sondern nur eine lebenslange Freiheitsstrafe als Gesamtstrafe verhängt werden dürfen. Mit seiner Entscheidung hat der BGH das bis dahin noch nicht rechtskräftige Urteil dieser neuen Gesetzeslage angepasst.

3. § 57 a Strafgesetzbuch gilt in der oben zitierten Fassung erst seit dem 1. Januar 1999. Diese Geset­ze­s­än­derung basiert auf einer grundlegenden Entscheidung des Bundes­ver­fas­sungs­ge­richts zur lebenslangen Freiheitsstrafe. Die besondere Schwere der Schuld wird nach heute geltendem Recht bereist im Strafurteil festgestellt. Diese Entscheidung musste im vorliegenden Fall vom Strafsenat als Vollstre­ckungs­gericht durch Beschluss vom 15. März 2006 nachgeholt werden.

Quelle: ra-online, Pressemitteilung des OLG Stuttgart vom 12.02.2007

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