21.11.2024
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Dokument-Nr. 2035

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Beschluss08.03.2006Oberlandesgericht Stuttgart20 W 5/05
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Oberlandesgericht Stuttgart Beschluss08.03.2006

Wertrelation bei Versi­che­rungs­fusion war angemessen

Das Oberlan­des­gericht Stuttgart hat entschieden, dass die Wertrelation der Fusion der Württem­ber­gischen Versi­che­rungs­gruppe mit der Wüstenrot - Gruppe im Jahr 1999 angemessen war.

Die Haupt­ver­samm­lungen der beiden Konzerne hatten im Sommer 1999 einem Vertrag beider Unternehmen über die Verschmelzung zu dem einheitlichen Unternehmen unter der Firma Wüstenrot & Württem­ber­gische AG zugestimmt. In dem Vertrag war festgesetzt worden, dass die Aktionäre der ehemaligen Württem­ber­gische Beteiligungs AG ihre Aktien im Verhältnis 2 : 1 umtauschen können. Dem lag ein Bewer­tungs­gut­achten von Wirtschafts­prüfern zugrunde, das zu dem Ergebnis gekommen war, dass nach Umschichtung verschiedener Beteiligungen beide Unter­neh­mens­gruppen einen Ertragswert von jeweils 5.333 Mio. DM hatten.

Die Verschmelzung wurde im September 1999 ins Handelsregister eingetragen, der Börsenhandel mit den Aktien der Wüstenrot & Württem­ber­gische AG wurde wenige Tage später aufgenommen. Einige ehemalige Aktionäre der Württem­ber­gische Beteiligungs AG hatten beim Landgericht Stuttgart ein Spruchverfahren eingeleitet, um eine bare Zuzahlung zu ihren umgetauschten Aktien zu erhalten. Das Umwand­lungs­gesetz sieht eine Zuzahlung vor, wenn das Umtausch­ver­hältnis zu niedrig bemessen ist. Das Landgericht Stuttgart hat mit Beschluss vom 08. Februar 2005 eine Zuzahlung von 5,41 € pro Aktie festgesetzt. Die Kammer des Landgerichts war der Ansicht, dass bei der Relation der Unter­neh­menswerte, die Grundlage des Umtausch­ver­hält­nisses ist, zugunsten der Württem­ber­gischen-Gruppe deren Börsen­ka­pi­ta­li­sierung zu berücksichtigen sei, die über dem gutachterlich ermittelten Ertragswert liege.

Das Oberlan­des­gericht Stuttgart hat jetzt der Beschwerde der Württem­ber­gischen & Wüstenrot AG stattgegeben und den Beschluss des Landgerichts aufgehoben. Der Senat hat zugleich die Beschwerden der Antragsteller zurückgewiesen, die eine noch höhere Zuzahlung begehrt haben.

Die nach der so genannten „Ertrags­wert­methode“ vorgenommenen Bewertungen in dem Bewer­tungs­gut­achten der Gesellschaften sind nach der Entscheidung des Oberlan­des­ge­richts nicht zu beanstanden. Nach der allgemein anerkannten „Ertrags­wert­methode“ wird der Unter­neh­menswert durch die Diskontierung der künftig den Unter­neh­mens­eignern, hier also den Aktionären, zufließenden finanziellen Überschüsse ermittelt. Diese Zukunftserträge werden auf der Grundlage der Ergebnisse der früheren Jahre und der internen Planung des Unternehmens prognostiziert. Dieser Prognose kommt eine hohe Bedeutung für die Unter­neh­mens­be­wertung zu; sie ist deshalb in vielen Bewer­tungs­ver­fahren besonders umstritten.

Der hier entschiedene Fall zeichnet sich nach Ansicht des Senats durch die Besonderheit aus, dass es sich um eine Verschmelzung zweier zuvor voneinander unabhängiger Konzerne handelt, die Ergebnis einer freien Verhandlung und Vereinbarung durch die jeweiligen Vorstände war und in der jeweiligen Haupt­ver­sammlung eine Billigung durch die Aktionäre mit einer Mehrheit von weit über 90 % gefunden hat. Derartige Vertrags­ver­hand­lungen sind naturgemäß davon geprägt, dass die Interessen aller Aktionäre einer jeden Seite auf ein möglichst günstiges Umtausch­ver­hältnis gerichtet sind. Klein- und Großaktionäre eines Unternehmens sitzen deswegen aufgrund ihrer gleich­ge­richteten wirtschaft­lichen Interessen „in einem Boot“.

Damit unterscheidet sich nach Auffassung des Senats eine solche Verschmelzung unabhängiger Gesellschaften wesentlich von regelmäßig auftretenden Fallge­stal­tungen in anderen Spruchverfahren, in denen es etwa um Abfindungen für Minder­heits­ak­tionäre geht, die aus Eigeninteresse eines Großaktionärs im Wege des „Squeeze-Out“ aus der Gesellschaft ausgeschlossen werden. In solchen Verfahren ist es die Funktion des Spruch­ver­fahrens, einen angemessenen Inter­es­se­n­aus­gleich zwischen den Aktionären einer Gesellschaft herzustellen.

Demgegenüber besteht bei einem vertragsautonom ausgehandelten und von der Aktio­närs­mehrheit gebilligten Verschmel­zungs­vertrag eine höhere Gewähr dafür, dass die Vorstände die wirtschaft­lichen Interesse der Anteilseigner ihres jeweiligen Unternehmens hinreichend berücksichtigt und durchgesetzt haben. Deshalb ist in solchen Fällen die gerichtliche Prüfung des Umtausch­ver­hält­nisses eingeschränkt. Sie hat sich darauf zu konzentrieren, ob bei der Unter­neh­mens­be­wertung rechtliche Bestimmungen eingehalten und Tatsachen richtig zugrunde gelegt worden sind. Dagegen ist es grundsätzlich nicht die Aufgabe des Gerichts, im Rahmen der Unter­neh­mens­be­wertung eigene Wertungen an die Stelle der Wertent­schei­dungen der Verhand­lungs­führer zu setzen, wenn diese unter­neh­me­rischen Entscheidungen vertretbar sind. Diese Vertretbarkeit hat der Senat nach eingehender Prüfung der Bewer­tungs­gut­achten und des Vortrags der Verfah­rens­be­tei­ligten festgestellt.

Auch Überlegungen zur Börsen­kurs­ka­pi­ta­li­sierung, also einer von der „Ertrags­wert­be­rechnung“ abweichenden Methode der Feststellung des Unter­neh­menswerts, rechtfertigen keine Zuzahlung. Denn der vom Landgericht angesetzte Börsenkurs war zu einem anderen Stichtag als die dazu in Relation gesetzten Ertragswerte ermittelt. Bei einer stich­tags­ge­rechten Ermittlung ergibt sich dagegen kein Börsenwert, der über dem Unter­neh­menswert aus dem Bewer­tungs­gut­achten liegt. Die Heranziehung des Börsenkurses erschien dem Senat außerdem auch aus grundsätzlichen Erwägungen nicht sachgerecht, u.a. weil einer der beiden Verschmel­zungs­partner, die Wüstenrot Beteiligungs AG, vor der Verschmelzung nicht börsennotiert war, so dass die Börsen­ka­pi­ta­li­sierung keinen geeigneten Vergleichs­maßstab hergibt.

Quelle: Pressemitteilung des OLG Stuttgart vom 08.03.2006

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