21.11.2024
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Dokument-Nr. 10424

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Beschluss14.10.2010Oberlandesgericht Stuttgart20 W 16/06
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Oberlandesgericht Stuttgart Beschluss14.10.2010

Altaktionäre von Daimler scheitern vor Gericht: Wertrelation der Fusion Daimler Benz AG mit der DaimlerChrysler AG war angemessenEntscheidung des Oberlan­des­ge­richts Stuttgart im Spruchverfahren gegen Daimler AG

Das Oberlan­des­gericht Stuttgart hat in letzter Instanz entschieden, dass die Wertrelation, die der Fusion der Daimler Benz AG mit der zwischen­zeitlich in Daimler AG umbenannten vormaligen DaimlerChrysler AG im Jahr 1998 zugrunde gelegt worden war, angemessen war.

Die Verschmelzung war Teil des Zusam­men­schlusses zwischen der Daimler Benz AG und der Chrysler Corporation. Die Haupt­ver­samm­lungen dieser beiden Unternehmen hatten am 18.09.1998 dem Gesamtvorhaben des Zusam­men­schlusses zugestimmt. Nach den zwischen den beteiligten Unternehmen getroffenen Vereinbarungen sollten die Aktionäre der ehemaligen Daimler Benz AG ihre Aktien im Verhältnis 1 zu 1,005 gegen Aktien der DaimlerChrysler AG umtauschen können; für die Aktionäre der Chrysler Corporation sollte ein Umtausch ihrer Aktien gegen solche der DaimlerChrysler AG im Verhältnis von 1 zu ,6235 erfolgen. Dem lagen eingehende Verhandlungen und Bewer­tungs­gut­achten von Wirtschafts­prüfern zugrunde.

Ehemalige Aktionäre der Daimler Benz AG leiteten Spruchverfahren ein

Ehemalige Aktionäre der Daimler Benz AG hatten beim Landgericht Stuttgart ein Spruchverfahren eingeleitet, um eine bare Zuzahlung zu ihren umgetauschten Aktien zu erhalten. Das Umwand­lungs­gesetz sieht eine Zuzahlung vor, wenn das Umtausch­ver­hältnis zu niedrig bemessen ist.

LG Stuttgart setzte Zuzahlung fest

Das Landgericht Stuttgart hatte mit Beschluss vom 04.08.2006 eine bare Zuzahlung in Höhe von 22,15 € pro Aktie festgesetzt; daraus errechnete sich ein Gesamtvolumen der zu leistenden Zuzahlungen von ca. 230 Mio. €. Die Kammer des Landgerichts war nach Durchführung einer Beweisaufnahme der Ansicht, dass eine Korrektur der auf der Grundlage der „Ertrags­wert­methode“ ermittelten Unter­neh­menswerte erforderlich sei. Der Unter­neh­menswert der Daimler Benz AG sei höher und derjenige der Chrysler Corporation niedriger in Ansatz zu bringen. Angemessen sei danach eine Umtauschre­lation zwischen Aktien der Daimler Benz AG und der DaimlerChrysler AG im Verhältnis von 1 zu 1,2073, woraus sich der festgesetzte Zuzah­lungs­betrag ergebe.

OLG Stuttgart hebt Zuzah­lungs­be­schluss des LG Stuttgart auf

Das Oberlan­des­gericht Stuttgart hat jetzt der Beschwerde der Daimler AG, der vormaligen DaimlerChrysler AG, stattgegeben, den Beschluss des Landgerichts aufgehoben und die Anträge auf Festsetzung einer Zuzahlung zurückgewiesen. Der Senat hat zugleich die Beschwerden und Anschluss­be­schwerden der Antragsteller abschlägig beschieden, die eine noch höhere Zuzahlung begehrt haben.

Die nach der so genannten „Ertrags­wert­methode“ vorgenommene Bewertung in dem Gutachten der Gesellschaften, nach welchem die vereinbarte Verschmel­zungs­re­lation als angemessen anzusehen ist, ist nach der Entscheidung des Oberlan­des­ge­richts nicht zu beanstanden. Nach der allgemein anerkannten „Ertrags­wert­methode“ wird der Unter­neh­menswert durch die Diskontierung der künftig den Unter­neh­mens­eignern, hier also den Aktionären, zufließenden finanziellen Überschüsse ermittelt. Diese Zukunftserträge werden auf der Grundlage der Ergebnisse der früheren Jahre und der internen Planung des Unternehmens prognostiziert. Dieser Prognose kommt eine hohe Bedeutung für die Unter­neh­mens­be­wertung zu; sie ist deshalb in vielen Bewer­tungs­ver­fahren besonders umstritten.

Besonderheit: Verschmelzung unabhängiger Gesellschaften

Der Fall zeichnet sich nach Ansicht des Senats durch die Besonderheit aus, dass über den Zusammenschluss zweier zuvor voneinander unabhängiger Konzerne zu entscheiden war, die durch ihre Vorstände nach einer freien und sachkundig unterstützten Verhandlung eine für angemessen erachtete Verschmel­zungs­re­lation vereinbart haben und deren Verhand­lungs­er­gebnis durch die Haupt­ver­sammlung der Daimler Benz AG mit einer Mehrheit von ca. 99,9 % des vertretenen Kapitals gebilligt wurde. Derartige Vertrags­ver­hand­lungen sind naturgemäß davon geprägt, dass die Interessen aller Aktionäre einer jeden Seite auf ein möglichst günstiges Umtausch­ver­hältnis gerichtet sind. Klein- und Großaktionäre eines Unternehmens haben in einem solchen Fall gleich­ge­richtete wirtschaftliche Interessen. Damit unterscheidet sich nach Auffassung des Senats eine solche Verschmelzung unabhängiger Gesellschaften wesentlich von regelmäßig auftretenden Fallge­stal­tungen in anderen Spruchverfahren, in denen es etwa um Abfindungen für Minder­heits­ak­tionäre geht, die aus Eigeninteresse eines Großaktionärs im Wege des "Squeeze Out" aus der Gesellschaft ausgeschlossen werden. In solchen Verfahren ist es die Funktion des Spruch­ver­fahrens, einen angemessenen Inter­es­se­n­aus­gleich zwischen den Aktionären einer Gesellschaft herzustellen. Demgegenüber besteht bei einem vertragsautonom ausgehandelten und von einer großen Aktio­närs­mehrheit gebilligten Verschmel­zungs­vertrag eine höhere Gewähr dafür, dass die Vorstände die wirtschaft­lichen Interessen der Anteilseigner ihres jeweiligen Unternehmens hinreichend berücksichtigt und durchgesetzt haben. Deshalb ist in solchen Fällen die gerichtliche Prüfung des Umtausch­ver­hält­nisses eingeschränkt. Sie hat sich darauf zu konzentrieren, ob die zwischen den unabhängigen Unternehmen geführten Verhandlungen als sorgfaltsgemäß angesehen werden können.

Dagegen ist es grundsätzlich nicht die Aufgabe des Gerichts, im Rahmen der Unter­neh­mens­be­wertung eigene Wertungen an die Stelle der Wertent­schei­dungen der Verhand­lungs­führer zu setzen, wenn diese unter­neh­me­rischen Entscheidungen vertretbar sind. Diese Vertretbarkeit hat der Senat nach einer umfangreichen Beweisaufnahme durch Vernehmung zahlreicher Zeugen, eingehender Prüfung der Bewer­tungs­gut­achten und des Vortrags der Verfah­rens­be­tei­ligten festgestellt.

Börsen­kurs­ka­pi­ta­li­sierung wäre nicht sachgerecht gewesen

Auch Überlegungen zur Börsen­kurs­ka­pi­ta­li­sierung, einer von der „Ertrags­wert­be­rechnung“ abweichenden Methode der Feststellung der Verschmel­zungs­re­lation, rechtfertigen keine Zuzahlung. Denn bei einer stich­tags­be­zogenen Ermittlung ergibt sich kein Börsenwert, der über dem Unter­neh­menswert aus den Bewer­tungs­gut­achten liegt. Die Heranziehung des Börsenkurses erschien dem Senat in diesem Fall zudem aus rechtlichen Erwägungen nicht sachgerecht; dafür sprach u.a., dass einer der beiden Verschmel­zungs­partner, die vormalige DaimlerChrysler AG, zum maßgeblichen Stichtag nicht börsennotiert war.

Eine weitere Beschwerde gegen die Entscheidung des Oberlan­des­ge­richts ist gem. § 12 Abs. 2 S. 3 SpruchG a. F. ausgeschlossen.

Quelle: ra-online, Oberlandesgericht Stuttgart

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